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Was kommt da auf Grünheide zu?

© Monika Skolimowska/dpa-Zentralbild/dpa

Immobilienboom für Brandenburg?: „Tesla kommt – jetzt heißt es schnell sein“

In Grünheide geht es beschaulich zu. Noch. Der Immobilienmarkt zieht bereits an. Und der Bürgermeister denkt über neue Wohnviertel nach.

Das geplante Tesla-Werk in Grünheide weckt Immobilienträume, sowohl bei Käufern wie bei Verkäufern. Die Baulandpreise sind in Bewegung. Aktuelle Preissteigerungen gegenüber den Durchschnittswerten von vor einem Jahr liegen zwischen 30 und 100 Prozent. Der geltende Landesentwicklungsplan (LEP) lässt allerdings in der Gemeinde derzeit keinen großangelegten Wohnungsbau zu. Doch das könnte sich ändern.

Bürgermeister Arne Christiani bestätigt auf Anfrage, dass die bisherigen Vorgaben der Bauleitplanung zur Diskussion stehen. Bisher könnten in größerem Umfang nur in Mittelstädten wie in Fürstenwalde oder Erkner Bauflächen ausgewiesen werden. „Deshalb ist die Landesentwicklungsplanung beauftragt, Lösungsvorschläge auch für Grünheide vorzulegen“, sagt Christiani, „das Zauberwort beim LEP heißt Zielabweichungsverfahren.“

Er rechnet bis zum Ende des Jahres mit ersten Ergebnissen für eine künftige Bauleitplanung. „Dann könnte auch hier in der Gemeinde eine neue Siedlung entstehen“, so der Bürgermeister.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) geht davon aus, dass neben dem US-Elektroautohersteller Tesla noch andere Unternehmen ins Land kommen werden. „Wir werden weitere Investitionen haben in Brandenburg“, sagte Woidke im Landtag in Potsdam. Er nannte keine Details, sagte aber auch: „Wir sind dabei, mit Investoren für die Lausitz zu verhandeln.“ Er rechne damit, dass bis Ende März Entscheidungen veröffentlicht würden.

Wird es eine neue Siedlung geben?

Der Regierungschef räumte ein, dass es noch offene Fragen zur Ansiedlung von Tesla gibt und versprach: „Wir werden alle Herausforderungen, die da auf dem Weg noch auftauchen werden, gut lösen.“ Tesla will in Grünheide (Kreis Oder-Spree) bis zu 500.000 Elektroautos im Jahr fertigen, der Produktionsstart soll im Sommer 2021 sein. Das als Industriefläche ausgewiesene Areal wird derzeit auf Kampfmittel aus dem Zweiten Weltkrieg untersucht.

Mit der Idee einer neuen Siedlung kann sich auch Barbara Schrobback, Maklerin im Grünheider Ortsteil Hangelsberg, anfreunden. Wie zum Beleg holt sie eine alte Gemarkungskarte aus dem Regal. Eine Berliner Terrain-Gesellschaft mit Sitz in Moabit hatte noch vor dem ersten Weltkrieg die Siedlung südlich der Eisenbahn mit dem Namen Fürstenwalde West geplant und entwickelt. Für das nördlich der Gleise gelegene Areal waren auch schon Parzellen und Wegestrukturen festgelegt. Doch zu einer Besiedlung kam es nicht mehr. Heute befindet sich dort ein Friedwald.

Keine Hochhäuser in Grünheide

Nach Ansicht von Barbara Schrobback sollte nicht versucht werden, die Ortsteile in der Gemeinde Grünheide (Mark) wie Hangelsberg, Kagel, Kienbaum, Mönchwinkel oder Spreeau einfach zu vergrößern. Eine neue Gartenstadt könnte ein eigenes ursprüngliches Gebilde werden, so wie einst Fürstenwalde West. Das findet auch Arne Christiani: „Eine weitere Ansiedlung darf den Charakter der vorhandenen Ortsteile nicht zerstören.“

Wenn die planerischen Voraussetzungen da sind, würden sich bestimmt schnell Investoren finden, prophezeit der Bürgermeister. Eine engagierte Entwicklungsgesellschaft, vielleicht auch aus Berlin, wie anno dazumal, könnte ein solches Projekt in die Hand nehmen.

An Hochhäuser allerdings ist in Grünheide, das jetzt etwas mehr als 8800 Einwohner zählt, nicht zu denken. Die ortstypische Bebauung reicht nicht höher als zwei Geschosse. Und daran solle festgehalten werden. Ein moderater Anstieg der Einwohnerzahl aber erscheint möglich. „Ich wage keine Prognose“, sagt der parteilose Christiani, „aber es sollten keinesfalls mehr als 12000 oder 13000 werden.“

Gutachter ermittelten einen Bodenwert von 150 Euro pro Quadratmeter

Nach Goldgräber-Mentalität klingt das nicht. Und das Inserat „Tesla kommt – jetzt heißt es schnell sein! 650 Quadratmeter für Ihr Bauprojekt: Bauland in Grünheide“, ist eher die Ausnahme. „Beschaulich gelegen“ und „in unmittelbarer Nähe zum Elsensee und Möllensee“, so die Beschreibung. Das Areal soll 195.000 Euro kosten, was einem Quadratmeter- Preis von 300 Euro entspricht.

Der Gutachterausschuss für die Bauland-Preise im Landkreis Oder-Spree hatte vor einem Jahr für Grünheide noch einen Mittelwert von 150 Euro festgestellt.

Die Preise wachsen aber auch nach der Tesla-Entscheidung nicht in den Himmel. Maklerin Barbara Schrobback erkennt zwar auch, „dass ein Ruck durch den Ort“ gegangen sei. Aber Belege für eine wahre Preisexplosion sieht sie nicht. Im Gegenteil: „Es herrscht im Großen und Ganzen noch eine Stimmung des Abwartens.“ Jährliche Preissteigerungen von etwa 20 bis 30 Prozent seien seit 2015 aber eh schon die Regel.

Drei Mal so viele Anfragen auf dem Tisch der Maklerin

Dieser Trend folgt der Dynamik in anderen Randbereichen von Berlin. Der Südosten galt lange als „etwas verschlafen“. Seit einiger Zeit entdeckten mehr und mehr Berliner angesichts des Preisauftriebs in der Hauptstadt interessante Immobilien an Spree und Dahme für sich. Ist doch der Alexanderplatz nur etwa 50 Kilometer von Grünheide entfernt.

Autobahnen und Regionalbahnanschlüsse befinden sich in akzeptabler Reichweite. Ohne Stau am Schönefelder Kreuz liegt die Fahrzeit von Berlin-Mitte bis Grünheide mit dem Pkw deutlich unter einer Stunde.

Barbara Schrobback hat sich lange gewundert, dass die Oder-Spree-Region in eine Art Dornröschenschlaf gefallen war. Allenfalls Kleinanleger aus Oldenburg, Stuttgart oder Berlin fragten nach Bauland zu Preisen zwischen 100.000 und einer halben Million Euro. Dazu meldeten sich Investoren für Seniorenwohnanlagen.

Auf dem Schreibtisch der Maklerin landen seit der Tesla-Verkündung im November 2019 drei Mal so viele Anfragen wie in der Zeit davor. In den letzten Wochen kamen Post und Anrufe aus aller Welt. Mit Bezug auf Tesla meldete sich ein Investor aus Russland. Er habe Interesse an jeder Art von Immobilien. Aus dem baskischen San Sebastian wurde der Wunsch nach einer Gewerbefläche für Logistik in der Autobranche vorgetragen.

„Der Markt ist abgegrast", sagt eine Maklerin

In eine andere Richtung zielte die Recherche von Interessenten aus Frankfurt am Main. Man suche ein Grundstück für den Bau eines Mehrfamilienhauses, teilten sie mit. Noch ganz andere Perspektiven sah ein Anrufer aus dem Allgäu. Offenbar in der Spekulation auf hungrige Autowerker bei Tesla wollte er gern einen Imbisskiosk eröffnen.

Doch noch herrscht eine idyllische Ruhe an den Gestaden der Spree. Kiefernwald und Wasser prägen die Landschaft. Die Heide ist berühmt für ihren Reichtum an Maiglöckchen und Blaubeeren. Interessant gelegene Wochenendgrundstücke bleiben in der Regel über Generationen in der Familie. „Der Markt ist abgegrast“, stellt Maklerin Schrobback fest.

Eine große Chance für die Region und für künftige Autobauer sieht sie im Ausbau der Regionalbahn auf der Strecke über Erkner, so könnten die Züge an allen Stationen, auch in Hangelsberg, halbstündlich halten. Der Bahnhof Fangschleuse zum Beispiel liegt direkt am für Tesla reservierten Bauland. „Das Umfeld dort wird sich verändern“, prognostiziert Bürgermeister Christiani. Häufiger verkehrende Züge könnten Autobauer in großer Zahl zum Tesla-Werk befördern.

Im Ort gehen schon die Spekulationen um: „Die holen sich doch eh die Mitarbeiter aus Polen.“ Für die deutsche Autobranche etwa in Bayern sind Fachkräfte aus dem östlichen Nachbarland seit Langem eine bevorzugte Zielgruppe. Die deutsch-polnische Grenze ist von Grünheide jedenfalls nicht weit entfernt: Bis Frankfurt/Oder braucht die Regionalbahn etwa 30 Minuten.

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