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Rund um den Kaiserlei-Kreisel in Offenbach entsteht in nächster Nähe zur Frankfurter Stadtgrenze nach den Plänen von Eike Becker_Architekten bis 2022 ein zukunftsweisendes und nachhaltiges, gemischtes Quartier aus Wohnen, Arbeiten und Freizeit.

© Eike Becker_Architekten

Immobilien mit besonderen Qualitäten: „Schwimmbecken oder Sauna sind gut zu stemmen“

Was zeichnet anspruchsvolle Wohnanlagen aus? Ein Gespräch mit dem Architekten Eike Becker über Exklusives und den Status Quo.

Herr Becker, wenn für Objekte aus der Sparte „Exklusives Wohnen“ in Berlin geworben wird, geht es meist um „Sundowner“, die auf einer Terrasse mit „spektakulären Ausblicken“ eingenommen werden können. Welche Ausstattungsmerkmale würden eine Wohnung oder ein Haus haben, die Sie als „exklusiv“ kennzeichnen würden?
Zunächst möchte in den Begriff etwas verändern. Wir arbeiten hart daran, die Stadt inklusiv zu halten. Ich spreche lieber von herausragend gutem Wohnen und dazu zählt dann auch leises Wohnen, dann geht es um Wohnen mit Aussicht – da ist dann Ihr Sundowner am richtigen Platz – und es geht um unbeschwerliches Wohnen, das kann ein Concierge sein oder, dass die Wohnungen einfach gut organisiert sind. Dann geht es um sicheres Wohnen, in der Nachbarschaft, auf dem Hof, in der Dunkelheit, im Schnee. Dann geht es mir um urbanes Wohnen - nämlich mittendrin zu sein. Zugriff zu haben auf Kulturangebot, auf Geselligkeit und Wissen. Damit geht es dann ja auch um kurze Wege – auf der Wohnungsebene aber auch im Raum, in den Raumhöhen, im Platz. Das sind alles Kriterien, die richtig gutes Wohnen ausmachen und dazu beitragen, dass Menschen sich wohlfühlen können. Dass sie sich eingebunden fühlen. Diese Fragen sind in jeder Preiskategorie wieder neu zu beantworten.

Würde denn jemand, der mehr Platz hat, besser wohnen?
Nicht automatisch. Für jemanden, der im ersten Obergeschoss an der Martin-Luther-Straße wohnt, ist das heute sehr beschwerlich: Weil die Wohnung laut ist und man nachts die Fenster nicht aufmachen kann beim Schlafen. Wir müssen uns damit beschäftigen, dass es ein ganzer Pool von Bedürfnissen ist, die wir Menschen haben. Und da bekommen dann einige mehr oder weniger hin. Es gibt viele große Altbauwohnungen, die auch für Berlin stehen. Aber wenn dann kein Aufzug dabei ist, wird es eher beschwerlich für einige Bewohner.

Sie haben über das sichere Wohnen gesprochen. Das Ludwig-Hoffmann-Quartier in Buch – das alte Klinikgelände – ist auch nach der Umnutzung in Wohnraum umzäunt geblieben. Zeichnen solche Anlagen mehr und mehr gutes Wohnen aus? Sicherheit durch Abschottung?
Wir haben ein Projekt an der Chausseestraße – ein viergeschossiger Durchgang zum Gartenbereich, der öffnet sich in einen schönen parkartigen Friedhof. Ein Gelände also, das sich weiter fortsetzt. Das Grundstück hat auch einen Spielplatz für Kinder. Die Eltern sagen: Das ist ja alles offen! Es kann jeder rein, vor allem aber können die Kinder auf die Straße rauslaufen. Das kann man schwer im Gespräch mit den Eltern wegargumentieren. Deshalb gibt es eben auch zur Zeit ein Tor, das für Ausschluss von Öffentlichkeit sorgt. Wenn der Staat nicht mehr in der Lage ist, auf den Straßen Sicherheit zu erzeugen, entstehen solche schlechten Bedingungen – nicht zugängliche Territorien. Jeder Park ist heute – wenn es geht – nachts geschlossen. Das ist Ausdruck von staatlicher, institutioneller Schwäche. Das müssten wir eigentlich anders schaffen. Sicherheit ist für alle da.

Eike Becker, geboren 1962 in Osterholz-Scharmbeck, hat in Aachen, Paris und Stuttgart studiert und gründete 1999 Eike Becker_Architekten. Die besondere Aufmerksamkeit des Architekturbüros gilt den Innenstädten urbaner Zentren mit ihren Menschen, öffentlichen Räumen, Hochhäusern, Büros und Wohnprojekten. Becker hat unter anderem den Neubau „Zirkus“ neben dem Berliner Ensemble entworfen.
Eike Becker, geboren 1962 in Osterholz-Scharmbeck, hat in Aachen, Paris und Stuttgart studiert und gründete 1999 Eike Becker_Architekten. Die besondere Aufmerksamkeit des Architekturbüros gilt den Innenstädten urbaner Zentren mit ihren Menschen, öffentlichen Räumen, Hochhäusern, Büros und Wohnprojekten. Becker hat unter anderem den Neubau „Zirkus“ neben dem Berliner Ensemble entworfen.

© Sebastian Wells/OSTKREUZ

Um Neunzehnhundert galt in Berlin vielleicht als exklusiv, wer in einer guten Lage wohnte und in seiner Stadtwohnung Dienstboten nebst Räumlichkeiten hatte. Status spielte eine Rolle. Das dürfte heute immer noch so sein, wenn wir an Villen, großzügige Auffahrten und Dreifachgaragen denken. So etwas ist uns geläufig. Welche abgefahrenen Wünsche sind Ihnen als Architekt schon begegnet? Es müssen keine Namen genannt werden. Wir nehmen auch Beispiele für modernes Unterstatement.
Wir sind heute weit davon entfernt, den Prunk der Gründerzeit zu realisieren. Heute sind die Wünsche eigentlich viel bescheidener. Also in einer Anlage, einem Gebäude mit 60 Parteien, leistet man sich ein Schwimmbecken oder eine Sauna. Dann ist das wirklich gut zu stemmen, jedenfalls für einige. Da geht es ums Wohlfühlen. Auf dem Dach einen Pool und Toiletten zu haben, ist vielleicht ein Ausdruck von Luxus heute, wenn es für einen Einzelnen gebaut ist.

Wenn wir Themen wie Stadtumbau und Verödung von Innenstädten beiseitelassen: Bewirken Pandemie und Klimawandel zurzeit schon ein Umdenken in der Architekturszene und an welchen Ausstattungsmerkmalen oder Raumkonfigurationen könnte man das festmachen? Klimageräte, die vor Häusern leise surren und eine Renaissance des „halben Zimmers“ oder eines Studios, die für Gäste und als Homeoffice genutzt werden können, sind vielleicht nicht alles. Stellt man sich vielleicht wieder „Mäusetürme“ wie den Binger Bau am Rhein vor, in die man sich verkriechen kann?
Die Überlegungen gehen dahin, Arbeiten und Wohnen näher zusammen zu bringen, auch im hochwertigeren Bereich. Dass man Gemeinschaftsräume anbietet, auch Coworking in der Anlage. Dann braucht man kein zusätzliches Arbeitszimmer und kann sich den Weg zur Arbeit sparen. Auch das Thema Lüftung steht immer stärker im Vordergrund. Die Anlagen müssen intensiver arbeiten, sie müssen im Sommer auch eine Kühlung bringen. Das spielt immer stärker eine Rolle wegen der warmen Sommer. Es mag auch Menschen geben, die gerne ein Eisbad oder ein Tauchbecken haben möchten.

Wenn man Ihnen völlig freie Hand lassen würde und es wären finanzielle und auch andere Ressourcen ohne Ende da und niemand müsste ein schlechtes Gewissen haben, welches exklusive oder inklusive Wohnprojekt würden Sie skizzieren? Wäre das eher eine Ferienresidenz auf den Malediven, ein Ökodorf und Gemeinschaftswohnprojekt auf dem Lande mit allen technischen Schikanen von Windanlage bis Solarpaneelen oder eine Stadtwohnung mit eigenem Fahrstuhl für das Cabrio im Keller?
Am besten alles zusammen, wie das die Berliner am liebsten haben. Der Blick auf die Ostsee, auf das Brandenburger Tor und die Alpen müssten auch möglich sein. Was mich als Aufgabe fasziniert, dann wäre das ein urbanes Projekt, ein Holzbau beispielsweise, ein Gebäude, das eine lebendige Umgebung hat und Leben und Arbeiten miteinander verbindet, das inklusiv ist und als offenes Quartier funktioniert, was natürlich eine Niedrigenergietechnik hat und klimaneutral funktionieren kann. Wichtig ist, dass man sich Gedanken über Mobilität macht, über Angebote, die gemeinschaftlich genutzt werden können, Elektromobilität ja sowieso. Dass man die Wohlfaktoren gut teilen kann, dass die Nachbarschaft und die Geselligkeit eine Rolle spielen. Das wäre dann ein dichteres Quartier, das dann aber auch wiederum die Freiflächen qualifiziert. Wir sind in Offenbach mit einem Wohnprojekt unterwegs, mit einem Schwimmbad. Das steht vormittags für das Schulschwimmen zur Verfügung, weil die arme Gemeinde in Offenbach nicht in der Lage ist, ein Schwimmbad zu unterhalten. Beim Hochbau habe ich keine Sorgen, dass wir in Berlin in den nächsten einhundert Jahren zu hoch bauen...

... Rechnen Sie tatsächlich so lange noch mit einer rot-rot-grünen Landesregierung?
(lacht) Unabhängig von Parteipolitik. Es ist wichtig, dass Menschen zusammenkommen. Protz, blink, Penthaus – das kann nicht im Vordergrund stehen, sondern vielmehr unsere Bemühungen um eine gute Stadt zum Wohlfühlen.

Die Realität ist eine andere – wir sind dazu aufgerufen, nicht zu eng miteinander zu leben. Sie haben die durch Covid-19 verursachte Krankheit überwunden. Man kann nur hoffen, dass diese pandemische Zeit irgendwann hinter uns liegt. Aber was machen wir, wenn wir uns auf die momentanen Verhältnisse auf Dauer einstellen müssen?
Das wäre dann eine Trendfortschreibung. Tja… Pandemien sind in der Vergangenheit aber immer wieder besiegt worden und so wird es auch mit dieser sein. Wir werden als Gesellschaft daraus auch anders hervorgehen. Aber das ist das Gute, dass Menschen kooperieren und versuchen über die Wissenschaft und Zusammenarbeit auch Antworten zu finden – und sich eben nicht separieren.

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