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„Berliner Mietshaus“ im neuzeitlicher Fassung. Stadtarchitekt Klaus Theo Brenner plädiert wie in diesem Entwurf für die Parkstadt Karlshorst für ein dramaturgische Szenario des städtischen Lebens auf engem Raum.

© Straße, Block, Haus und Hof

Immobilien: Bauaktenzeichen XY ungelöst

Sozialer Wohnungsbau wie nach 1945 ist das Gebot der Stunde – ein Gastbeitrag.

Die aktuelle Diskussion in Sachen Wohnungsbau lässt sich bei aller Komplexität auf einen grundlegenden Widerspruch reduzieren: Wir haben auf der einen Seite die Wohnung als ein erfolgreiches Investitionsmodell im internationalen Kapitalmarkt mit steigenden Kosten, Erträgen und Mieten. Auf der anderen Seite ist die Wohnung der Lebensraum für alle Stadtbewohner, besonders auch für die, die sich keine exorbitanten Mieten leisten können, aber das Recht haben, in einer guten Stadt zu leben.

Ein wesentlicher Aspekt der Lösungsstrategie ist die Kontrolle der kapitalgesteuerten Bauprozesse im Wohnungsbau über ein begrenztes Grundstücksdispositionsmodell zugunsten der öffentlichen Hand und – bezogen auf einzelne Projekte – die Vorgabe eines bestimmten Prozentsatzes an mietpreisgebundenem Wohnungsbau. Diese Strategie eines kontrollierten Kapitalwachstums ist aber nur die eine, eher unwichtigere Seite der Medaille. „Sozialer Wohnungsbau“ ist der städtische beziehungsweise genossenschaftliche Wohnungsbau, der im europäischen und historischen Kontext (Wien und Berlin) einen großen und faszinierenden kulturellen Hintergrund darstellt für das, was wir heute tun können.

Der Siedlungsbau im großen Maßstab in Ost- und Westberlin nach dem Zweiten Weltkrieg stellt in diesem Zusammenhang ein beeindruckendes Beispiel dar. Zum einen als Erfolgsmodell für den Sozialen Wohnungsbau, zum anderen steht der sogenannte Siedlungsbau der Nachkriegszeit, bezogen auf die Frage der Stadtarchitektur, als identitätsstiftender Lebensraum für das Scheitern einer Planungsidee in großem Stil – der soziale Wohnungsbau als „Schlafstadt“.

Der Berliner Reformwohnungsbau der Vorkriegszeit zeigt dagegen exemplarisch und erfolgreich die Bindung an ein klassisches Stadtbaumodell mit Straße, Platz, Haus und Hof als eine Art kritische Rekonstruktion des Modells „Berliner Mietshaus“, das in seiner sanierten oder aber modernisierten Version bis heute einen idealen Stadt-Wohnort symbolisiert und gerade deswegen auch für uns eine wesentliche Handlungsreferenz darstellt.

Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften stellen wie die städtischen Wohnungsbaugenossenschaften (als ein fortschrittliches Anlagemodell) Kernthemen des Sozialen Wohnungsbaus und einer sozial ausgerichteten Wohnungsbaupolitik dar. Diese Themen sind allerdings seit der gigantischen Verkaufswelle der neunziger Jahre völlig aus der öffentlichen Debatte verschwunden, und die Rolle der städtischen Wohnungsbaugesellschaften ist derzeit völlig unklar.

Fakt ist, dass der Soziale Wohnungsbau eine Bauaufgabe für die öffentliche Hand darstellt (wie sie auch immer gelöst wird – in Form öffentlicher Bau- und Genossenschaftsmodelle). Diese „Bauaufgabe“ ist eine unternehmerische Herausforderung und aktuell völlig ungelöst. Sie ist aber auch eine kulturelle Herausforderung. Der soziale Wohnungsbau war, historisch betrachtet, immer ein repräsentatives und stark publiziertes architektonisches Stadtmodell. Im Osten wie im Westen Berlins entstanden in den 60er Jahren die großen (durchaus kritisierbaren) Stadtbaumodelle in einer engen Kooperation zwischen der Stadt, den Wohnungsbaugesellschaften und den damals bedeutendsten Architekten.

Es gilt, effiziente Investitionsmodelle zu entwickeln

Die aktuelle Herausforderung an die Stadtpolitik besteht also zunächst einmal darin, auf dem Markt im Sinne des Sozialen Wohnungsbaus aktiv zu werden und dafür effiziente Investitionsmodelle zu entwickeln. Dann aber stellt sich sofort die Frage: Wie sieht der Soziale Wohnungsbau aus? Hier geht es darum, an öffentlichen Projekten beispielhaft aufzuzeigen, wie wir eine „gute Stadt“ für eine breite Nutzerschicht mit reduziertem Kostenaufwandbauen. Dieser Qualitätsanspruch basiert – abgesehen von allen technischen und ökologischen Aspekten, die sich heute, wie wir das aus der jüngeren Architekturgeschichte gut kennen, gerne verselbständigen und uns von einer kompetenten Stadt-Debatte wegführen – im Wesentlichen auf drei Themen:

Das erste Thema ist das Stadtleben im Sinne einer funktionalen Vielfalt im städtischen Raum. Also keine Monofunktionalität. Wohnen, Arbeiten, Freizeit, öffentliche Gebäude und Freiflächen bilden das dramaturgische Szenario des städtischen Lebens auf engem Raum.

Zweitens bilden die Straßen, Gassen, Plätze das räumliche Szenario und den Bezugsraum für alle Stadtbewohner. Und drittens geht es darum, diese Grundbausteine einer „guten Stadt“ gegen alle Auflösungstendenzen in Form funktionaler Separierung und räumlicher Zufallserscheinungen kulturpolitisch wirksam zu vertreten, was aktuell vor dem Hintergrund der geradezu chaotischen Entscheidungshemmnisse auf Seiten der Stadtpolitik ein großes Problem darstellt.

Straße, Block, Haus und Hof bilden die Grundstruktur

Vor dem Hintergrund unserer kulturellen Erfahrungen im europäischen Stadtbau auf dem Weg zu einer modernen Interpretation der „guten Stadt“ am Beispiel des Sozialen Wohnungsbaus als Basis-Modell städtischer Lebensräume geht es um eine Reihe entwurflicher Themen, die sozusagen die Grundbausteine städtebaulicher Entwürfe darstellen. Wenn es um die identitätsstiftende und fundamentale Bedeutung und Inszenierung der öffentlichen Räume (Straßen und Plätze) geht, ist der Baublock dazwischen der Grundbaustein der Stadt. Im Block stehen die Häuser groß, klein, hoch und niedrig, die Stadthäuser mit ihren Fassaden zur Straße und in enger Verknüpfung mit den privaten Freiflächen im Hof.

Ganz einfach, dieses Bausystem mit einer unendlichen interpretatorischen Vielfalt mit Blick auf unsere Stadtbaugeschichte und auf die Tradition des bis heute extrem erfolgreichen Berliner Mietshauses. Straße, Block, Haus und Hof (oder Garten) bilden eine verlässliche Grundstruktur im Bild der Stadt; und es gibt für uns heute – die Moderne (!)– nichts Besseres, als eine gute, einfache und stabile Regel für das aktuelle Spiel der Kräfte und der architektonischen Sprachvielfalt einer modernen Stadtarchitektur mit all ihren charakteristischen Eigenschaften von Nutzung, Proportion, architektonischer Ordnung, Materialität und Farbe – ohne das oberflächliche Design-Outfit frei schwebender Bau- und Scheibenklötze. Je mehr Vielfalt dabei entsteht und je bewegter sich die Stadtsilhouette (StadtHochDrei) – hoch und niedrig, mit Vor- und Rücksprüngen – darstellt, desto besser! Immer im Blick ist die Flächenersparnis durch Dichte, Lebendigkeit durch Mulitfunktionalität und die entwurfliche Modernisierung des Stadthauses innen und außen als das zentrale Thema der Stadtarchitektur.

Tagesspiegel-Gastautor Klaus Theo Brenner lebt und arbeitet als Architekt in Berlin. Neben weiteren Preisen und Nominierungen wurde er für das Projekt Rummelsburger Bucht mit dem deutschen Städtebaupreis ausgezeichnet.

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