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Ein Apartment von Buy Berlin.

© Davis Phillips

Homestaging: Wie man Immobilien in Szene setzt

Aufgemöbelte Musterwohnungen sind aus dem Immobilienbusiness kaum wegzudenken. Einst dienten sie als Beispiele des guten Geschmacks.

„Wir sind Stadt-Nomaden geworden! Selbst beweglich geworden, müssen wir bewegliche Habe haben. Wenig Sachen, nur das Notwendige, leichte Habe; diese aber als persönliches Eigentum unantastbar.“ So beginnt die Schriftstellerin und Journalistin Alix Rohde-Liebenau ihren Aufsatz über die „Neuordnung des Tagesablaufs und der Inneneinrichtung“. Damit wollte sie in den 50er Jahren ihre Mitmenschen für eine neue Art des Wohnens begeistern, abseits von Plüsch und Plunder. 65 Quadratmeter für vier Personen mussten schließlich reichen in den pragmatischen Neubauten, die im kriegszerstörten Berlin aus dem Boden gestampft wurden.

Wie eine moderne Gesellschaft wohnen soll, das war historisch, ist aber auch heute noch ein Thema. Kaum ein Neubauprojekt kommt ohne eine komplett eingerichtete Musterwohnung aus. Darüber hinaus lassen die Grundrisse oft wenig Raum für Varianten.

Das Berliner Werkbundarchiv – Museum der Dinge zeigte zu diesem Thema im vergangenen Jahr die Ausstellung „Gern modern? Wohnkonzepte für Berlin nach 1945“. Baukästen aus der Wohnberatung des Deutschen Werkbundes gehörten ebenso zu den Exponaten wie die detaillierten, weit ins Privatleben der Nutzer eingreifenden Abhandlungen von Alix Rohde-Liebenau.

Bauhaus stellte seine Prinzipien in Musterwohnungen dar

Wohnstandards setzte auch die in der Dauerausstellung des Museums befindliche Frankfurter Küche. Margarete Schütte-Lihotzky entwarf sie im Jahr 1926 für die kleinen Genossenschaftswohnungen des Frankfurter Architekten Ernst May. Die Wiener Architektin gestaltete sie nach dem Vorbild eines industriellen Arbeitsplatzes. Mit einem Handgriff sollte die Hausfrau alle wichtigen Dinge erreichen können. Die Wege sollten kurz sein, sodass die Arbeit effizient von der Hand ging. Sie gilt heute als Vorbild aller modernen Küchen.

Auch das Bauhaus stellte seine Prinzipien des modernen Wohnens in exemplarisch gestalteten Wohnungen dar: Während der Werkbundausstellung „Die Wohnung“ entstanden 1927 neun Musterwohnungen auf dem Stuttgarter Weißenhof. Die Siedlung mit 63 Wohnungen in 21 Häusern wurde unter Leitung von Ludwig Mies van der Rohe gebaut. Neben ihm waren Architekten wie Peter Behrens und Le Corbusier an ihrem Bau beteiligt. Verantwortlich für die Innenarchitektur der Musterwohnungen war Ferdinand Kramer. Der dem Funktionalismus verbundene Designer und Architekt gestaltete dafür eigene Möbel, die sich leicht kombinieren ließen, platzsparend einsetzbar waren und sich industriell herstellen ließen.

In den USA entstanden die Case Study Houses

Nach dem Krieg richtete der Werkbund anlässlich der Bauausstellung Interbau Wohnberatungsstellen ein. Musterwohnungen, Lehrmittelkästen für Schulen und Ratgeberbücher sollten den Menschen die „Gute Form“ näherbringen. In den Beratungen half geschultes Personal bei Fragen zur schönen neuen Wohnwelt weiter und empfahl Alltagsgegenstände vom Tapetenmuster bis zum Teeservice. „Die Erziehung zum guten Geschmack und zum richtigen Wohnen sollte auch zu einer geordneten Lebensgestaltung führen“, heißt es dazu im Katalog zu der Ausstellung „Gern modern?“ aus dem vergangenen Jahr.

In den USA entstanden etwa zur gleichen Zeit die Case Study Houses. Verfechter des modernen Bauens wie Ray und Charles Eames oder Eero Saarinen stellten damit eine neue Form des kostengünstigen Bauens vor und setzten wichtige Akzente für die künftige Architektur in den USA.

Unverbindliche Visualisierung des Upside Berlin
Unverbindliche Visualisierung des Upside Berlin

© Ziegert

Musterwohnungen heute haben zwar keine erzieherische Funktion mehr, dennoch sind sie aus dem Immobilienbusiness kaum noch wegzudenken, sollen sie doch vor allem dazu dienen, Immobilien besser zu verkaufen.

Inzwischen hat sich zu diesem Zweck sogar ein eigener Berufsstand gebildet, der des Homestagers. Seine Aufgabe ist es, mit Möbeln, Accessoires und Attrappen die Wohnungen so zurechtzumachen, dass sich Kaufinteressenten besser vorstellen können, wie sie einmal darin leben werden. Die Deutsche Gesellschaft für Homestaging und Redesign behauptet, dass sie die derartig vorbereiteten Wohnungen bis zu 50 Prozent schneller verkaufen und einen bis zu 15 Prozent höheren Preis erzielen kann.

Emotionen sind beim Kauf genauso wichtig wie Zahlen

„Kaufen ist immer auch eine Bauchentscheidung, vor allem bei Selbstnutzern“, erklärt Nikolaus Ziegert, Geschäftsführer der Ziegert Bank- und Immobilienconsulting GmbH. „Das heißt nicht, dass Zahlen und Preise bei der Wahl der Wohnung keine Rolle spielen. Mindestens genauso wichtig sind aber die Emotionen, die mit einem bestimmten Produkt verbunden sind.“

Musterwohnung im Haus Pierre Vago auf der Internationalen Bauausstellung 1957.
Musterwohnung im Haus Pierre Vago auf der Internationalen Bauausstellung 1957.

© Werkbundarchiv – Museum der Dinge Berlin

Filme, Projekt-Websites, Exposés, Plakate, Veranstaltungen sowie ein aufwendig eingerichteter Showroom gehören daher heute zum guten Ton bei großen Neubauprojekten. Gerade erst eröffnete Ziegert zum Beispiel den Showroom zum Projekt Upside Berlin an der Mercedes-Benz Arena mit einem aufwendigen Virtual Reality Event.

Nikolaus Ziegert sagt: „Noch näher am späteren Zuhause ist eine Musterwohnung. Grundrisse, Größenverhältnisse, Einrichtung – alles ist genau so, wie es sein könnte, wenn der Käufer einzieht. Zu den wichtigsten Aufgaben unseres hauseigenen Interieurstudios gehört deshalb, die jeweilige Musterwohnung entsprechend den Bedürfnissen und Vorlieben der möglichen Interessengruppen einzurichten. Dafür verwenden wir in der Regel Möbel, die sich in Farbgebung und Materialität individualisieren lassen.“

In Berlin vermitteln Agenturen möblierte Wohnungen

Auch David Borck, Geschäftsführer von David Borck Immobilien, weist auf das breite Dienstleistungsspektum hin, das Immobilienmakler inzwischen abdecken. Er vermittelt nicht nur in Fragen der Finanzierung, sondern richtet die Wohnungen auf Wunsch gleich vollständig ein. „Der Wunsch, bei der Kaufentscheidung umfassend beraten zu werden, ist heute größer als noch vor Jahren, und dem kommen wir mit unserem Netzwerk nach“, sagt David Borck. „In einigen Projekten wie etwa Nano, einem Neubau in Treptow-Köpenick mit 68 Mikroapartments, vermitteln wir einen Vermietungs- und Verwaltungsservice sowie die vollständig auf die Wohnungen zugeschnittene Möblierung.“ In Showrooms können sich Interessenten den passenden Grundriss, die Fenstergriffe oder die Kacheln für Bad und Küche aussuchen, oft noch bevor der Neubau überhaupt Richtfest gefeiert hat.

Die auf die Hauptstadt spezialisierte Immobilienagentur Buy Berlin vermittelt ebenfalls möblierte Wohnungen. Das Unternehmen stellt sich nach eigenen Angaben auf die wachsende Zahl an Arbeitnehmern ein, die nach kurzfristigen Mietverträgen und eingerichteten Wohnungen sucht. Dazu kooperiert Buy Berlin inzwischen mit dem Möblierungsspezialisten David Phillips. Für Immobilieninvestoren werde es damit noch leichter, die passenden Möbel für den Berliner Markt zu finden, heißt es.

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