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Auf dem Landwehrkanal im Großen Tiergarten findet sich einer der wenigen größeren Liegeplätze für Hausboote in der Hauptstadt.

© Kitty Kleist-Heinrich

Hausboote in Berlin: Wer einmal anlegt, der bleibt für immer

Die Hausbootszene in Berlin ist klein – das hat historische Gründe, ist aber auch so gewollt.

Sommer in Berlin und die Nachfragen reißen nicht ab: „Ich erzähle zigmal in einer Woche das Gleiche“, erklärt Erik A., der nicht mit vollem Namen in der Zeitung genannt werden möchte. „Wer sich ein Hausboot bauen oder kaufen will und über ein Leben auf dem Wasser nachdenkt, der sollte sich erst einmal einen Platz zum festen Ankern suchen!“

Denn obwohl Flüsse, Kanäle und Seen zusammen rund sechseinhalb Prozent der Stadtfläche ausmachen, Berlin mit 60 Quadratkilometern über mehr Wasserfläche verfügt als die Grachtenstadt Amsterdam, gibt es nur einige wenige feste Liegeplätze. Erik A. ankert selbst in einem kleinen Hafen. Wo der liegt, soll ebenfalls nicht in der Zeitung stehen: „Ich habe vor sechs Jahren diese Möglichkeit gefunden – aber gern gesehen ist es in Berlin nicht“, erzählt er.

Das Wohnen um Spree, Havel und Dahme oder auf einem der vielen Berliner Seen ist etwas für einige wenige Liebhaber, Hartnäckige und Aussteiger geblieben. Zu den vielleicht 50 bis 60 geduldeten Bootsliegeplätzen – vor allem in den alten Hausbootkolonien am Plötzenseer Kolk, im Flutkanal der Tiergartenschleuse und in Spandau – sind in den vergangenen Jahrzehnten so gut wie keine neuen hinzugekommen. Und diejenigen, die ihren Platz haben, verlassen ihn kaum wieder. Wie Elisabeth K., die sich vor 24 Jahren ihren Traum erfüllte, auf dem Wasser zu wohnen. Damals gab eine Bekannte ihr Wohnschiff auf; Elisabeth K. und ihr Mann griffen sofort zu und haben sich den ausgedienten Kahn immer weiter ausgebaut.

Für einen Liegeplatz braucht man eine Genehmigung

Auf 90 Quadratmetern findet sich alles, was es für behagliches Wohnen braucht: ausreichend Platz, Küche und Bad, Internet und Telefon. Ihren Briefkasten und die Mülltonnen erreichen sie über den Steg an Land. Das Schiff mit Tisch und Stühlen auf dem lang gezogenen Deck, mit Kräuterbeeten und Blumentöpfen, einem Beiboot an der Seite schwimmt fest verankert auf dem Plötzenseer Kolk neben einem guten Dutzend anderer Hausboote. Sie bilden in der Verordnung für Binnenschifffahrtsstraßen die Kategorie schwimmende Anlagen – und unterscheiden sich damit von Kleinfahrzeugen, etwa Motorbooten, für die das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt (WSA) Kennzeichen ausgibt.

Eine schwimmende Anlage ist in der Regel nicht für die Fortbewegung gedacht“, erklärt Stefan Sühl vom Berliner WSA. „Das Schiff liegt fest an einem Ort, und wenn es beispielsweise auf eine Werft muss, dann geht das nur über einen Sondertransport.“

Kein Kennzeichen heißt aber eben noch lange nicht, dass ein Hausboot genehmigungslos irgendwo ankern darf. Im Gegenteil, eine schwimmende Anlage verlangt schwierige Genehmigungsverfahren:

Zuerst einmal muss das WSA eine strom- und schifffahrtspolizeiliche Erlaubnis geben, denn auf Flüssen und Seen gilt das Bundeswasserstraßengesetz. So wird beispielsweise geprüft, ob von dem Hausboot eine Behinderung oder Gefahr für den Schiffsverkehr ausgeht. Als Zweites muss auch die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz grünes Licht geben. Dort wird beispielsweise unter Aspekten des Umweltschutzes und der Stadtplanung entschieden.

Eine Alternative für die immer dichter werdende Hauptstadt?

Auf die Nachfrage, wie groß denn die Chance ist, eine Genehmigung zu bekommen, heißt es beim WSA: „Das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Berlin räumt Antragstellern auf den Bundeswasserstraßen grundsätzlich keine Nutzungsmöglichkeit als Dauerwohnsitz ein.“ Anträge auf Hausbootliegeplätze würden lediglich unter der Maßgabe einer temporären Nutzung – also zu Freizeit- und Erholungszwecken – geprüft.

„Eigentlich leuchtet mir nicht ein, was so kompliziert daran sein sollte, an einigen Stellen Liegeplätze für Hausboote auszuweisen“, sagt Erik A. Wäre Wohnen auf dem Wasser nicht auch eine Alternative für die immer dichter werdende Hauptstadt? Eine Überlegung, die wohl auch hinter der kleinen Anfrage eines CDU-Abgeordneten aus dem vergangenen Jahr stand. Die Antwort der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz: „Hausboote haben für den Senat im Rahmen des Wohnungsbaus keine Bedeutung.“ Im Land Berlin gebe es keine Ausweisung von Flächen für Hausboote zu Wohnzwecken.

„Klar gibt es da tolle Wohnvorstellungen von Floating Homes und Investoren, die super Wohnparks etwa für die Spree konzipieren würden“, erklärt der Sprecher der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, Matthias Tang. „Aber wir sind der Meinung, die Wasserlagen sind für alle da.“ So stehe es auch im Koalitionsvertrag: Die Ufer sollten zu Erholungszwecken für die Bevölkerung zugänglich sein.

„Bei Grundstücken werden Baugenehmigungen vergeben – auf dem Wasser wird es so etwas nicht geben“, fügt er hinzu. Der Sprecher verweist auch auf die Europäische Wasserrahmenrichtlinie: Eine Verlagerung von Siedlungen auf Gewässer wäre dem Umwelt- und Naturschutz kaum zuträglich.

Schwimmende Wohnhäuser sind manchen ein Dorn in Auge

Wie aber regeln das andere Städte, etwa Amsterdam (rund 2500 Hausboote) oder auch London (rund 4000 Hausboote, Tendenz steigend), für die doch die gleichen Rahmenlinien gelten?

„Anders als in Berlin sind die Hausbootkolonien dort langsam gewachsen“, gibt Erik A. zu bedenken. In Berlin ergaben sich viele Möglichkeiten erst nach dem Fall der Mauer. „Und jetzt sind die bunten Hausboote, die ja oft selbst zusammengezimmert sind, den Mietern in den teuren Wohnungen mit Wasserblick eher ein Dorn im Auge“, ergänzt er.

So formiere sich durchaus Widerstand der Anwohner um die Rummelsburger Bucht, wo sich bis zu einem Brand im vergangenen Jahr eine kleine Kolonie mitten auf dem See zusammengefunden hatte. Lummerland nannte sich die schwimmende Wagenburg in Sichtweite nobler Townhäuser. Nach dem Feuer, das alle Boote und Flöße zerstört hat, ermittelte die Polizei wegen schwerer Brandstiftung.

„Die werfen Hausbootlern zum Beispiel Wasserverschmutzung vor“, sagt Erik A. Dabei seien die oft umweltbewusster als manch andere an Land: zum Beispiel mit Solarzellen auf den Dächern oder der konsequenten Trennung und Vermeidung von Müll.

Wie Elisabeth K. und ihr Mann: gewaschen wird mit Waschnüssen, im Bad gibt es eine Komposttoilette – und eine Mülltonne an Land wird regelmäßig von der BSR abgeholt.

Rosemarie Mieder

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