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Gutes Konsumklima. Es läuft zurzeit bestens für den Onlinemodehändler Zalando mit Sitz in Berlin. Doch Mode verkauft sich in der Hauptstadt auch über den stationären Handel bestens: Deshalb ist die Stadt ein Testmarkt.

© Oliver Berg/dpa

Gewerbeimmobilien: Es darf spekuliert werden

Berlin macht potenzielle Investoren neugierig: Die Preise steigen weiter – der Leerstand sinkt.

Gewerbeimmobilien werden in Berlin unterm Strich immer teurer. Im vergangenen Jahr wurden gut 160 Millionen Euro mehr für sie bezahlt als im Vorjahr – obwohl weniger Objekte verkauft wurden. In den Zahlen enthalten sind Büro- und Geschäftsimmobilien, bebaute und unbebaute Grundstücke sowie gewerbliches Wohnungs- und Teileigentum. Das geht aus der Antwort der Finanzverwaltung auf eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus hervor.

Demnach wechselten 1092 Objekte mit einer Gesamtfläche von 274,6 Hektar für rund 2,76 Milliarden Euro den Besitzer. Im Vorjahr waren es 1181 Objekte, 305,4 Hektar und knapp 2,6 Milliarden Euro gewesen. Im Jahr 2010 hatten 970 verkaufte Objekte insgesamt knapp 1,39 Milliarden Euro gekostet.

Wird dieser Trend anhalten? Niclas Karoff, Mitglied des Vorstandes der TLG Immobilien AG, glaubt das unbedingt, sieht aber auch Gefahren für den Standort, die mit weiterem Wachstum einhergehen. Die TLG ist als Gewerbeimmobilienspezialist vor allem am ostdeutschen Immobilienmarkt aktiv. „Trotz der mittlerweile unter fünf Prozent gesunkenen Mietrenditen lohnen sich Investments in Berliner Büro- und Handelsimmobilien aufgrund des Entwicklungspotenzials bei den Mieten noch immer“, sagte Karoff am Donnerstag in Berlin.

Im europäischen Vergleich sei Berlin immer noch preiswert – „die Investoren setzen sich die lokale Brille ja gar nicht erst auf“. Je stärker Berlin an Topmetropolen wie London oder Paris heranrücke, desto stärker würden die Renditen sinken. Doch institutionellen Investoren ist der Kapitalerhalt oft wichtiger als die Kapitalrendite. Spitzenrenditen seien ohnehin nur in Spitzenlagen in den bevorzugten Innenstadtlagen zu erwarten – „nicht in der Bandbreite des Marktes“, so der TLG-Vorstand.

Zalando will ein viertes Logistikzentrum in Deutschland eröffnen

Die wirtschaftliche Bedeutung Berlins und der anhaltende Zuzug sowie die Jahr für Jahr steigenden Touristenzahlen sorgten dafür, so Karoff weiter, dass sich weitere Einzelhandelsunternehmen in der Hauptstadt ansiedeln wollen oder Filialen eröffnen. Berlin sei ein wichtiger Testmarkt in Europa – zum Beispiel für Modeunternehmen.

Der Berliner Onlineversandhändler Zalando etwa hat seine Umsatzprognose für dieses Jahr erhöht. Das Unternehmen erwartet nun ein Plus von 28 bis 31 Prozent, wie Zalando am Donnerstag in Berlin mitteilte. Bislang wurde mit 20 bis 25 Prozent kalkuliert.

Wegen des starken Wachstums will Zalando ein viertes Logistikzentrum in Deutschland eröffnen. Mit dem Bau soll im Herbst begonnen werden, ein Jahr später ist die Eröffnung geplant, hieß es. Die Entscheidung über einen Standort sei aber noch nicht gefallen, sagte Zalando-Sprecher Boris Radke. Die Gesellschaft hat bereits Vertriebszentren in Brieselang in Brandenburg, Erfurt und Mönchengladbach. Im ersten Halbjahr stieg die Zahl der Mitarbeiter in Deutschland nach Unternehmensangaben um 1500 auf rund 9000.

Was gebaut wird, ist schon so gut wie vermietet

Gutes Konsumklima. Es läuft zurzeit bestens für den Onlinemodehändler Zalando mit Sitz in Berlin. Doch Mode verkauft sich in der Hauptstadt auch über den stationären Handel bestens: Deshalb ist die Stadt ein Testmarkt.
Gutes Konsumklima. Es läuft zurzeit bestens für den Onlinemodehändler Zalando mit Sitz in Berlin. Doch Mode verkauft sich in der Hauptstadt auch über den stationären Handel bestens: Deshalb ist die Stadt ein Testmarkt.

© Oliver Berg/dpa

Der Prestigezuwachs der Hauptstadt führt zu steigender Neugierde bei potenziellen Investoren. Doch bringe dies auch Gefahren mit sich, sagte Karoff: „Ein Transaktionsmarkt ist gut, solange er sich nicht auf spekulative Transaktionsgeschäfte konzentriert.“ Eine zweite Gefahr bestehe darin, dass lokale Investoren verdrängt werden, wenn die Preise zu stark steigen. Diese Entwicklung berge drittens die Gefahr, dass der Standortvorteil schrumpfe. „Wir können nicht alles haben“, sagt Karoff.

Nach Einschätzung von Karsten Jungk, Geschäftsführer und Partner bei Wüest & Partner Deutschland, führt eine wachsende Einwohnerzahl in Berlin nicht zwangsläufig zu einer wachsenden Büronachfrage. Aber: Noch zieht es junge Unternehmensgründer und Risikokapitalgeber in die Hauptstadt. Gleichzeitig wollen Großunternehmen den Zugang zu diesem Talentpool bekommen, sagte Jungk ebenfalls am Donnerstag in Berlin.

„Schon heute dominieren IT-Firmen mit einem Anteil von über 30 Prozent die Büroflächenumsätze.“ Darüber hinaus könne die dynamische Entwicklung der Medizintechnik, des Tourismus und der Gesundheitswirtschaft die Flächennachfrage stimulieren.

Privatanleger müssen auf kleinere Objekte ausweichen

Beim Flächenangebot wird derzeit in Berlin nicht spekulativ, sondern auf Nachfrage gearbeitet: Was gebaut wird, ist – mehr oder weniger – auch bereits vermietet. Die Gewerbeimmobilienspezialisten rechnen allerdings damit, dass Banken – aufgrund höherer Renditen – vermehrt auch in spekulative Immobilienentwicklungen investieren werden.

„Wir erwarten mittelfristig deutlich mehr Flächen, die angeboten werden, und dass das Flächenangebot auf die extreme Nachfrage reagiert“, sagte Karoff. Die letzte spekulative Entwicklungsphase sei in Berlin schließlich seit 15 Jahren vorbei. „Man kann also sowohl einen Rückgang der Leerstände als auch einen Zuwachs der Investitionen auf dem Berliner Gewerbeimmobilienmarkt erwarten“, sagte Jungk.

Ein großes Thema für Investoren sind nach Angaben von Carsten Sellschopf, Geschäftsführer (COO) von formart, derzeit Kleinwohnungen, Mikroapartments und temporäre Wohnungen. Die formart GmbH entwickelt, errichtet und vermarktet Wohnimmobilien in Deutschland, Luxemburg und Österreich. „Schon heute ist Berlin Singlehauptstadt – und dürfte es auf absehbare Zeit bleiben.“ Zumal die Zahl an Studenten weiter steigt.

Steigende Immobilienpreise in den Großstädten haben effizient geschnittene Apartments mit kleineren Wohnungsflächen zunehmend in den Fokus von Investoren gerückt, die an Privatanleger verkaufen: Sie sind im aktuellen Immobilienboom immer häufiger dazu gezwungen, auf kleinere Objekte auszuweichen. Der Wohnflächenverbrauch pro Kopf werde angesichts steigender Preise sinken. „Im Vergleich zu anderen Großstädten ist Berlin noch nicht am Preislimit angekommen“, sagte Sellschopf.

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