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Was wird aus dem altem Flughafen? Das Quartier in Tegel und die Siemensstadt² sind aktuell die größten Stadtplanungsprojekte Berlins.

© TXL

Gastbeitrag: Berliner Stadtbaupolitik – geht es endlich wieder los?

Berlins Senatsbaudirektorin Regula Lüscher geht nach 14 Jahren in den Ruhestand. Die Chance für einen Neuanfang sollte nicht verpasst werden

Im Jahr 1995 gab es Unter den Linden in Berlin eine Ausstellung mit dem Titel „Stadt Haus Wohnung“ – Wohnungsbau der neunziger Jahre. Gezeigt wurden (unter vielen anderen) die Projekte „Wasserstadt Oberhavel“, „Karow Nord“, „Biesdorf Süd“, „Gartenstadt Falkenberg“, „Rummelsburger Bucht“. Das Besondere an dieser großen Sammlung repräsentativer Stadtprojekte im Sinne städtischer Nachverdichtung, neuer Wohnquartiere und Stadterweiterungsstrategien ist die deutlich erkennbare und produktive Planungspolitik in drei gut organisierten Handlungsschritten: Erstens die Orts- und Themenfindung; zweitens die Konkretisierung der Grundstücks- und Bauherrenfrage und drittens die Strukturierung der Architektur vom Stadtraum über die Nutzung zum Entwurf bis zur Umsetzung.

Quartiersspezifische Masterpläne als Handlungsgrundlage

Die Senatsverwaltung unter Leitung des damaligen Senatsbaudirektors Hans Stimmann hat sämtliche Projekte von Wettbewerbs- und Gutachterverfahren über Masterpläne mit Gestaltsatzung in Zusammenarbeit mit dem Bezirk, den Bauherrn und den Architekt*innen von Anfang an bis zur Realisierung (teilweise in Zusammenarbeit mit den projektspezifischen Entwicklungsträgern) betreut. Im Gegensatz (ja gerade in Umkehrung zu heutigen Verhältnissen) war der Anteil an frei finanziertem Wohnungsbau mit höchstens einem Drittel am Gesamtumsatz eher gering. Inzwischen gibt es eine viel höhere Anzahl durchaus anspruchsvoller Wohnungsbauprojekte, initiiert und umgesetzt von privaten Bauherren bzw. Bauherrengemeinschaften, die sich in einem sehr mühsamen und teilweise eher chaotischem Abstimmungsprozess mit den Bezirksverwaltungen durchsetzen müssen.

Architekt Klaus Theo Brenner ist neben weiteren Preisen und Nominierungen im Jahre 2009 für das Projekt Rummelsburger Bucht in Berlin mit dem deutschen Städtebaupreis ausgezeichnet worden.
Architekt Klaus Theo Brenner ist neben weiteren Preisen und Nominierungen im Jahre 2009 für das Projekt Rummelsburger Bucht in Berlin mit dem deutschen Städtebaupreis ausgezeichnet worden.

© Klaus Theo Brenner Stadtarchitektur

Auffallend dabei ist, dass die Berliner Bauverwaltung seit gut zehn Jahren aus dem Thema „Stadtbauprojekt“ verschwunden ist, was vor dem historischen Hintergrund der Berliner Stadtentwicklung bis hinein in die Internationale Bauausstellung (IBA) und die Nachwendezeit völlig inakzeptabel erscheint. Hier besteht ein großer Nachholbedarf in Sachen Stadtbauprojekte und Stadtbaupolitik, auch vor dem Hintergrund einer über die Stadtgrenzen Berlins hinausweisenden Stadtentwicklung (siehe Ausstellung „Metropole Berlin – Traum und Realität 1920 – 2020“) und deren planerische und politische Umsetzung. Die Notwendigkeit einer neuen und zielgerichteten Baupolitik in Richtung Sozialer Wohnungsbau für die kommenden zehn Jahre verstärkt diesen Handlungsdruck in Richtung Stadtpolitik oder besser Stadtbaupolitik als verantwortlich Handelnde im Planungs- und Bauprozess mit klar definierten Qualitäts- und Handlungskriterien.

Mit dem Hinweis auf die Ausstellung „Stadt Haus Wohnen“ von 1995 sind die daraus folgenden Qualitätsansprüche definiert – ein Handlungsmodell für morgen, allerdings unter Berücksichtigung veränderter Marktbedingungen und verschärfter ökologischer Ansprüche.

Städtebau bedarf der strukturellen Vorbereitung

Wenn wir dann von Planungskultur sprechen, geht es immer um quartiersspezifische Masterpläne als Handlungsgrundlage für alle Beteiligten mit dem Ziel eines hohen Identitätswertes der neuen Stadtquartiere mit einem wirkungsstarken städtebaulichen und architektonischen Szenario zwischen Straße, Platz, Haus, Hof und Garten; wobei das Stadthaus mit seinen stringenten architektonischen Charaktereigenschaften zwischen Gehweg und Dach mit Erker, Balkon, Loggia und einer anspruchsvollen materiellen Gestaltung der Schlüssel zum Erfolg ist, verbunden mit einer möglichst großen Nutzungsvielfalt auf engem Raum.

Die Aufgabe der Stadtbaupolitik ist die strukturelle Vorbereitung, die systematische und stadtraumbezogene Regulierung der Baustruktur und die qualitative und detaillierte Kontrolle aller Baumaßnahmen über Wettbewerbe, Gutachterverfahren etc. mit dem Ziel einer „guten Stadt“ – vor dem Hintergrund einer hunderte Jahre alten Berliner Baukultur mit den sogenannten Berliner Mietshäusern als einer möglicherweise naheliegenden Referenz und Bezugsgröße in unterschiedlichsten Erscheinungsformen.

Wichtig ist also, abgesehen von elementaren und durch öffentliche Veranstaltungen und Fachdiskussionen fundierte Qualitätskriterien in Sachen Stadtarchitektur eine klare und bezogen auf alle wichtigen Stadtbauthemen fixierte Stadtbaupolitik des Berliner Senats. Die Voraussetzung für deren erfolgreiche Umsetzung ist allerdings die persönliche Fachkompetenz aller verantwortlichen Akteure. Nur auf diesem Weg und aufbauend auf einer kompetenten Zusammenarbeit zwischen Senat und Bezirk ist eine erfolgreiche Stadtbaupolitik möglich, die sich nicht, wie zur Zeit weit verbreitet, darin erschöpft, das ständige Interessengerangel zwischen privaten Bauherr*innen und architektonisch eher schwach gebildeten Politiker*innen zu organisieren. Die „gute Stadt“ ist neben allen notwendigen Abstimmungsprozessen immer das Ergebnis einer kompetenten und zielgerichteten Baupolitik – ausgehend vom Berliner Senat.

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