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Ein typisches finnisches Ferienhäuschen steht am Walde – inmitten einer einsamen Seenlandschaft. Wer sich so etwas anschaffen möchte, beherzigt diese Regel: Eine Ferienimmobilie sollte sich mit 120 vermieteten Tagen im Jahr selbst tragen.

© Philipp Laage/picture alliance

Ferienhäuser in Deutschland boomen: Mit einigen Riesen zu den Friesen

Marktbericht für Ferienimmobilien in Deutschland erschienen. Nord- und Ostsee sowie die Alpen sind bevorzugte Regionen für die Investition in ein eigenes Urlaubsdomizil.

„Ja, das möchste: Eine Villa im Grünen mit großer Terrasse, vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstraße; mit schöner Aussicht, ländlich-mondän, vom Badezimmer ist die Zugspitze zu sehn, aber abends zum Kino hast dus nicht weit. Das ganze schlicht, voller Bescheidenheit: Neun Zimmer – nein, doch lieber zehn! Ein Dachgarten, wo die Eichen drauf stehn.“ Das Ideal (1927), Kurt Tucholsky

Die Sommerferien klingen langsam aus. Vor den Türen vieler Ferienunterkünfte kehrt wieder der Alltag ein. Wer sein Bullerbü gefunden hat und häufig wiederkehrt, für den kann ein eigenes Ferienhaus genau das Richtige sein. Zumal so eine Unterkunft einen durchaus stolzen Preis hat. Leider gilt das inzwischen nicht nur für die Miete, sondern auch für den Kauf. Bis zu 14 000 Euro pro Quadratmeter für eine Ferienwohnung an der mecklenburgischen Ostseeküste werden inzwischen verlangt – und bezahlt. Schreibt jedenfalls das Maklerunternehmen Engel & Völkers im soeben veröffentlichten „Ferienimmobilien Marktbericht Deutschland 2016“.

In Deutschland brummt das Geschäft mit Ferienimmobilien richtig, insbesondere in den vergangenen fünf Jahren. Einerseits wächst die Nachfrage bei Erholungssuchenden, die – aus welchem Grund auch immer – nicht ins Hotel wollen. Andererseits möchten immer mehr Menschen in zinslosen Zeiten ihr Geld sicher anlegen. Und kaum überraschend: Als Grund für den Erwerb geben laut einer aktuellen Studie der Online-Plattform fewo-direkt.de und des Maklerunternehmens Engel & Völkers immerhin 62,1 Prozent der Befragten an, der Kauf sei als Teil ihrer Altersvorsorge gedacht.

Hinzu kommt ein weiteres Argument: „Ich glaube, dass wir vor einem Umschwung stehen, der sich mit der Landlust-Bewegung erst angekündigt hat und durch die Zinspolitik und die weltweite Unruhe in den Metropolen und Städten – Stichwort: Terrorangst – zugenommen hat“, sagt Bernd Muckenschnabel, Aufsichtsratsvorsitzender des Ferienhausanbieters Novasol.

Seine Einschätzung deckt sich mit Beobachtungen von Arne Kurowski, Inhaber des Loev Hotel Rügen in Binz: „In diesem Jahr hatten wir eine sehr frühzeitige Buchungssituation. Verantwortlich dafür ist die Lage in den internationalen Tourismusdestinationen und das steigende Sicherheitsbedürfnis der Deutschen.“

Das steigende Sicherheitsbedürfnis führt zu vermehrten nationalen Urlaubsbuchungen

Also sind Bauträger emsig dabei, diesem allseitigen Drang in die Freizeitimmobilie nachzukommen. Während der vergangenen zehn Jahre allein wurden 57,4 Prozent aller aktuellen Objekte erworben, ein gutes Drittel gar erst seit 2012. Bevorzugte Standorte befinden sich entlang der deutschen Küsten, auf den Inseln und in der Alpenregion. Berliner bevorzugen die mecklenburgische sowie etwas weniger stark die holsteinische Küste und die ostfriesischen Inseln.

Die Sucht nach Rendite treibt potenzielle Erwerber einer Ferienimmobilie nicht so sehr. Vielmehr soll übriges Geld sicher angelegt sein und eine Vermietung so viel bringen, dass der aktuelle Lebensstil durch die monatlich fällige Hypothekenrate höchstens minimal eingeengt wird. Wie die von Wohnungsvermittler und -verkäufer fewo-direkt.de vorgelegte Studie zeigt, sind nahezu 80 Prozent der Eigentümer bereit beziehungsweise darauf angewiesen, ihr zweites Zuhause wochenweise zu vermieten. Etwa 4000 Immobilieneigentümer wurden dazu befragt.

Nach Angaben der Bausparkasse Schwäbisch-Hall zahlen Urlauber in der Hauptsaison durchschnittlich 800 Euro, in der Nebensaison 600 Euro Miete. Ein verregneter Sommer kann diese Rechnung allerdings zunichte machen. Besonders gefragt sind Wohnungen mit einer Fläche zwischen fünfzig und siebzig Quadratmetern und zwei Schlafzimmern sowie Ferienhäuser mit achtzig bis einhundert Quadratmetern und drei Schlafzimmern. „Lieber in ein kleines Haus in guter Lage investieren als in ein großes Anwesen am falschen Ort“, rät Carolin Schneider von Schwäbisch Hall.

Jede zweite Ferienimmobilie gehört hierzulande einem Deutschen

Das Haus, die Wohnung auf Mallorca oder Zypern — schön und gut. Die eigenen vier Wände innerhalb der Landesgrenzen zu wissen, entspricht jedoch letztlich eher der deutschen Mentalität. Schließlich kennt fast jeder das Dilemma derjenigen Generation, die in den 1980er Jahren schmucke Apartments auf den Balearen oder dem spanischen Festland gekauft hatte, es heute aus Altersgründen nicht mehr selbst nutzen oder vermieten möchte beziehungsweise kann, die Bausubstanz mit Sorge betrachten muss – und letztlich beunruhigt erkennt, dass ihr ein nahezu unverkäufliches Objekt als finanzieller Klotz am Bein hängt.

Auch wenn die Immobilie längst bezahlt ist: Die Fixkosten bleiben, und die können beträchtlich sein, zumal wenn der Eigentümer nicht an Ort und Stelle die Entwicklung selbst kontrollieren kann. Außerdem wird den meisten klar, dass das Vererben von Immobilien im Ausland mit so reichlich Haken und Ösen verbunden ist, dass der Erblasser den Bedachten selten einen Gefallen tut, wenn die nicht selbst so gut bei Kasse sind, alle fälligen Steuern und Gebühren aufzubringen.

Wie die aktuelle Studie ebenfalls zeigt, gehört jede zweite Ferienimmobilie hierzulande einem Deutschen (55 Prozent). Die gefragten Urlaubsregionen Nord- und Ostseeküste machen 40 Prozent des inländischen Gesamtbestandes aus. Hier gilt die Wertsteigerung einer Ferienimmobilie als besonders hoch und auch die Renditen können sich sehen lassen: Die Studie gibt an, die Nordseeinseln verzeichneten eine „doppelt so hohe Wertsteigerung wie Mallorca“, die gemäß unserer Recherche nach der Immobilienflaute der vergangenen Jahre wieder bei zwei Prozent liegt und weiter zulegen dürfte.

Jeder dritte Käufer möchte mit seiner Immobilie gezielt Gewinn erwirtschaften

Für Objekte auf dem Nordsee-Festland könne bei geringeren Anschaffungskosten gar eine Rendite „von bis zu acht Prozent“ erzielt werden, heißt es. Die Umfrage zeigt auch: Jeder dritte Käufer möchte ganz gezielt mit seiner Immobilie einen Gewinn erwirtschaften, jeder vierte sieht seinen Erwerb als reine Kapitalanlage.

Die Lust an der eigenen Freizeitimmobilie leben ja vor allem die Dänen seit Jahrzehnten vor: Kaum eine Familie, die nicht ein Häuschen irgendwo in Reichweite der eigenen Küste hätte. Dass hingegen der deutsche Urlauber nicht mehr wie noch vor zehn, zwanzig oder gar dreißig Jahren für ein, zwei Wochen mit Kind, Kegel und Konserven gen Dänemark zieht, hängt nicht allein mit der Preisentwicklung im nördlichen Nachbarland zusammen, sondern auch mit dem ungeheuerlich gewachsenen Angebot in Deutschland. Sowohl was das Miet-, als auch was das Kaufangebot betrifft.

Dabei haben sich die Ansprüche verändert. Neben den gestiegenen Erwartungen an die Qualität einer Ferienimmobilie zeigt sich eine höhere Nachfrage nach größeren und folglich hochpreisigen Objekten. Dabei kann auch das Inland zur Urlaubsdestination werden, vorausgesetzt, es ist ein USP – ein Alleinstellungsmerkmal – in der Nähe. Das kann ein Kanal sein oder eine Freizeitanlage wie Tropical Island. Novasol arbeitet allein in der Hauptstadtregion derzeit an zwei Projekten, die zusätzlich zu den drei bereits geplanten in die Projektphase kommen sollen.

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