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Ein Selbstbedienungsstand vor dem Ferienhaus „Einhusen“ auf der Ostseeinsel Poel. Mecklenburg-Vorpommern beendete noch vor Pfingsten das mehrwöchige Einreiseverbot für auswärtige Touristen.

© Jens Büttner/dpa-Zentralbild

Ferien in der Coronakrise: Peak ist Trumpf

Die Lockerungen bescheren Ferienhausbesitzern neue Probleme.  Sie fordern Hilfen.

Göran Holst gehört zum Vorstand des Deutschen Ferienhausverbandes. Er leitet mit einem Co- Geschäftsführer das Hamburger Unternehmen Travanto Travel.

Herr Holst, Ihr Verband kritisiert die unterschiedlichen Corona-Lockerungen in Deutschland. Sie fordern länderübergreifende Regelungen für Vermieter. Dazu wird es aber kaum kommen. Wie lautet daher Ihr Rat an Vermieter und Gäste?

Die Situation entwickelt sich sehr dynamisch. Wir empfehlen Gast und Gastgeber, sich über aktuelle Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten. Da weder Vermieter noch Gäste Einfluss auf einzelne Entscheidungen haben, appellieren wir an beide Seiten, gegenseitig Verständnis zu zeigen. Vonseiten des Gastes bedeutet das, eine gewisse Bereitschaft mitzubringen, z.B. einer Umbuchung zuzustimmen. Und an den Vermieter, eine Umbuchung zu ermöglichen oder in Härtefällen sich bei Stornierungen kulant zu zeigen.

Die Seestadt Cuxhaven ist momentan gar nicht so erpicht auf Gäste, zumindest nicht auf Tagesgäste. Gibt es weitere Beispiele, von denen Sie wissen?
Urlauber sind grundsätzlich in allen Urlaubsregionen willkommen, denn diese leben von Urlaubern und haben sich mit ihrer Infrastruktur auf sie eingestellt. Jetzt haben wir natürlich einen Sonderfall. Zunächst ein komplettes Verbot: null Urlauber. Und nun wird wieder hochgefahren und das Bedürfnis der Leute nach dem Lockdown raus aus ihren vier Wänden zu kommen, ist groß. Es ist nachvollziehbar, dass touristische Hotspots diese Welle kontrollieren wollen und den Tagestourismus noch beschränken.

Gibt es ein Bundesland, eine Destination, die Sie für den Ferienhausurlaub momentan besonders empfehlen können, die sich besonders anbieten – mit Blick auf das dortige Infektionsgeschehen und die behördlichen Einschränkungen?
Das sind alle Regionen, die verhältnismäßig viele Kapazitäten haben, die leicht zu erreichen sind und wo aufgrund der örtlichen Begebenheiten die Einhaltung der Abstandsregeln einfach ist – beispielsweise, weil Häuser nicht dicht gedrängt stehen. Je besser man Abstandsregeln und Kontaktverbote einhalten kann, desto geringer ist das Infektionsrisiko.

Wenn ich auf Sylt Urlaub in den Dünen mache und dort zu dritt oder zu viert durchwandere und mich ansonsten in der Ferienwohnung selbst versorge, habe ich ein geringes Infektionsrisiko. Wenn ich mich ins Gedränge auf die Partymeile von Kampen begebe, ist das Risiko im Vergleich höher.

Wir alle sind jetzt zwangsläufig zu Hobby-Virologen geworden. Gibt es Gegenden, wo es heute schon erkennbar eng wird oder werden könnte? Nicht wegen der Sicherheitsabstände, sondern wegen der Verfügbarkeit von Ferienhäusern?
Selbstverständlich! Wir beobachten eine wachsende Anzahl von Buchungen an Nord- und Ostsee, aber auch in Bayern. Ich weiß, dass ich im Bereich Kühlungsborn und Sylt an diesem Wochenende auf Travanto.de eine sehr hohe Auslastung habe.

Der Reiseverband rechnet mit deutlich weniger Urlaubsreisen im Sommer. In den Baumärkten werden vor allem Plastikpools und Sonnenschirme gekauft. Das sieht stark nach einem Urlaub zu Hause aus. Welche Erkenntnisse haben Sie über das momentane Buchungsverhalten?
Generell steigen die Buchungszahlen für den Sommer wieder an. Wir liegen etwa 20 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Der Urlaub im Ferienhaus wird als sicher empfunden, weil man sich autark versorgen kann und getrennt von anderen Gästen untergebracht ist. Es wird eher kurzfristig gebucht, weil die Gäste abwarten, was wo geht.

Es werden aktuell noch wenige Buchungen getätigt für den Herbst. Das ist nachvollziehbar. Ich erwarte, dass die Auslastungen in den kommenden Wochen Peak-Auslastungen sind. Viele Menschen sind vom Lockdown genervt und wollen erst einmal raus. Sie wollen nicht in Flugzeuge steigen und Ziele in Deutschland sind mit dem eigenen Auto zu erreichen, was zusätzliche Sicherheit gibt.

Ich glaube aber auch, dass wenn man die nächsten vier Monate ins Auge fasst, wir nicht die Auslastung haben werden, die wir im vergangenen Jahr hatten – auch nicht im Ferienhaustourismus in Deutschland.

Göran Holst, 48, gehört zum Vorstand des Deutschen Ferienhausverbandes. Er leitet mit einem Co-Geschäftsführer das Hamburger Reiseunternehmen Travanto Travel.
Göran Holst, 48, gehört zum Vorstand des Deutschen Ferienhausverbandes. Er leitet mit einem Co-Geschäftsführer das Hamburger Reiseunternehmen Travanto Travel.

©  Deutscher Ferienhausverband

Ferienhäuser in Deutschland werden nicht nur von Deutschen gebucht. Wer aus dem Ausland macht besonders gerne Urlaub in Deutschland?
Vor allem Österreicher. Wir sehen sie in großer Zahl an der Nordsee. Dann Schweizer, Franzosen. Wenn man das ins Verhältnis zur Bevölkerungsanzahl setzt, haben wir natürlich wenige Franzosen – denn sie haben ja die Atlantikküste. Da ist es auch schön. Die 9 Millionen Schweizer im Verhältnis zu 67 Millionen Franzosen, dann haben wir prozentual sehr viele Schweizer, absolut gesehen auch viele Franzosen. Ähnliches gilt für die Engländer.

Sie fordern Soforthilfen für Eigentümer von Ferienimmobilien. Doch jeder Erwerber von Immobilien geht ein finanzielles Risiko ein, das der Staat bisher nur durch Stundungsmöglichkeiten von Mieten und Krediten abfedert. Weshalb wäre es aber gerecht, ausgerechnet Eigentümer von Ferienimmobilien zu alimentieren?
Wir fordern Soforthilfen für Eigentümer, die durch das Tourismusverbot in wirtschaftliche Nöte geraten sind. Wenn ein Eigentümer durch eine Ferienwohnung das eigene Eigenheim finanziert und der Kredit nun zu platzen droht, dann sprechen wir über existenzielle Notlagen, für die es aktuell keine Hilfen gibt. In so einer Situation bekommen Sie auch keinen weiteren Kredit.

Sie dürften kaum „systemrelevant“ sein.
Das würde ich anders sehen. Erholung ist ein ganz essenzieller Faktor. Denken Sie an Menschen, die in systemrelevanten Berufen arbeiten. Die brauchen eine Auszeit. Der Stresslevel ist hoch. Außerdem ist der Ferienhaustourismus wirtschaftlich relevant: Vor allem im ländlichen Raum. Außerdem ist es egal, ob ich ein Ladengeschäft wegen Corona schließen muss oder eine Ferienwohnung. Ich habe in beiden Fällen ein Wirtschaftsgut, das mir Basiskosten verursacht und wo ich keine Umsätze habe. Zwischen der Belastung durch Miete oder dem Darlehen zur Finanzierung der Ferienwohnung sehe ich keinen Unterschied.

Da kommen wir mit einem Gegenbeispiel. Die Vermietung von Ferienwohnungen unterliegt einem wirtschaftlichen Risiko. Sie müssten nach Ihrer Logik Soforthilfen beim Befall einer Ferienwohnung mit Bettwanzen fordern.
Ihr Beispiel hinkt. Das allgemeine Risiko, dass ich Bettwanzen habe, das muss ich in der Tat alleine tragen. Das allgemeine Risiko, dass eine Baustelle neben meinem Ladengeschäft entsteht, oder ich schlechte Ware eingekauft habe, muss ich auch alleine tragen. Aber dieses außerordentliche Risiko von Corona, das niemand vorhergesehen hat, das sogar Versicherungen nicht in ihre Policen aufgenommen haben, will der Staat durch seine Hilfe abpuffern. Und hier einen Unterschied zu machen zwischen einem Ladenlokal und einer Ferienwohnung macht denklogisch keinen Sinn.

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