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Fällt der denkmalgeschützte Rundlokschuppen einem Schulneubau zum Opfer?

© Reinhart Bünger

Der verfahrene Streit ums Pankower Tor: Denkmalschutz oder Schulbau – was zählt mehr?

Es geht um zwei marode Lokschuppen, ein Sozialgebäude und den Wunsch nach einer Schule: Der ewige Streit ums Bauprojekt Pankower Tor geht in eine neue Runde.

Nur Bares ist Wahres? Nicht, wenn es um das Bauprojekt Pankower Tor geht. Über das Gelände des einst größten Rangierbahnhofs Deutschlands rast ein neuer Zug der Zeit. Es geht nicht länger allein darum, Dinge zu optimieren, sondern darum, die Welt zu verbessern. Seit mehr als zehn Jahren also werden zwischen den S-Bahnhöfen Pankow und Heinersdorf Pläne hin- und hergeschoben.

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Es werden keine Wohnungen oder Schulen gebaut, keine denkmalgeschützten Lokschuppen gesichert oder gar saniert. Es werden dort auch keine neuen Kaufhäuser errichtet. Es geht bei diesem Monopoly niemand über Los – denn Einnahmen und größere Geländegewinne sind auf der Brache derzeit nicht zu erzielen. Allein Fotoshootings vor und in den morbiden und mit Graffiti verschmierten „Buntlokschuppen“ dürften etwas Spielgeld abwerfen.

In den vom Bezirk Pankow und dem Möbelriesen Kurt Krieger aufgebauten Drohkulissen wird nun nach Tagesspiegel-Informationen ein neuer Akt aufgeführt, der damit enden könnte, dass wiederum im dann notwendigen folgenden Akt eine Lösung der verfahrenen Situation versucht werden könnte. Ende des Schauspiels: offen.

Berlins Landeskonservator Christoph Rauhut äußert sich auf Anfrage für seine ruhigen und gemäßigten Verhältnisse empört: „Herr Krieger nutzt die Lokschuppen und ihren Zustand, um etwas als Faustpfand zu entwickeln. Es ist nicht richtig, diese Frage in die Entwicklung des Areals einzubringen. Diese Vermischung schafft aus meiner Sicht künstlich eine schwierige Situation. Ein Investor, der ein Denkmal in Kenntnis seines Bauzustandes erworben hat, kann sich nach der Rechtsprechung gar nicht auf wirtschaftliche Unzumutbarkeit berufen.“

Auf einer Art Drehbühne verhandelt werden derzeit Abriss oder Sicherung und Sanierung eines Ringlokschuppens (1901–06) und eines ebenfalls unter Denkmalschutz stehenden Sozialgebäudes (1960-61), ein Industriebau der klassischen Moderne, errichtet zu DDR-Zeiten. Drittens geht es um die Sicherung des letzten (und größten) in Deutschland gebauten Rundlokschuppens (1893). Der steht ebenfalls unter Denkmalschutz. Leidlich hält sich hier noch die so genannte Schwedler-Kuppel, inzwischen löchrig und faulig wie ein alter Schweizer Käse. Diese Eisenbahndenkmäler sind Manövriermasse.

Der Rundlokschuppen steht wegen seiner Dachkonstruktion (Schwedler-Kuppel) unter Denkmalschutz, hier der Zustand vom Sommer 2016.
Der Rundlokschuppen steht wegen seiner Dachkonstruktion (Schwedler-Kuppel) unter Denkmalschutz, hier der Zustand vom Sommer 2016.

© Reinhart Bünger

In einem ganz anderen Licht erstrahlt übrigens die nach dem selben Prinzip der dreiseitigen Lastabtragung überwölbte Neue Synagoge in der Oranienburger Straße. Johann Wilhelm Schwedler machte hier 1863 mit seinem neu erfundenen Konstruktionsprinzip Furore.

„Ringlokschuppen und Sozialgebäude müssen fallen“

2023 feiert Berlin den 200. Geburtstag seines weltberühmten Ingenieurs Schwedler und den 75. Geburtstag von Deutschlands nicht minder bedeutendem Möbelkönig Krieger, ebenfalls ein Sohn der Stadt. Es sieht derzeit nicht danach aus, als ob die Feiern im Rundlokschuppen Pankow stattfinden könnten und von Möbel Höffner gesponsert werden.

„Der Ringlokschuppen und das Sozialgebäude müssen fallen“, sagt auf Anfrage Edda Metz, Geschäftsführerin der Krieger Handel SE: „Sie müssen fallen, damit dort eine Schule gebaut werden kann.“ Den Schulstandort auf der Ostfläche des Krieger-Areals will der Bezirk. Das ist beschlossene Sache. Ihr Unternehmen habe sich klar dafür ausgesprochen, dass man sich außergerichtlich über das inzwischen vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin anhängige und vom Bezirk betriebene Verfahren zur Sicherung der verfallenen Lokschuppen einige, um so schnell als möglich die in Pankow mehr als dringend benötigten Schulplätze zu schaffen, sagt Metz. Gutachter hätten bereits die Machbarkeit der Schule ohne Denkmäler nachgewiesen.

Investor Kurt Krieger sagt, eine Sanierung der denkmalgeschützten Lokschuppen sei wirtschaftlich nicht darstellbar.
Investor Kurt Krieger sagt, eine Sanierung der denkmalgeschützten Lokschuppen sei wirtschaftlich nicht darstellbar.

© Reinhart Bünger

Die Voraussetzung also: Abriss der zwei denkmalgeschützten Gebäude (Ringlokschuppen und Verwaltungsgebäude). „Wenn wir uns darauf verständigen, würden wir den Rundlokschuppen denkmalgerecht sanieren. Hierauf gibt es ohne eine außergerichtliche Einigung keinen Anspruch.“ Und das gibt es obendrauf: „Wir bezahlen auch den Abriss der beiden Gebäude und bezahlen für die Bodensanierung.“

Die dürfte durchaus teuer werden, steht der Ringlokschuppen doch auf einem meterdicken Betonsockel: Deutsche Wertarbeit aus der Kaiserzeit. Aus dem Bezirk ist zu hören, dass das Erdreich auch aufgrund der Bodenbelastungen bis in eine Tiefe von sechs Metern ausgekoffert werden muss. Kommt es so, wie es Krieger anbietet, überträgt sein Unternehmen dem Land die für den Schulbau vorgesehenen Flächen des Ringlokschuppens und des Gebäudes aus DDR-Zeiten. Ganz einfach so. Schenkungen sind fiskalisch nicht möglich, Verpachten kommt für das Land Berlin nicht infrage.

Ein Bebauungsplan? Erst mal werden Gutachten erstellt

Klaus Risken ist nicht der einzige im Bezirksamt Pankow, der den Standort Ost für den geplanten Schulneubau intern aus planungstechnischen Gründen für komplett falsch und ungeeignet hält. Zudem: Bisher wurde noch nicht einmal der Flächennutzungsplan geändert, geschweige denn der Bebauungsplan für einen Schulneubau aufgestellt. Die Dauer derartiger Vorhaben ist in Berlin mit 10 bis 15 Jahren sicher nicht zu gering bemessen, weiß der Amtsleiter des Stadtentwicklungsamtes Pankow aus Erfahrung.

Die hellblauen Flächen gehören Kurt Krieger, auf ihnen befinden sich die denkmalgeschützten Gebäude.
Die hellblauen Flächen gehören Kurt Krieger, auf ihnen befinden sich die denkmalgeschützten Gebäude.

© Tsp/Klöpfel

Für wen plant man hier eigentlich? Die Eltern der Kinder, die hier einmal zur Schule gehen können, sind möglicherweise noch gar nicht geboren. Allein die Beauftragung städtebaulicher, artenschutzrechtlicher Gutachten dauert mindestens ein Jahr. Damit nicht genug: Auch Immissionsschutz-, Verkehrs- und Bodengutachten müssen her. Bei der geplanten Baumaßnahme geht es um eine Menge Kröten, die geschluckt, bezahlt und umgesiedelt werden müssen.

Und es müssten zum Beispiel Lärmschutzwände gebaut werden, damit Lernende die Ansagen vom S-Bahnhof Heinersdorf – „Zurückbleiben, bitte“ – nicht falsch, sondern am besten gar nicht verstehen. Das gilt auch für die Fahrtgeräusche der Güter- und S-Bahn-Züge. Die Schüler dürfen andererseits in ihren leichten Typenbauten in Modulbauweise auch nicht durch vorbeidonnernde ICE erschüttert – oder schlimmer noch: erschlagen werden.

Gerichtsverfahren zur Sicherung des Bestandes laufen weiter

Es war der Richter des Verwaltungsgerichtes Berlin (VG Berlin), der in seinem Beschluss in der Verwaltungsstreitsache des Landes gegen Krieger darauf hinwies, dass „für den möglichen Fall der Entgleisung eines Zuges“ eine entsprechende Sicherung des Ringlokschuppens nachgewiesen werden müsste (AZ.: VG 13L271.18).

Hierbei handelt es sich allerdings wohl eher um eine Privatmeinung eines sehr engagierten Juristen. Der Bezirk Pankow stellte zum Beschluss des VG Berlin vom 17. Januar 2019 einen Antrag nach § 80 (7) VwGO an das VG Berlin mit dem Ziel, im Hinblick auf die vom VG behauptete unzulässige Nähe des Ringlokschuppens zu den Gleiskörpern eine Abänderung des VG-Beschlusses zu bewirken.

Grundlage des Ansinnens: Es gibt in Deutschland keine baurechtliche Vorgabe, die die richterliche Einlassung decken würde. Dies wurde durch eine Umfrage der Obersten Bauaufsicht – Hüterin der Berliner Bauordnung – bei ihren Schwestern in anderen Bundesländern deutlich. So steht dem Oberverwaltungsgericht Berlin kein Anprallschutz mehr im Wege, um als nächsthöhere Instanz über die Beschwerden Kriegers und des Bezirks zu entscheiden. Nebenbei gesprochen, könnte ja auch im Inneren des Gebäudes ein Anprallschutz errichtet werden, wie dies ein Gutachter vorschlug, der die Gefährdungslage zu beurteilen hatte.

Grüne wollen Denkmäler in Schulneubau integrieren

„Wir sind in einem langen Prozess“, sagt Cordelia Koch, Vorsitzende der Fraktion der Grünen Pankow in der Bezirksverordnetenversammlung Pankow (BVV). Es sei von den Medien immer wieder falsch berichtet worden, dass zwei Denkmäler abgerissen werden sollten. Die Denkmäler seien „nie in Frage gestellt“ worden.

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Cordelia Koch schwebt vor, die denkmalgeschützten Bauten in die zu errichtende Schule – ein Gymnasium oder eine Integrierte Sekundarschule (ISS) – zu integrieren. Ganz einfach. Ob die möglicherweise wieder in Schwung zu bringende Drehscheibe des Ringlokschuppens als krasser Pausenhof geeignet ist – das ist eine andere Frage. „Die Architekten müssen was vorschlagen“, sagt Koch, „die Verwaltung muss das alles erst mal erarbeiten.“ Das Schulamt hält es unter Hinweis auf die gesetzlichen Vorgaben für Neubauten nicht für möglich den Altbestand in die Schule zu integrieren, sagt Pankows Baustadtrat Vollrad Kuhn (Grüne) auf Anfrage.

Die Verwaltung ist mit Blick auf das gesamte Vorhaben nach Tagesspiegel-Informationen inzwischen auf Distanz zur politischen Leitung des Bezirksamtes gegangen.

Bekommt Krieger nicht, was er will – den Abriss nämlich –, werden die Streitereien um eine Sicherung der Denkmäler vor Gericht weitergeführt und der Verfall schreitet voran. Die Eigentumsverpflichtung, die Gebäude nicht weiter verfallen zu lassen, gilt allerdings jetzt schon. Erweist sich eine Integration der Denkmäler in den Schulstandort als unmöglich – weil sie etwa zu viel Platz beanspruchen – müsste das Land Flächen zukaufen.

Kleingartenflächen könnten in die Planung einbezogen werden

Jene Flächen des Bundeseisenbahnvermögens, auf denen die Vorsitzende der Kleingartenanlage Feuchter Winkel Ost e.V., Nicole Gensch, gemeinsam mit ihren 138 Parzellennachbarn gerne Würstchen grillt. Pflanzt und erntet. „Da laufen permanent irgendwelche Verfahren“, sagt sie auf Anfrage: „Unsere Informationen sind die, dass wir bis 2025 oder 2030 bleiben können.“ Wie lange der Ankauf von Flächen vom Bund dauern kann, weiß man aus den Verhandlungen der Berliner Senatsverwaltung für Finanzen mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima).

„Es soll zunächst eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben werden, die Aufschluss darüber geben muss, ob für die Erfüllung des Raumprogramms weitere Flächen vom Land Berlin erworben werden müssen“, weiß Landeskonservator Christoph Rauhut aus dem laufenden Verfahren zu berichten. Dies alles auf Kosten des Steuerzahlers.

Landeskonservator Christoph Rauhut
Landeskonservator Christoph Rauhut kritisiert, dass Investor Krieger die Denkmale zur Verhandlungsmasse gemacht hat.

© Doris Spiekermann-Klaas

„Krieger hat Ostfläche nur erworben, um Konkurrenten zu verhindern“

„Man kann schon sagen, dass Herr Krieger versucht, den ,Schwarzen Peter´ anderen zuzuschieben“, sekundiert der Justiziar des Landesdenkmalamtes, Gregor Hitzfeld: „Macht Ihr was mit diesem Grundstück, mit dem ich nichts anfangen will.“ Aber warum hat der Möbelmagnat diese Flächen dann überhaupt erworben, die nun das Land entsorgen soll? „Herr Krieger hat die Ostfläche meines Erachtens nur erworben, um die Ansiedlung eines Konkurrenten zu verhindern“, sagt Rauhut.

Der Bezirk Pankow empfiehlt nun, diese Ostfläche dem Investor abzukaufen – samt der zu sanierenden Denkmale: „Es sind die erforderlichen Verhandlungen mit der Fa. Krieger Handel SE zu einem notwendigen Grundstückserwerb der benötigten Fläche aufzunehmen, wobei auch die Kosten und Beseitigungsmaßnahmen der zuvor detailliert zu ermittelnden Bodenverunreinigungen zu klären sind.“

Im Klartext ausgesprochen möchte der Bezirk, dass das Land freiwillig darauf verzichtet, dort eine Oberschule zu planen, wo Wohnungen sind – nämlich auf der Westfläche. Gleichzeitig soll das Land dem Investor die Bürde einer aufwändigen Denkmalsanierung abnehmen, indem die Flächen für die Schule gekauft bzw. überschrieben und die Denkmäler entweder von Krieger abgerissen oder vom Land in einen Neubau integriert werden.

Was sagt eigentlich Berlins Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zum aktuellen Verfahrensstand? „Das Land Berlin hat Interesse, dass an dem Standort östlich der Prenzlauer Promenade eine Gemeinschaftsschule errichtet wird“, lässt Berlins Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) auf Anfrage ausrichten und gibt damit Pankows Bürgermeister Sören Benn (Linke) Rückendeckung: „Wie dabei mit den Denkmälern umgegangen wird, ist im weiteren Prozess zu klären.“ So oder so wird es für sie eng.

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