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Wohnungen, Häuser und Grundstücke in Berlin sind begehrt und teuer.

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Bundesanstalt für Immobilienaufgaben: Die BImA verändert ihre Geschäftspolitik

Künftig sollen Flächen, die der Bund nicht mehr benötigt, auch kostenfrei abgegeben werden. BImA-Chef Krupp erklärt im Tagesspiegel-Interview warum.

Herr Dr. Krupp, Sie haben zum Amtsantritt von einer besonderen Herausforderung gesprochen – was bedeutet das in diesem Falle?

Seit ihrer Errichtung im Jahr 2005 hat die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) als das zentrale Immobilienunternehmen des Bundes eine hohe Bedeutung für die Funktionsfähigkeit der Bundesverwaltung erlangt. Den Grundstücks- und Raumbedarf des Bundes zu decken, ist übrigens ihre Kernaufgabe: Die BImA sorgt für die Unterbringung der Ministerien, der Bundespolizei und vieler weiterer staatlicher Institutionen. Dem Zoll stellen wir die Büros und Ausbildungsstätten zur Verfügung und unser Geschäftsbereich Bundesforst kümmert sich um das Flächenmanagement unter anderem auf den Truppenübungsplätzen der Bundeswehr – um nur einige Beispiele zu nennen.

Im Rampenlicht steht die BImA allerdings viel häufiger, wenn es um den Verkauf von Flächen geht, die der Bund nicht mehr benötigt.

Sie sprachen den Bundesforst an. Hat die BImA in Berlin Forstflächen?

Ja, allerdings nur kleine. Bundesweit dagegen hat die BImA insgesamt rund 450 000 Hektar Forst- und Grünflächen im Eigentum, die von unseren 17 Bundesforstbetrieben forstlich betreut werden. Zu den Aufgaben des Bundesforstes gehört auch das ökologische Management auf den Flächen des Nationalen Naturerbes. Sie stammen häufig aus militärischer Vornutzung, waren früher beispielsweise Truppenübungsplätze. Damit ist die BImA auch die größte Naturschutzflächendienstleisterin Deutschlands.

Sie haben auch Konversionsflächen…

Das Militär zieht ab, Flächen werden frei, die dann für eine zivile Nutzung zur Verfügung stehen. Das sind unsere Konversionsflächen. Sie können außerorts liegen, manchmal aber auch mitten in der Stadt. Dann ist es eine komplexe Aufgabe, gemeinsam mit den Kommunen, die dort auch die Planungshoheit haben, sinnvolle Nutzungskonzepte zu entwickeln. Gerade in Zeiten von Wohnraummangel können damit große Chancen verbunden sein. Wir streben deshalb stets eine gute Partnerschaft mit den Städten und Gemeinden an. Ich möchte den Kommunen gerne einen Pakt anbieten, um gemeinsam den Wohnungsbau voranzutreiben.

Christoph Krupp ist seit Oktober Vorstandssprecher der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA).
Christoph Krupp ist seit Oktober Vorstandssprecher der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA).

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Hamburg kennen Sie gut, und Olaf Scholz auch. Sie waren Chef der Senatskanzlei in Hamburg. In einer solchen Position weiß man, wie der Chef oder die Chefin „tickt“. Welche Aufträge des Bundesfinanzministers Scholz sollen Sie nun in der BImA exekutieren?

Was Olaf Scholz umtreibt, ist die Zukunft der großen Städte. Er hat die Entwicklung in London und in Paris vor Augen, wo man in der inneren Stadt mit einem normalen Einkommen einfach nicht mehr leben kann. Als Beispiel nennt er Freunde im Ausland, beide Ehepartner verdienen gut, aber sie müssen ihre Gehälter zusammenlegen, damit sie sich noch eine Wohnung in einem Innenstadtbezirk leisten können. Eine solche Situation haben wir so in Deutschland noch nicht. Aber es gibt Entwicklungen, die dort hinführen könnten. Und das möchte unser Bundesfinanzminister nicht. Er will, dass Wohnen bezahlbar bleibt. Und mit bezahlbarem Wohnen meint er nicht nur Sozialwohnungen. Sein Anspruch ist es, dass sich normale Leute mit einem ganz normalen Einkommen – also auch Bedienstete des Bundes – ihre Wohnungen leisten können.

Für die Miete die Hälfte seines Einkommens ausgeben zu müssen, ist nicht in Ordnung. Früher galt der Grundsatz: Eine Woche arbeitet man im Monat für seine Wohnung. Das war für das genossenschaftliche Wohnen die Zielmarke aus der Arbeiterbewegung. Heute würde vielleicht gelten: Ein Drittel des Monats arbeitet man für die Wohnung. Aber das sollte die Grenze sein. Im Moment wird sie in großen Städten in Deutschland überschritten. Olaf Scholz möchte verhindern, dass das so weitergeht.

Wenn wir dies weiterdenken, müsste Olaf Scholz Ihnen dann den Auftrag geben, BImA-Flächen auch an Genossenschaften zu geben.

Klar, auch an Genossenschaften, aber unsere ersten Ansprechpartner sind die Kommunen.

Auch wenn die BImA derzeit alle Flächen identifiziert, die grundsätzlich für den Bau von Wohnungen geeignet sind, steht eines fest: Sie hat nicht so viele geeignete, dass sie damit das Wohnungsproblem in Deutschland lösen kann. Wenn wir jetzt in Berlin dazu beitragen können, dass ein paar Tausend Wohnungen gebaut werden, dann ist das eine gute Sache. Wenn wir dazu beitragen können, dass bundesweit einige Zehntausend Wohnungen gebaut werden, ist das ebenfalls gut. Und das wollen wir auch unbedingt. Wir wollen mit unseren Flächen einen Beitrag dazu leisten, dass Wohnraum in Deutschland bezahlbar bleibt.

Schnell neuen Wohnraum schaffen

Wohnungen, Häuser und Grundstücke in Berlin sind begehrt und teuer.
Wohnungen, Häuser und Grundstücke in Berlin sind begehrt und teuer.

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Hat sich gegenüber der vorherigen BImA-Geschäftspolitik nach dem Regierungswechsel etwas verändert? Auch unter Ihrem Amtsvorgänger Gehb durften und sollten ja Immobilien und Liegenschaften verbilligt an Kommunen zum Zweck des sozialen Wohnungsbaus abgegeben werden.

Ja, es hat sich einiges geändert. Der BImA stehen seit Inkrafttreten der neuen Verbilligungsrichtlinie im September zusätzliche Möglichkeiten zur Verfügung, um die Kommunen noch umfangreicher als zuvor zu unterstützen. Neu ist zum Beispiel, dass wir Preisnachlässe jetzt auf allen für den Bund entbehrlichen Grundstücken anbieten können – nicht mehr nur auf Konversionsliegenschaften. Die Mindestanzahl an Wohneinheiten im sozialen Wohnungsbau wurde aufgehoben, und die BImA kann sogar mehrfache Vergünstigungen gewähren, wenn mehrere Voraussetzungen für Verbilligungen bestehen. Außerdem dürfen Städte und Gemeinden die Verbilligungen jetzt auch an private Wohnungsbaugesellschaften weiterreichen, um sich Verstärkung von Dritten zu holen und möglichst schnell neuen Wohnraum zu schaffen. Voraussetzung ist allerdings, dass der Grund für die Verbilligung erfüllt wird – also etwa sozialer Wohnungsbau.

Der an sich richtige Grundsatz, dass Staatseigentum zum marktüblichen Wert veräußert werden muss, funktioniert nicht mehr, wenn die Grundstücks- und Mietpreise Höhen erreichen, die die Leute nicht mehr bezahlen können. Deshalb können Wohnungsbauunternehmen jetzt vergünstigte Flächen erhalten, wenn sie darauf erschwinglichen Wohnraum schaffen und die von der BImA gewährten Verbilligungen durch preiswerte Mieten an die Menschen weitergeben.

Das Problem ist doch: Wenn der Immobilienmarkt in eine Schieflage gerät und wir unser eigentliches Ziel „bezahlbares Wohnen“ durch Verkäufe in Höhe des vollen Verkehrswertes nicht realisieren können, dann geht die Rechnung nicht mehr auf. Wir wollen Anreize geben, damit günstige Wohnungen gebaut werden.

Gelegentlich hat man den Eindruck, dass ein Bundesland wie Berlin am liebsten vom Bund Grundstücke geschenkt bekommen möchte. Eine Übertragung für null Euro – gegen die Zusage, dass dort Sozialwohnungen gebaut werden. Geht so etwas?

Das hängt vom Einzelfall ab. Tatsächlich existiert mit der neuen Verbilligungsrichtlinie keine Kappungsgrenze mehr. Der Abschlag beim Kaufpreis eines Grundstückes von 25 000 Euro pro neu geplanter Sozialwohnung kann sich bis zur Höhe des Gesamtkaufpreises addieren.

In Berlin sind die Grundstückspreise aber sehr hoch!

Dennoch ist es grundsätzlich möglich, dass die Stadt eine Wohnbaufläche kostenfrei übernehmen kann. Im Rahmen der Verhandlungen können auch Sanierungskosten wie etwa zur Beseitigung von Kampfmitteln oder Beteiligungen an Erschließungskosten abgezogen werden. In bestimmten Konstellationen müssen wir uns aber noch mehr überlegen.

Was könnte das sein? Sie sind ja kreativ.

Ja, das sind wir. Aber wir müssen natürlich innerhalb des politisch-rechtlichen Rahmens bleiben. Wir haben einige Ideen, preiswerten Wohnraum zu schaffen. Vielleicht müssen wir dafür die BImA-Richtlinie noch einmal anfassen.

Gibt es denn konkrete Neubauvorhaben für Wohnungen zugunsten von Bundesbediensteten in Berlin oder in anderen Bundesländern, die Sie zurzeit aktiv verfolgen?

Die BImA ist seit dem Wohnungsgipfel im Kanzleramt im September dabei, alle Flächen durchzugehen und zu prüfen, welche Grundstücke für den Wohnungsbau geeignet sind. Wenn uns das Ergebnis vorliegt, wollen wir auf die Kommunen zugehen und gemeinsam besprechen, wo die BImA Wohnungen baut, wo die Kommune Wohnungen baut und welche Flächen wir möglicherweise am Markt platzieren. Dann bekommen wir Klarheit darüber, auf welchen Flächen wir aktiv werden. In Reinickendorf gibt es zwei ehemalige Siedlungen der französischen Armee. Derzeit treiben wir mit dem Bezirk Planungen voran, dass dort Wohnungen gebaut werden können. In der Cité Foch und der Cité Pasteur wurden in einem ersten Schritt Baupotenziale für möglichen Wohnungsneubau identifiziert.

Und da sehen Sie sich auch im guten Einvernehmen mit Frau Lompscher, der Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen? Sie ist sicher eingebunden, oder?

Die BImA steht in engem Austausch mit dem Bezirk.

Interessant. In Berlin wird doch immer viel Wert darauf gelegt, dass auf den Flächen des Landes die städtischen Wohnungsbaugesellschaften zum Zuge kommen.

In diesem Fall reden wir ja nicht über Flächen des Landes, sondern über Flächen des Bundes.

Schon klar. Aber Sie sind ja im Gespräch mit der Berliner Finanzverwaltung, seit Jahr und Tag. Welche der elf Liegenschaften, die der Bund Berlin angeboten hat, sind inzwischen an das Land verkauft und notariell beglaubigt?

Bisher wurden davon die beiden Liegenschaften an der Waldowallee und an der Indira-Ghandi-Straße beurkundet. Das war im Mai dieses Jahres. Für die Flächen in der Bernauer Straße waren die Beurkundungen der Kaufverträge schon Ende September beziehungsweise Anfang Oktober 2018 vorgesehen. Die Kaufvertragsentwürfe liegen seit Sommer 2018 bei der Käuferin, der Wohnungsbaugesellschaft Mitte. Über andere Grundstücke sind wir im Gespräch.

Kompliziert, komplizierter, Stadtstaat

Wohnungen, Häuser und Grundstücke in Berlin sind begehrt und teuer.
Wohnungen, Häuser und Grundstücke in Berlin sind begehrt und teuer.

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Die Unzufriedenheit der BImA mit der Verhandlungshaltung Berlins und seinen Verhandlern, die Ihr Vorgänger im Amt unseren Lesern so vehement vorgetragen hat, teilen Sie also nicht. Macht Berlin das, was der Regierende Bürgermeister Müller im August im Anschluss an eine Senatsklausur sagte: Er will ja am liebsten alles kaufen, was der Bund in Berlin an Grundstücken hat. Stellen Sie ein verändertes Ankaufsverhalten fest?

Ein Stadtstaat ist ein kompliziertes Gebilde. Das weiß ich, weil ich mal Bezirksamtsleiter war und weil ich mal eine Senatskanzlei geleitet habe. In Stadtstaaten gibt es auf engem Raum viele Interessen, viele Lebensentwürfe, viele verschiedene Vorstellungen von der Zukunft. Diese Vielfalt macht die Stadtstaaten ja auch so interessant. Aber sie macht es auch schwierig, sich darüber zu einigen, wie sich die Stadt weiterentwickeln soll. Weil das kompliziert ist, wird das nicht besser, wenn die Bundesebene dem Land kluge Vorschläge macht.

Wir wollen auch nicht zulassen, dass Sie unseren schönen Hauptstadtstaat, dieses komplizierte Gebilde mit den vielen Lebensentwürfen, beschädigen. Gleichwohl muss man sagen, dass Ihr früherer und jetziger Chef in seiner interessanten Heimatstadt Hamburg offenbar mehr auf die Reihe bekommen hat, als wir in Berlin.

Hamburg hat in den vergangenen sieben Jahren fast 70 000 Baugenehmigungen auf den Weg gebracht. Dafür waren zwei Dinge entscheidend. Erstens: ein gemeinsamer Vertrag mit den Bezirken für das Wohnen. Das heißt, jeder Bezirk hat sich vorgenommen, eine bestimmte Zahl von Wohnungsbaugenehmigungen zu erteilen und Bebauungsplanverfahren dafür durchzuführen. Es gibt eine Kommission für Stadtentwicklung, in der die Bezirke und der Erste Bürgermeister regelmäßig zusammensitzen und auch einzelne Konfliktfälle durchsprechen. Dort versichert man sich aber vor allem gegenseitig, dass alles auf gutem Wege ist, und mehr Wohnungen gebaut werden.

Ein zweiter Punkt ist ein Bündnis fürs Wohnen: Das ist ein Bündnis des Senates mit den Verbänden der Wohnungswirtschaft. Darin sind die städtische Wohnungsbaugesellschaft, die Genossenschaften und die freien Wohnungsbauunternehmen.

Gemeinsam wurden Ziele und Spielregeln verabredet – beispielsweise der Drittelmix. Das heißt, bei jedem größeren Bauvorhaben muss ein Drittel Sozialwohnungen gebaut werden. Das ist kein Zwang, sondern eine Verabredung mit der Immobilienwirtschaft. Ob das Gleiche in Berlin funktioniert, kann ich nicht beurteilen. Die Situation in Berlin ist auch noch ein wenig angespannter.

Die BImA steht wegen ihrer Mietenpolitik in der Kritik; Reihenhäuser verkaufen Sie in Berlin ab 7500 Euro pro Quadratmeter aufwärts. Das können ja nicht die Reihenhäuser sein, die Sie und Olaf Scholz Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der BImA anbieten wollen – wenn Sie doch den Blick auf die Auswüchse in der Innenstadt von Paris beklagen. Was unterscheidet die BImA von Investoren?

Das sind nicht die Preise, die wir aufrufen. Das kann vielleicht mal bei einer Villa vorkommen. Wir orientieren uns am Mietenspiegel, an einer ortsüblichen Vergleichsmiete, und nicht daran, was der Markt hergibt. Und eines wollen wir noch deutlicher machen: Uns ist daran gelegen, die Liegenschaften des Bundes pfleglich zu behandeln. Wenn die Bürgerinnen und Bürger unsere Grundstücke sehen, sollen sie merken, dass diese uns am Herzen liegen. Für mich sind sie die Visitenkarte des Bundes.

Dass wir gute Vermieter sind, ist auch Olaf Scholz besonders wichtig. Wir wünschen uns, dass unsere Mieter gerne und lange in unseren Immobilien wohnen. Im Unterschied zu irgendwelchen Luxusgütern ist das Wohnen ein elementares Bedürfnis des Menschen. Da kann ich nicht einfach sagen: Das ist mir zu teuer, das spar ich mir mal. Deshalb ist es uns auch ein besonderes Anliegen, dass die Wohnungen bezahlbar sind. Unserer Verantwortung als Grundstückseigentümer sind wir uns sehr bewusst.

Noch einmal zurück an die Stadt an der Seine, die so dicht bebaute Stadt Paris. Es gibt hier pro Quadratkilometer ein Vielfaches an Einwohnern im Vergleich zu Berlin. Wenn Sie durch Berlin fahren, sehen Sie viele Baulücken und Brachen. Was macht Berlin in der Ertüchtigung von Bauland verkehrt? Einen Ratschlag an Berlin von der Bundesebene sollte eine Hauptstadt verkraften können.

Es ist sehr wichtig, Brachflächen zügig zu aktivieren. Ihre Frage kann ich auch auf die BImA selbst beziehen. Wir schauen noch einmal genau auf unsere Flächen, die dünn besiedelt sind, und überlegen, ob man hier zu einer höheren Ausnutzung kommen kann. Olaf Scholz hat einmal für Hamburg gesagt: Ein bis zwei Geschosse mehr verändern noch nicht das Stadtbild. Was wir auf keinen Fall wollen, ist eine Entwicklung wie es sie in San Francisco gibt: Dort werden Baulücken nur noch aufgrund der Wertsteigerungen weiterverkauft. Jedes Mal steigt der Preis und irgendwann hat er eine Höhe erreicht, dass man dort gar nicht mehr bauen kann, weil es sich niemals refinanzieren lässt.

Ja, selbst Hochhäuser können nicht in den Himmel wachsen.

Und Miet-Erwartungen auch nicht.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Dr. Krupp.

Das Interview führte Reinhart Bünger.

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