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So könnte neben der Verdi-Zentrale (links) aussehen: Das neue Wohnungs- und Büroimmobilienprojekt der Skala Capital City Invest GmbH mit dem Projektnamen Spreeport II.

© Visualisierung: Skala Capital City Invest GmbH

Brachflächen an der Spree: Blockade statt Bauen

Verdi verweigert Investor Skala die Zustimmung für Wohnungsbauprojekt an gemeinsamer Straße.

Man muss ein wenig Angst haben um Matthias Bahr. Der Blutdruck des Geschäftsführers der Skala Capital City Invest GmbH steigt, wenn von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi die Rede ist. „Die erzählen Märchen“, platzt es aus ihm heraus. Das gehört noch zu den harmloseren Aussagen. Anderes wird besser nicht zitiert. Die Fronten sind verhärtet. Pünktlich zum Aktionstag für Abrüstung, den Verdi am 5. Dezember 2020 immerhin mit einem Friedenratschlag mitträgt, hat Bahr Klage eingereicht. Denn aus seiner Sicht verhindern die Gewerkschaftler seit Jahren das von Bahrs Firma geplante Wohnungsbauprojekt an der Spree. Mittes Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung, Ephraim Gothe (SPD), sagt: „Ich verstehe, dass Herrn Bahr langsam der Kragen platzt.“ Ein Vermittlungsgespräch unter seiner Beteiligung mit Verdi-Vertretern und Abgeordnetenhausmitglied Iris Spranger (SPD) scheiterte am 25. November. Berlin kommt auch an dieser Stelle – auf der neben der Verdi-Bundesverwaltung gelegenen Brache an der Spree – seit Jahren nicht voran. Statt ums Bauen geht es um Blockade. So sieht es nicht nur Bahr. 

Das Projekt beinhaltet nach einem Wechsel der Skala-Gesellschafter neben dem Bau von 120 Wohnungen einen vom Bezirk gewünschten Lebensmitteleinzelhandel, eine Kita, ein Café am Uferweg, eine frei zugängliche Durchwegung des Skala-Grundstücks bis zur Spree, einen Uferweg, der durch Übertragung eines Teils des Skala-Grundstücks an den Bezirk Mitte entsteht, sowie eine über eintausend Quadratmeter große Spiel- und Parkfläche, die auf den Skala-Grundstücken auf Kosten des Investors entstehen und dauerhaft für die Allgemeinheit zur Verfügung stehen soll.

Mittes Gothe ist damit schwer zufrieden. „Aus unserer Sicht ist das Projekt endabgestimmt“, sagt er auf Anfrage: „Am Ende geht es im städtebaulichen Vertrag um zwei öffentliche Punkte: die Durchwegung des Grundstücks zur Spree und der Bau einer Kita.“ Außerdem sei es gut, dass Büros und Wohnungen gebaut werden sollten. „Ich würde mich freuen, wenn Verdi den Weg für das Projekt freimachen würde“, sagt Gothe.

Neben der Verdi-Zentrale sind auf dieser Brache der Bau einer Kita für 42 Kinder und 121 Wohnungen sowie Büros, Geschäfte und eine Grünfläche geplant.
Neben der Verdi-Zentrale sind auf dieser Brache der Bau einer Kita für 42 Kinder und 121 Wohnungen sowie Büros, Geschäfte und eine Grünfläche geplant.

© Foto &  Skala Capital City Invest GmbH

Dreh- und Angelpunkt des juristischen Tauziehens ist der zwischen Verdi–Zentrale und Skala-Baufeld gelegene „Bona-Peiser-Weg“. Diese Privatstraße gehört der Vermögensverwaltungsgesellschaft von Verdi (VVG), der TLG Immobilien AG und der Skala. Nur durch die Bildung und Errichtung der Privat- als Erschließungsstraße konnte die Bebauung des Grundstücks von Verdi genehmigt werden; die Gewerkschaft nutzt ihr Grundstück seit Mitte Oktober 2004. Die Bebauung durch Verdi und die TAG Immobilien AG begann im November 2002. So weit, so gut. Doch die Dienstleistungsgewerkschaft weigert sich – so Bahr – seit dreieinhalb Jahren nun auch Skala den Weg buchstäblich freizumachen: Es geht um Baulastenerklärungen, mithin um Abstandsflächen, Überbauungen durch Balkone, Feuerwehrzufahrt sowie Abstell- sowie Bewegungsflächen sowie Kellerschächte an der gemeinsamen Privatstraße. Um ihre Pläne umzusetzen, benötigt die Skala die Zustimmung von Verdi. Sonst darf nicht gebaut werden. Während Skala, bzw. die Rechtsvorgängerin, die notwendigen Baulastbewilligungen erteilte, ziert sich Verdi. Dies, obwohl sich alle drei Miteigentümer 2006 wechselseitig verpflichtet hatten, an der Eintragung der Dienstbarkeiten mitzuwirken.

Was steckt also dahinter? Verdis Kampf gegen das Kapital oder wenigstens ein Stoppschild gegen maximal Profitmaximierung durch auskragende Balkone, die über der gemeinsamen Privatstraße Raum greifen könnten?

Ohne Verdis Zustimmung darf nicht gebaut werden

Aus Verdis Sicht verhalten sich die Dinge anders. Ganz anders. „Wir können das Verhalten des Investors überhaupt nicht nachvollziehen“, sagt auf Anfrage Jan Jurczyk. Leiter der Verdi-Pressestelle: „Seit 2017 gibt es – wie bei solchen Großprojekten üblich – eine einvernehmlich verhandelte, gültige nachbarschaftsrechtliche Vereinbarung, der zufolge sich der damalige Eigentümer neben der Einhaltung bestimmter Absprachen dazu verpflichtet hat, bis Ende 2019 sein Projekt einschließlich der avisierten Kita und der Wohnungen fertig zu stellen, was wir sehr begrüßt hätten.“ Geschehen sei: nichts. Dann habe der Gesellschafter gewechselt. Die nachbarschaftsrechtliche Vereinbarung gelte jedoch unverändert weiter. „Nunmehr hat der neue Investor die Pläne geändert und stellt darüber hinaus unsere rechtsgültige Vereinbarung in Frage“, sagt Verdi-Sprecher Jurczyk. Natürlich wolle man schnellstmöglich zu einem einvernehmlichen Ergebnis kommen. Deshalb sei ja auch ein Verhandlungstermin vereinbart worden. Der Termin sei vom Investor eine Stunde vorher abgesagt worden. Was von Gothe und Bahr bestritten wird. Sie empfänden es als "Zumutung von Seiten Ihrer Mandantschaft, die Bereitschaft von Frau Spranger und Herrn Gothe, ihre Zeit für die Vermittlung einer Lösung einzusetzen, dadurch zu entwerten, indem sie den Vermittlungstermin ohne weitere Absprache auf eine halbe Stunde in einem nicht abgesprochenen Format  reduzieren", schrieb Stefan Reineke von der Skala Capital City Invest GmbH in einer Nachbereitung am 3. Dezember an Verdi-Anwalt Daniel Ajzensztejn von der internationalen Wirtschaftskanzlei Taylor Wessing. 

Verdi: Investor will das Projekt gar nicht realisieren

Weil die Einreichung einer Klage erfahrungsgemäß eher dazu geeignet ist, ein Bauvorhaben in die Länge zu ziehen, anstatt es zu beschleunigen unterstellt Verdi, „dass es seitens des Investors kein echtes Interesse an der zeitnahen Realisierung dieses Projektes gibt, sondern offensichtlich andere Beweggründe eine Rolle spielen“.

Worum mag es Verdi gehen? Vielleicht ums Geld? Will sich die Gewerkschaft die Baulastenbewilligung vielleicht abkaufen lassen? Bahr glaubt das und legt Unterlagen über bereits geleistete Zahlungen bzw. Schriftwechsel über den Eingang einer Vertragserfüllungsbürgschaft bei Verdi über 300000 Euro vor. „Es sind ja noch weitere Zahlungen an Verdi über einer Million Euro vorgesehen“, sagt Bahr: „Dies habe ich nur akzeptiert, um endlich zu einer Lösung zu kommen.“ Durch die Verzögerung der Bewilligung der Baulasten versuche Verdi die Ausgleichszahlungen zu erhöhen, heißt es in der Klageschrift von Gaßner, Groth, Siederer & Coll. Partnerschaft von Rechtsanwälten mbH.

Gothe glaubt, dass auch andere – sehr menschliche – Motive eine Rolle spielen: „Verdi fürchtet wohl, dass es auf der Privatstraße vor der Verdi-Zentrale morgens beim Ausstieg der Kinder, die von ihren Eltern zu Kita gebracht werden, zu Staus kommt und die Vorstände warten müssen, um ohne Umstände in die Chefetage zu kommen.“

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