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Auf dem Gelände sollen Wohnungen und Gewerbeeinheiten entstehen.

©  Bauwert AG

Bockbrauerei-Areal: Kein Bock auf Luxuswohnungen

Kreuzbergs Baustadtrat Florian Schmidt stellt ehemalige Bockbrauerei als Gewerbegebiet zur Diskussion.

In Kreuzberg braut sich etwas zusammen. Wieder einmal. Es geht – aus Sicht der Gentrifizierungsgegner – um die Interessen des Großkapitals, die Interessen der Stadt Berlin mehr Wohnungen auf den Markt zu bringen und die Interessen des Bezirks die „Kreuzberger Mischung“ lebendig zu halten. Wenn über die Zukunft des Geländes der ehemaligen Bockbrauerei diskutiert wird, sind Hopfen und Malz zwar noch nicht verloren, doch hinter den Fassaden gärt es. Und das könnte durchaus noch zwei Jahre so weitergehen.

Dr. Jürgen Leibfried, Vorstand und Gründer der Bauwert Aktiengesellschaft, versteht die Welt nicht mehr. Von seinem Eckbüro im 13. Stockwerk des Kranzler Ecks Berlin kann er den Horizont sehen. In Sichtweiter: Kreuzberg. Hier liegt das etwa 13 000 Quadratmeter große Areal zwischen Fidicinstraße und Schwiebusser Straße, das sein Unternehmen laut Handelsregistereintrag vom 3. Juli 2015 erworben hat. Damals waren hier etwa 30 Kultur- und Gewerbebetriebe beheimatet. Die meisten Verträge hat Bauwert auslaufen lassen, denn Leibfried hat große Pläne an diesem Standort. In seinem Büro fallen sie dem Betrachter in Gestalt von Architekturzeichnungen und Aufrissen an mehreren Stellen ins Auge.

Das ehemalige Brauereigelände liegt in einem Mischgebiet – Wohnen und Gewerbe sind hier zulässig und darauf bauen die Pläne der Bauwert AG auf. Leibfried hat eine Mischung aus Kultur, neuer Bürowelt (Stichwort: Coworking etc.) und standortadäquatem Einzelhandel vor Augen – und Wohnungen natürlich. Denn damit lässt sich Geld verdienen, vor allem in Kreuzberg, vor allem in oder vor historischen Kulissen.

Vor allem Kreuzberger Kleinbetriebe sollen hier unterkommen

Die Bauwert AG hat dem Bezirk einen Entwurf vorgelegt, der zum einen geplanten Neubau des benachbarten Union Hilfswerkes berücksichtigt, unmittelbar an der Grundstücksgrenze. Vor allem aber verpflichtet sich das Unternehmen – gemäß Notarvertrag – 82 Wohnungen für die städtische Wohnungsbaugesellschaft Howoge zu errichten. Fünfzig Prozent der insgesamt etwa 28 760 Quadratmeter Wohn- und Gewerbeflächen sind für das Gewerbe vorgesehen. Bei einer Neuvermietung sollen insbesondere Kreuzberger Kleinbetriebe berücksichtigt werden.

Leibfried lässt im Gespräch mit dem Tagesspiegel keinen Zweifel daran, dass die „Kreuzberger Mischung“ auch ein Verkaufsargument zum Absatz der geplanten Wohnungen ist: „Die Leute, die sich da einkaufen, wollen auch die Kreuzberger Mischung haben.“ In einer möglichst romantischen Variante. Also ist ein Weinkeller geplant und unter dem Stichwort Landlust an den Verkauf von Obst, Gemüse, Käse und dergleichen gedacht.

Die ehemaligen Brauereikeller unterhalb des historischen Hauptgebäudes sollen in Absprache mit dem Landesdenkmalamt saniert werden. Zumindest ein Gebäudekeller soll als Erinnerungsstätte hergerichtet werden, um an die Situation der Zwangsarbeiter von Telefunken in der Endphase des Zweiten Weltkrieges (November 1944 bis März 1945) in angemessener Forum zu erinnern.

Bezirksstadtrat Schmidt äußerte Bedenken

Grüße von der Bockbrauerei. Postkarte um 1900.
Grüße von der Bockbrauerei. Postkarte um 1900.

© Zeichnung: bpk

Um den Bauplänen zum Durchbruch zu verhelfen, hat sich Bauwert bereit erklärt, Gewölbe dem Land Berlin zur Verfügung zu stellen, um hier („langfristig kostenfrei“) ein Museum zu Ehren des Kreuzberger Malers und Bildhauers Kurt Mühlenhaupt anzusiedeln.

Die derzeitigen Mieter im Bestandsgebäude sollen weiterhin zu günstigen Mieten im Gebäude bleiben können; das Landesarchiv der Jugendkultur soll hier einen langfristigen Mietvertrag auf Basis der aktuellen günstigen geringen Miete erhalten. Auch die Werkstatt des Thikwa Theaters soll auf Basis der aktuellen Mietkonditionen einen langfristigen Mietvertrag erhalten – das Theater wünscht sich eine Laufzeit bis 2032.

Ende September fand nun ein Workshop zum Gelände der Bockbrauerei statt. Bezirksstadtrat Florian Schmidt äußerte Bedenken an der geplanten Wohnbebauung. Der Gewerbestandort könne durch eine Wohnbebauung verloren gehen, vor allem durch einen zukünftigen Verwertungsdruck des Grundstücks, verursacht durch hochpreisiges Wohnen, sowie hochpreisiges Gewerbe.

Auf der Grundlage eines Beschlusses der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) verfolgt der Bündnisgrüne Baustadtrat eine andere Entwicklungslinie. 2016 wurde auf Antrag der BVV ein Aufstellungsbeschluss für einen neuen Bebauungsplan erlassen, der das Bockbrauerei-Areal als reinen Gewerbestandort ausweisen soll. Mit diesem Beschluss wurde gleichzeitig eine Veränderungssperre erwirkt: Innerhalb der nächsten zwei Jahre – gerechnet ab 2016 – plus maximal ein Jahr Verlängerung dürfen nun keine Baugenehmigungen vergeben werden.

In der Nachbarschaft herrsche schlechte Stimmung wegen des Projekts

Leibfried kommt mit seiner Bauwert also nicht weiter und dachte doch, einen wunderbaren Kompromissvorschlag – halb Gewerbe, halb Wohnen – ausgearbeitet zu haben. Wird der Aufstellungsbeschluss nicht von der BVV gekippt, dürfte es einen neuen Bebauungsplan geben – für ein Gewerbegebiet.

Leibfried versteht das alles nicht und beruft sich auf Absprachen mit der auf Landesebene bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen angesiedelten Wohnungsbauleitstelle, mit der der geplante Verkauf der preisgünstigen Wohnungen an die Howoge bereits eingetütet wurde.

„Der Senat hat gar nichts zu sagen“, sagt auf Anfrage Florian Schmidt. Er ärgere sich ohnehin über die „Geheimverhandlungen von Herrn Dr. Leibfried mit dem Senat“. Es sei ein Problem, dass Herr Dr. Leibfried der Auffassung sei, dass sein Konzept vom Senat befürwortet werde. „In der Nachbarschaft ist schlechte Stimmung wegen des Projekts“, gibt Schmidt zu bedenken. Er beobachte einen Leerstand von zwei Dritteln, hervorgerufen durch die Bauwert, „um eine Faustpfandsituation entstehen zu lassen“. Natürlich könne Dr. Leibfried das Gelände leerziehen, doch der Bezirk lasse sich nicht erpressen, sagt der Baustadtrat. Einen zweiten Workshop zum Thema werde es nicht geben, das Bauwert-Konzept so nicht konsensfähig. So dürfte sich an diesem Standort nur eines ändern: Die Höhe der Gewerbemieten.

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