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Berlins Regierender Michael Müller (SPD) hält nichts von Enteignungen.

© DAVIDS/Sven Darmer

Berliner Wohnungsmarkt: Müller will ein Mietenbündnis mit den Privaten

Die Wohnungswirtschaft soll die Mieten freiwillig deckeln. Dafür erwartet die aber ein Entgegenkommen vom Senat.

Die Mieten für neue Mietverträge steigen wesentlich schneller als die Löhne. Der am Haushaltseinkommen gemessene finanzielle Aufwand für die Wohnkosten für Geringverdiener in Deutschland hat sich im Verlauf von 10 Jahren um 7,3 Prozent erhöht. Im Jahr 2018 beschleunigte sich diese Entwicklung noch einmal, so eine Auswertung der Angebotsmietpreise, die das Bundesinstitut für Bau-, Stadt-, und Raumforschung (BBSR) ermittelt hat, im Vergleich mit den Veränderungsraten der Bruttomonatsverdienste, die das Statistische Bundesamt erfasst.

Linke-Chef Riexinger hält die Entwicklung der Wohnkosten-Anteile am Haushaltseinkommen für nicht länger hinnehmbar. „Für Deutschland fordern wir, dass alle Mietsteigerungen gestoppt werden, bis ein bundesweiter Mietspiegel erstellt wurde, der verbindliche Mietobergrenzen ermöglicht“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. Flankiert werden die Überlegungen durch eine vor allem in Berlin geführte Debatte über die Enteignung großer Wohnungsunternehmen.

Das Thema wird auch auf dem Landesparteitag der Berliner SPD am kommenden Sonnabend eine Rolle spielen. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) liegt die Enteignungsdebatte inzwischen schwer im Magen. „Meine Hoffnung ist gewesen, dass man es abtropfen lassen kann“, sagte er vor gut einer Woche vor einem kleinerem Teilnehmerkreis aus der Immobilienwirtschaft und Juristerei. „Ich will nicht, dass das ein Volksbegehren wird.“ Doch das hat Müller nicht in der Hand. Er ist selbst davon überzeugt, dass die Initiative „Deutsche Wohnen enteignen“ mühelos die erste Hürde nimmt.

Das Volksbegehren gliedert sich nach offizieller Lesart in zwei Verfahrensabschnitte: Im ersten Abschnitt werden Unterstützungsunterschriften für einen Antrag auf Einleitung des Volksbegehrens gesammelt. Für diesen Antrag sind grundsätzlich mindestens 20 000 gültige Unterstützungsunterschriften erforderlich, für eine angestrebte Änderung der Verfassung von Berlin oder die vorzeitige Beendigung der Wahlperiode mindestens 50 000 Unterschriften. Im Anschluss an das Verlangen wird in dem zweiten Abschnitt das eigentliche Volksbegehren unter der Verantwortung der Landesabstimmungsleiterin oder des Landesabstimmungsleiters durchgeführt. Ein Volksbegehren, das auf einen Gesetzentwurf oder einen sonstigen Beschluss gerichtet ist, ist erfolgreich, wenn mindestens sieben Prozent der zum Abgeordnetenhaus Wahlberechtigten innerhalb der viermonatigen Eintragungsfrist zugestimmt haben (Artikel 63 Absatz 1 VvB). Das sind derzeit etwas mehr als 170 000 Personen.

Zwischen Vernunft und Emotion

„Ein erfolgreiches Volksbegehren wäre ein fatales Signal in die Wirtschaft“, sagt Müller. Er befürchtet, dass er auf dem Landesparteitag durch entsprechende Abstimmungsergebnisse über Anträge gezwungen werden könnte, mit auf den Zug der Enteignungsbefürworter zu springen: „Ich kann doch keine Politik gegen die Stadt machen.“ Müller will sich öffentlicher Stellungnahmen zur Enteignungsdebatte zunächst enthalten. „Das Volksbegehren trifft auf viele Emotionen“, sagt er. Diese wolle er nicht weiter anheizen. Gemeinnützige Genossenschaften hätten zum Teil auch mehr als 3000 Wohnungen im Portfolio und erreichten damit die aus Sicht der Initiative „Deutsche Wohnen enteignen“ kritische Marge. „Ist die Initiative erfolgreich, werden jüdische Eigentümer in Deutschland möglicherweise zum zweiten Mal enteignet“, benennt Müller sein weiteres Argument gegen den Enteignungsvorstoß.

Während der Sprecher für Bau- und Wohnungspolitik der Grünen-Bundestagsfraktion, Chris Kühn, noch bessere Regulierungen mit Hilfe einer nachzuschärfenden „Mietpreisbremse“ fordert, will Berlins Regierender nun eine zusätzliche Variante installieren. Nach Informationen des Tagesspiegels fanden erste Gespräche mit Vertretern der Immobilienwirtschaft dazu in dieser Woche statt. „Es ist für mich ein Thema, zu so etwas wie einem Mietenbündnis in der Stadt zu kommen“, kündigte Müller an: „Mit Privaten.“

Unterstützung erhält Müller vom Genossen Volker Härtig, Vorsitzender des Fachausschusses VIII „Soziale Stadt“ beim SPD-Landesvorstand Berlin: „Ein politisches Mietenbündnis mit privaten Wohnungsgesellschaften und Eigentümern könnte ein öffentliches Signal sein, dass die Vernunft gebietet, Wohnkosten und Immobilienpreise nicht ungezügelt und asozial steigen zu lassen, und die seriösen Teile der Wohnungswirtschaft ihre gesellschaftliche Verantwortung sehen“, sagte Härtig auf Anfrage. „Da aber ein Mietenbündnis nicht alle eingehen und die Gier vieler nicht sanktionierbar wäre, kann es die sofortige Einführung eines Berliner Mietendeckels, eine wirksame Mietpreisbremse und ein verschärftes Wirtschaftsstrafrecht nicht ersetzen.“

Private fordern Entgegenkommen

Aus der Wohnungswirtschaft ist zu hören, dass die Hände des Regierenden nicht leer sein dürften, wenn es zu einer freiwilligen Deckelung kommen solle. Er müsse da schon etwas anbieten. Insbesondere stören die langwierigen Partizipationsverfahren, die Berlins Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) zum Dogma erhoben hat – nachzulesen in der Montagausgabe des Tagesspiegels. Auch Bauland hätte man wohl gerne. Zum Kerngedanken Müllers herrscht Skepsis: Berlin habe mit dem Mietspiegel doch schon einen Mietendeckel. Angesichts der hohen Mietpreise liege die Fluktuation ohnehin derzeit bei unter zehn Prozent in der Stadt.

Ein Bündnis des Landes Berlin mit der privaten Wohnungswirtschaft und der Bauindustrie hat es übrigens schon einmal gegeben – in Michael Müllers Zeit als Stadtentwicklungssenator (und Bürgermeister). Damals gehörten der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) sowie der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e.V. (BBU) zu den Akteuren. Das Ziel der am 2. Juli 2014 unterzeichneten Vereinbarung: „Den Wohnungsneubau in Berlin aktiv zu unterstützen und eine nachfrage- und bedarfsgerechte Wohnraumversorgung für alle Berliner Haushalte zu gewährleisten.“

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