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In den gelben Rathenau-Hallen, benannt nach AEG-Gründer Emil Rathenau, siedelten sich Gewerbetreibende und Künstler an.

© imago/Jürgen Ritter

Berlin-Treptow-Köpenick: Rathenau-Hallen vor dem Verkauf

Der Irischer Investor Toruro, Eigentümer des Geländes in Oberschöneweide, sucht Kaufinteressenten. Einen Bebauungsplan gibt es aber noch nicht.

Eines des größten Stadtentwicklungsquartiere ist wieder auf dem Markt. „Zukünftig soll hier ein durchmischtes Stadtquartier mit Platz zum Leben und Arbeiten entstehen“, heißt es zwar noch auf der Homepage der aktuellen Besitzer des ehemaligen Industriegeländes im Südosten Berlins. Eigentümerin des Geländes ist die Toruro GmbH & Co. KG, hinter der irische Investoren stehen. Sie werden von Ex-Bausenator Peter Strieder (SPD) vertreten. Sie wollen das 72 000 Quadratmeter große Grundstück nun abstoßen – respektive mit Gewinn weiterverkaufen. Dies erfuhr der Tagesspiegel exklusiv durch Recherchen.

Presseberichten zufolge hatte Toruro zwölf Millionen Euro für das Grundstück bezahlt. Der Wert soll nun bei 30 Millionen liegen, mit Baurecht für Wohnungen bei 45 Millionen.

Mit der Suche nach Käufern wurde CBRE (Coldwell Banker Richard Ellis) beauftragt. Das Beratungs- und Maklerunternehmen mit Hauptsitz in Los Angeles (Kalifornien/USA) bietet weltweite Dienstleistungen für Gewerbeimmobilien für Investoren, Eigentümer und Nutzer an.

Oberschöneweide wird also zunächst nicht „Oberschnöselweide“, wie Gentrifizierungsgegner mit Blick auf einen befürchteten Bau von Luxuswohnungen auf dem ehemaligen AEG-Areal formulierten. Zuletzt hieß es, dass bis zu 250 Wohnungen errichtet werden dürfen. Anwohner und Initiativen hatten sich bislang dafür stark gemacht, dass auf dem Gelände an der Spree jeglicher Wohnungsbau ausgeschlossen wird. Toruro wollte ursprünglich wesentlich mehr Wohnungen bauen. Mit dem Bau von Wohnungen sollte die Sanierung der maroden Industriebauten finanziert werden.

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© tsp

Noch fehlt ein Konzept

Gegen Wohnungsbau hatte sich Ende 2015 bereits die Industrie- und Handelskammer (IHK) stark gemacht: „Der vorgesehene Wohnanteil entspricht nicht einem dem Standort angemessenen Nutzungsprofil und ruft zudem Nutzungskonflikte zu Lasten des Gewerbes hervor.“

Nun wird auf dem Gelände der ehemaligen Transformatorenfabrik Oberspree erst einmal gar nichts (aus-)gebaut. In den 1920er Jahren entstand an diesem Standort der Deutschen Niles-Werkzeugmaschinen-Fabrik, die sich 1898 angesiedelt hatte, die neue Transformatoren- und Ölschalterfabrik der AEG.

Rainer Hölmer, Bezirksstadtrat für Bauen, Stadtentwicklung und öffentliche Ordnung von Treptow-Köpenick, sagte dem Tagesspiegel auf Anfrage: „Das Areal der Rathenau-Hallen kann gegenwärtig gewerblich genutzt werden.“ Jede größere Entwicklung auf dem Gelände bedürfe eines Bebauungsplans. „Das Verfahren soll dazu dienen, die Herausforderungen der Projektentwicklung – Denkmalschutz, verkehrliche Erschließung, Uferweg – in einem transparenten Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung zu meistern“, so der Bezirkspolitiker von der SPD: „Gegenwärtig fehlt es an einem konkreten Nutzungskonzept der Eigentümer zur Fortführung des laufenden Bebauungsplanverfahrens.“

Übersetzt heißt das für das Areal an der Wilhelminenhofstraße: Alles auf Null – es geht von vorne los. 2003 hatte die Stadt das Gelände der Rathenau-Hallen als Mischgebiet ausgewiesen; Wohnungsbau wäre also – mit Einschränkungen – möglich. Ein Anteil von bis zu 25 Prozent an der Gesamtfläche für Wohnen sei rechtlich möglich, hieß es 2016. Eine Koexistenz von Wohnen und Gewerbe ist indes an vielen Standorten schwierig. In der AEG-„Elektropolis“ in Oberschöneweide hatte sich nach der Wende vor allem die Kreativwirtschaft angesiedelt. Einst war dies das größte zusammenhängende Industrieareal Europas.

Standort mit Potential

Hölmer bestätigte auf Anfrage das diskrete Vorgehen der Investoren, um den geplante Verkauf in die Wege zu leiten: „Das Stadtentwicklungsamt hat mehrere Kaufinteressenten bezüglich der baurechtlichen Rahmenbedingungen beraten. Ob, wie konkret und wie erfolgversprechend Kaufverhandlungen mit den bisherigen Eigentümern tatsächlich geführt werden, kann das Bezirksamt aktuell nicht beurteilen.“

Wie attraktiv ein alter Industriestandort auch ohne Wohnungsbau sein kann, ist im ehemaligen Meatpacking District New Yorks zu besichtigen. Die Hallen der alten Schlachthöfe und Fleischverarbeitungsbetriebe am Hudson River in Manhattan stehen heute für das angesagteste Gewerbegebiet im äußersten Westen der Stadt und für gelungene Stadtentwicklung. Mit den Kreativen kamen Galerien, Museen, kamen Touristen, Kleingewerbler, Architekten und Modemacher. Eine Bürgerinitiative verhinderte hier den Bau von Luxusapartments.

So betrachtet, haben die Rathenau- und Reinbeckhallen in Oberschöneweide viel Potential. Junge Menschen sind auch Dank der Hochschule für Technik und Wirtschaft, der größten staatlichen Fachhochschule Berlins, bereits vor Ort.

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