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Wirtschaftsminister und SPD Vorsitzende Sigmar Gabriel will den Ankauf von Schrottimmobilien durch Kommunen ermöglichen.

© dpa

Baurechtsnovelle: Wenig Land in Sicht

Die vom Bundeskabinett verabschiedete Novelle des Baurechts rückt zunächst wachsende Städte ins Visier. Die ländlichen Räume spielen eine Nebenrolle.

Die ländlichen Räume in Deutschland verlieren immer mehr Einwohner – eine Entwicklung mit weitreichenden wirtschaftlichen und politischen Folgen, die bei der am Mittwoch vom Bundeskabinett verabschiedeten Novelle des Baurechts nur am Rande eine Rolle spielten.

„Während etwa dreißig 'Schwarmstädte' in Deutschland überdurchschnittlich von der Binnenwanderung profitieren, verlieren praktisch alle Landkreise im ländlichen Raum an Einwohnern“, heißt es im druckfrischen Bericht „Wohnungswirtschaftliche Daten und Trends 2016/2017“, den der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V. (GdW) jetzt veröffentlicht hat. Dem Bericht zufolge wiesen 31 Kreise und kreisfreie Städte stagnierende und rückläufige Neu- und Wiedervermietungsmieten auf. Überdurchschnittlich stiegen dagegen Mieten in wachsenden Großstädten wie Berlin und Verdichtungsräumen (51 Kreise und kreisfreie Städte). Kern des Schwarmverhaltens ist den GdW-Befunden zufolge, dass vor allem jüngere Altersgruppen in die Städte ziehen – der Wohnortqualität wegen. Die Bevölkerungszahlen auf dem Lande nehmen also durchschnittlich nicht nur ab – die Bevölkerung dort überaltert auch.

Hendricks: "Das Wohnen auf dem Lande wollen wir auch ins Blickfeld nehmen"

Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) hob in einem Schreiben vom 30. November an die Mitglieder der Fraktionen der CDU/CSU und SPD im Deutschen Bundestag vor allem auf die Folgen der Urbanisierung in den Städten ab: „Wir setzten auf Wachstum vor allem nach innen, kurze Wege, einen modernen öffentlichen Nahverkehr sowie Freizeit- und Erholungsmöglichkeiten, für die man nicht bis an den Stadtrand fahren muss.“ Einen Plan für die ländlichen Räume legte Hendricks nicht vor, sagte aber in ihrem Statement zur Baurechtsnovelle: „Das Wohnen auf dem Lande wollen wir auch ins Blickfeld nehmen.“

Hinzu kommt die Not, bezahlbare Wohnungen zu finden. Dem GdW-Bericht zur Wohnungswirtschaft 2016/2017 zufolge gibt es bundesweit immer weniger mietpreis- und/oder belegungsgebundene Sozialwohnungen. „Ihre Zahl sank von etwa 2,6 Millionen im Jahr 2002 auf schätzungsweise noch rund 1,4 Millionen Wohnungen im Jahr 2015“, errechnete der GdW. Dies entspricht anteilig nur noch 3,4 Prozent aller 41,4 Millionen Wohnungen in Deutschland.

Gabriel: "Verödete Innenstädte produzieren verwahrloste Köpfe und Seelen"

Der Befund enthält soziale Sprengkraft. „Sozialer Wohnungsbau bedeutet auch sozialen Zusammenhalt“, sagte der SPD-Vorsitzende und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel auf einer Veranstaltung des Vereins „Deutschland baut!“ in dieser Woche in Berlin: „Wir können uns nicht einen Sozialdarwinismus beim Wohnen erlauben. Verödete Innenstädte und Gemeinden produzieren verwahrloste Köpfe und Seelen.“

Gabriel sprach sich für eine „Regulierungspause“ im Zielkonflikt zwischen Klimaschutz und steigenden Baukosten durch Auflagen zum energetischen Standard für Neubauten aus. „Es ist zu lange zu wenig gebaut worden und es ist zu teuer geworden“, sagte der Wirtschaftsminister. Der Bund wolle helfen, indem er Liegenschaften des Bundes „stark verbilligt“ an Kommunen abgebe. „Und wir müssen den Ankauf von Schrottimmobilien durch Kommunen ermöglichen“, kündigte Gabriel auf der Veranstaltung „Gemeinsam für die Zukunft des Bauens“ im Hotel Maritim am vergangenen Dienstag an. Verfallene Häuser in den Innenstädten seien „auch ein Problem der öffentlichen Ordnung“.

Der Bau- und Immobilienwirtschaft bot Gabriel einen Krisengipfel an. Wie berichtet, hatte sie ihre Zusammenarbeit mit der Bundesregierung im „Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen“ angesichts der „Mehrbelastungen für den Gebäudesektor“ auf Eis gelegt. „Ich kann uns nur raten, gemeinsam schnell zusammen zu kommen“, bot Gabriel eine Runde mit Bundesbauministerin Hendricks an: „Ich will gar nicht dabeisein – aber wenn es hilfreich ist…“. Eine erste Maßnahme müsse es sein, mehr Bauland auszuweisen. Die Schaffung des neuen Baugebietstyp („Urbanes Gebiet“) im Rahmen der Baurechtsnovelle sei ein erster Schritt. Weitere sollten folgen, auch in Berlin: „Man muss schon sehr saturiert sein, um eine Randbebauung des Tempelhofer Feldes abzulehnen“, sagte Sigmar Gabriel.

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