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Gut gedacht. Eine weitere Photovoltaikanlage der Berliner Stadtwerke ist in dieser Woche auf einem Dach der „Stadt und Land Wohnbauten-Gesellschaft“ im Hellersdorfer Rathausviertel fertiggestellt worden.

©  Promo/Berliner Stadtwerke

Auch Mieter können selbst erzeugte Energie bekommen: Nicht nur für Eigenheimer

Mieter kamen bei der Energiewende bisher zu kurz – jetzt starten mehrere Eigenstromprojekte in Oberschöneweide und Hellersdorf. Auch das Technikmuseum bekommt Grünstrom aufs Dach.

Gerecht ist das nicht: Eigenheimbesitzer können sich eine Solaranlage aufs Dach schrauben und für rund 14 Cent pro Kilowattstunde selbst erzeugten Strom nutzen. Mieter aber müssen für Strom aus dem Netz fast doppelt so viel zahlen.

Vor allem bürokratische Hürden sind es, die Solarstromanlagen für Mieter bisher schwierig machten. Doch langsam kommt Bewegung in den Markt. In Berlin befinden sich mehrere Projekte in der Planung oder stehen kurz vor der Fertigstellung.

So können bald die ersten Mieter an der Steffelbauerstraße in Oberschöneweide Sonnenstrom vom Dach beziehen. Dort wurde ein Plattenbau aus den 60er Jahren aufwändig saniert. Auf dem Dach errichtet die Firma Sunstrom eine Solaranlage, die pro Jahr 27 500 Kilowattstunden sauberen Strom produzieren wird. Der Tarif ist noch nicht endgültig kalkuliert. Er soll aber bei rund 25 Cent pro Kilowattstunde (kWh) liegen und damit deutlich günstiger als der als der Grundversorgungstarif von Vattenfall und auch leicht günstiger als dessen Ökostromangebot sein, sagt Tim Loppe von Naturstrom.

Die Preise für Mieterstrom bewegen sich meist nur leicht unterhalb des Angebotes der Grundversorger, weil der an sich günstige Sonnenstrom nicht ausreicht, um den gesamten Bedarf zu decken. Es muss also Strom aus dem Netz zugekauft werden und der Preis ergibt sich aus einer Mischkalkulation.

Solarzellen auf einer Fläche von zehn Tennisplätzen

Neben dem Produzenten Sundström übernimmt das Unternehmen Naturstrom an der Steffelbauerstraße die Rolle des Lieferanten. Solche Konstruktionen sind üblich im Mieterstromgeschäft, denn die großen Wohnungsgesellschaften würden ihre Steuerfreiheit verlieren, wenn sie selbst Strom produzieren und verkaufen. Also müssen sie relativ aufwändige Konstruktionen mit Partnern finden, die die Solaranlagen auf den Dächern betreiben und den Strom ausliefern.

Auch die Berliner BürgerEnergie (BEB) ist so ein Partner. 2013 trat die Genossenschaft mit der wagemutigen Idee auf die politische Bühne, das Stromnetz der Stadt zu kaufen. Ein entsprechender Volksentscheid scheiterte knapp. Jetzt will die BEB auf einem Haus nahe der Warschauer Straße Mieterstrom anbieten. Luise Neumann-Cosel vom Vorstand möchte damit die Beteiligung von Berliner Bürgern an der Energiewende möglich machen. Bis das Projekt in trockenen Tüchern ist, will sie aber noch keine Einzelheiten nennen.

Relativ aufwendig ist die Abrechnung in Häusern mit eigener Stromerzeugung, hier der Zählerkasten in einem Gebäude mit einem eigenen Blockheizkraftwerk. Das Kabel links unten ist der normale 380 Volt Hausanschluss, der von der Straße kommt. Oben münden drei Kupferleitungen aus dem Blockheizkraftwerk in den transparenten Kasten der Zähleranlage. Rechts unten geht die Stromleitung zu den Wohnungen ab.
Relativ aufwendig ist die Abrechnung in Häusern mit eigener Stromerzeugung, hier der Zählerkasten in einem Gebäude mit einem eigenen Blockheizkraftwerk. Das Kabel links unten ist der normale 380 Volt Hausanschluss, der von der Straße kommt. Oben münden drei Kupferleitungen aus dem Blockheizkraftwerk in den transparenten Kasten der Zähleranlage. Rechts unten geht die Stromleitung zu den Wohnungen ab.

© Promo/Vattenfall/Hanno Balzer

Nägel mit Köpfen haben dagegen schon die neuen Berliner Stadtwerke gemacht, die im Zuge des Volksentscheid entstanden waren. Im Hellersdorfer Rathausviertel nahmen sie diese Woche auf Gebäuden der städtischen Gesellschaft Stadt und Land eine Photovoltaikanlage in Betrieb. Aktuell sind auf Dächern an der Döbelner, Geithainer, Leisniger, Mittweidaer, Riesaer und Waldheimer Straße sowie am Roßweiner Ring Solarzellen auf einer Fläche von zehn Tennisplätzen installiert.

Auf benachbarten Häusern soll die Fläche dieses Jahr nahezu verdoppelt werden. Mit der Gesobau sowie Stadt und Land sind bereits je zwei Folgeprojekte in Wedding, Pankow, Lichtenrade und Baumschulenweg vereinbart.

Anfragen von der Berliner Wohnungswirtschaft, die aber noch nicht unterschriftsreif seien, hat auch das Münchner Unternehmen Polarstern sagt Sprecherin Anna Zipse. Bundesweit hat das Unternehmen derzeit rund 20 Projekte in der Umsetzung oder in der Anbahnung.

Vorbildliche Investition der öffentlichen Hand auf dem Technikmuseum

Nur noch größere Mieterstromprojekte will der Pionier Lichtblick verwirklichen. Er hatte bereits 2012 auf den Dächern des Hellersdorfer Gelben Viertels eine große Solaranlage gebaut. Grund für die Entscheidung gegen kleinere Projekte seien unter anderem die hohen Messkosten, sagt Sprecherin Anke Blacha.

Es kann nämlich kein Mieter gezwungen werden, den Strom vom Dach zu bestellen. Per Gesetz herrscht Wahlfreiheit. Darum muss genau abgerechnet werden, wer den Hausstrom bezieht und wer nicht und wie viel Strom zusätzlich aus dem Netz kommt. Das schmälert die Rendite.

Und noch ein Faktor benachteiligt den Mieterstrom: Der Vor-Ort-Verbrauch von kleinen Solaranlagen auf einem Eigenheim ist frei von der EEG-Umlage. Wird der gleiche Solarstrom vom Dach eines Mietshauses geerntet und den Mietern zur Verfügung gestellt, sind über sechs Cent EEG-Umlage pro Kilowattstunde fällig. „Nur wenn die Politik die Hürden für solare Nahstromkonzepte senkt, kann das große Potenzial der Photovoltaik für klimafreundliche Städte endlich erschlossen werden“, sagt Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft. Stadtwerke, Solar- und Wohnungswirtschaft aber seiner Beobachtung stehen in den Startlöchern.

Und nicht nur sie. Auch die Dächer von öffentlichen Gebäuden haben noch Potentiale. Das Deutsche Technikmuseum etwa bekommt demnächst auf vier Hallendächern des ehemaligen Anhalter Güterbahnhofs eine Photovoltaikanlage. Gebaut wird sie von der Berliner Energieagentur (BEA). „Solarstrom für den Eigenbedarf gewinnt auch in Berlin zunehmend an Bedeutung“, sagt BEA-Geschäftsführer Michael Geißler.

Auftraggeber für die Anlage auf dem Technikmuseum war die Berliner Immobilienmanagement: „Solche Energiedienstleistungskonzern sind wichtig für Berlin, damit die öffentliche Hand ihrer Vorbildfunktion für Klimaschutz und Energiewende gerecht werden kann“, sagt Geschäftsführer Sven Lemiss. Insgesamt ist auf Deutschlands Dächern Platz für 275 Gigawatt Photovoltaik, hat das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme berechnet.

Einer der Eigentümer der Berliner Energieagentur ist übrigens Vattenfall. Auch dieses Unternehmen steigt in das Geschäft mit Solarenergie ein, allerdings fern der Hauptstadt mit einen Solarpark in Wales. In Berlin bietet Vattenfall Mieterstrom bisher nur aus Blockheizkraftwerken an. Das sind Motoren, die mit Erdgas betrieben werden und gleichzeitig Wärme und Strom erzeugen. Das macht sie besonders effizient. Vattenfall baut sie in Objekte mit 40 bis zu mehreren hundert Wohneinheiten auf Basis eines Contracting-Modells ein. Das heißt, der Eigentümer muss sich um die Anlage selbst nicht kümmern. Vattenfall wiederum arbeitet für die Abrechnung mit einem externen Dienstleister zusammen.

Als positiv hat sich erwiesen, wenn Mieter den Strom aus dem BHKW selbst beziehen. Anders als bei einer Netzeinspeisung gibt es dann viel weniger Probleme mit den Geräuschen aus dem kleinen Heizkraftwerk, hat Vattenfall bei den Projekten gelernt.

Energie von morgen auch abends noch nutzen

Mit einem Speicher kann man Solarstrom einkellern.
Mit einem Speicher kann man Solarstrom einkellern.

© Promo/Jessica von Dahlen/SubPack 2.0

Solarstrom aus der eigenen Photovoltaik-Anlage ist rund halb so teuer wie Strom vom Energieversorger. Für Hauseigentümer lohnt es sich daher finanziell, so viel wie möglich davon zu verbrauchen. Ein Mittel dazu sind Batteriespeicher: Bereits mehr als 15.000 deutsche Haushalte verfügen nach Angaben des Bundesverbandes Solarwirtschaft über einen solchen Speicher. Dieser kostet mit einer Kapazität von fünf Kilowattstunden (kWh) und Installation zwischen 6000 und 10.000 Euro netto. Man unterscheidet hier zwischen Blei- und Lithiumspeichern: „Moderne Lithium-Systeme sind langlebiger und leistungsstärker. Sie benötigen weniger Platz wegen der größeren Nutzbaren Speicherkapazität“, erklärt Körnig.

Während bei einem Bleispeicher bei einer Kapazität von zehn kWh, nur etwa fünf kWh nutzbar sind, erreichen Lithiumspeicher acht kWh und mehr. Wer sich für einen aus Lithium entscheidet, muss sich der relativ neuen Technik bewusst sein, für die es noch keine einheitlichen Normen gibt. Die günstigeren aus Blei beruhen auf einer jahrelang erprobten Technologie. lew

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