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Formal einfach und geschlossen. Dieses 81-Quadratmeter-Haus wurde 2015 auf drei Ebenen in Friedberg/Bayern errichtet. Der Massivholzkonstruktion liegt ein Kellergeschoss aus wasserundurchlässigem Beton zugrunde.

© Thomas Drexel

Anders wohnen: Kleines Haus ganz groß

Mikrohäuser bieten ein Zuhause auf kleinstem Raum. Miniapartments für Studierende entstehen demnächst an der Kreuzberger Dudenstraße und in Moabit werden ehemalige Pferdeställe umgebaut.

„Am liebsten würde ich Baumhäuser ohne Bäume bauen.“ Stephan la Barré, Betreiber von Ferienimmobilien, träumt auch im Erwachsenenalter noch den Traum vieler Jugendlicher. Er will ihn jetzt im Moabiter Stephankiez – wenigstens zum Teil – verwirklichen (siehe nächste Seite). Barré ist damit zugleich Kind seiner Zeit. Der Zeit der Hippies, die in umgebauten Bussen die Welt bereisten oder – wie der Musiker John Mayall („Blues from Laurel Canyon“) – zeitweise aus der Gesellschaft ausstiegen und tatsächlich in einem Baumhaus lebten. Oder in einer Gracht auf einem umgebauten Frachtkahn neuen Lebensformen entgegen dümpelten.

Es ist unter diesen Vorzeichen kein Wunder, dass das „Tiny House Movement“ vor allem in Amerika boomt. Ursprünglich als Zivilisationskritik angelegt, hat es die Mittelschicht erreicht. Als Architektur aus der Not heraus. Der Obdachlosigkeit infolge des Platzens einer Immobilienblase ist das Wohnen auf einem Anhänger jedenfalls vorzuziehen.

Auch in Deutschland werden immer mehr Kleinsthäuser gebaut. Hierzulande geht es noch vor allem um das Schonen der ökologischen und ökonomischen Ressourcen. Die Unterbringung von Flüchtlingen in „Modulbauten“, der Mangel an Platz in den Großstädten bei gleichzeitiger Urbanisierung und Versinglelung der Gesellschaft wird der Bewegung neuen Schub verleihen.

Ein Minihaus für Singles

Ist die Miete hoch und das Einkommen sicher, kann ein Immobilienkauf auch für Singles eine Überlegung wert sein. Vorausgesetzt, sie haben genug Eigenkapital. Bis hierhin unterscheiden sich die Kriterien für Alleinstehende nicht von denen verheirateter oder verpartnerter Paare.

Doch es geht auch um die Lebensplanung. Es macht wenig Sinn, das Geld in siebzig Quadratmeter zu investieren, wenn man eine Familie gründen möchte. Ebenso wenig Sinn kann es aber auch machen, im Seniorenalter in einem großen Haus oder einer großen Wohnung zu bleiben, wenn die Kinder längst aus dem Haus sind und der Partner verstorben ist.

In diesen Fällen kann ein „Minihaus“ – auch als Singlehaus, Nomadhome, Mikrohaus oder Kleinhaus bezeichnet – sinnvoll sein: Alleinstehende brauchen in der Regel mehr Eigenkapital als Paare. Der Erwerb einer kleinen Wohnung – oder eines Kleinhauses – ist in Ballungsräumen finanziell eher zu stemmen, trotz oder gerade wegen steigender Mieten und Bodenpreise. Die Größe spielt dabei in jeder Hinsicht eine Rolle: „Höher“ ist in der Regel kostengünstiger als „breiter“.

Urbaner Trend aus wirtschaftlicher Notwendigkeit?

Abgesehen von Lebensverhältnissen können sich mit der Zeit auch die Lebensstile ändern. „Trotz der kompakten Bauweisen in den Städten Europas besteht nur punktuell Erfahrung in Bezug auf das Thema Verdichtung“, schreibt Thomas Beyerle, Managing Director der Catella Property Valuation, in seiner Studie „Mikrohäuser in Europa – urbaner Trend aus wirtschaftlicher Notwendigkeit?“ Beyerle glaubt, dass die Städteverdichtung neue Wohn- und Lebensweisen nach sich ziehen wird: „Nicht umsonst gelten Japan bzw. Teile Asiens als Inkubatoren der Entwicklung des Wohnens auf engstem Raum.“

Leben in einem Mikrohaus bringt eine Affinität zum Minimalismus mit sich. Anders gesagt: Der gewohnte Lebensstil wird reduziert. Mensch muss sich anpassen.

Die Nachteile:

Geringere Grundfläche
Persönliche Einschränkungen
Mehrkosten durch Anschaffung
Nur platzsparende Möbel möglich
Keine größeren Feste möglich
Auslagerung persönlicher Dinge
Wenig Stauraum
Unordentlichkeit fällt schnell auf
Schnellere Abnutzung der Immobilie
Wenig Anonymität

Allerdings können einige Nachteile durch die Wahl des Standortes aufgehoben werden. Das Planungsbeispiel von Stephan la Barré zeigt, dass ein gutes Verhältnis von „Drinnen“ und „Draußen“ einige Nachteile wettmachen kann. Das gilt vor allem für die jüngere, flexible und vorwiegend mobile Generation, die ohnehin ständig in Bewegung, also sehr oft außer Haus ist. Wer einen urbanen Platz – oder Hof – vor der Haustür hat, freut sich über gute Aussichten und folgende Vorteile:

Reduzierung auf das Wesentliche
Finanzierbares Wohneigentum
Raum für mehr Individualität
Ressourcenökonomie
Platzökonomie
Modernes Großstadtwohnen
Kürzere Wege, Innenstadtwohnen
Mobilität und Erweiterbarkeit
Modernste Technik und Design
Pflegeeffizienz

Neuartige Parkraumbewirtschaftung in Moabit

Dieser Hof wird in Kürze Erstmietern bereitet.
Dieser Hof wird in Kürze Erstmietern bereitet.

© Reinhart Bünger

„Irgendwie lösen die Kleinstwohnungen ja alle den gleichen Effekt aus“, hat Stephan la Barré beobachtet: „Man addiert das, was man draußen im Vorbereich sieht, mit dazu. Es ist wie auf einem kleinen, engen Segelboot: Wenn man auf das Meer sieht, gehört einem die Welt“, sagt der Bremer la Barré.

Er ist auf die Idee gekommen, in Moabit fünf ehemalige Pferdeställe umzubauen, die heute als Garagen genutzt werden, weil das Zweckentfremdungsverbotsgesetz ihm den Betrieb seiner Ferienwohnungen untersagt. Die neuen Wohnungen will la Barré der Stadt und dem Bezirk als Ausgleichsflächen für den Weiterbetrieb seiner Ferienapartments anbieten. Sie sollen in die Festvermietung gehen.

Eine Gemeinschaftsfläche auf dem Dach

Ursprünglich sollten aus den Garagen fünf kleine Maisonette-Häuser mit Balkonen werden. Dafür sollte aufgestockt werden. Jede Einheit wäre 25 Quadratmeter groß geworden. Doch weil das als Ausgleichsfläche nicht ausreicht, will la Barré nun vier Einheiten mit jeweils rund 30 Quadratmetern Fläche schaffen. Auch hierfür wird aufgestockt.

Die Wohnungen sind dann mit einer Gemeinschaftsfläche über das gemeinsame Dach verbunden; die Balkone entfallen. Die Pläne hat Architekt Thorsten Graeser vom baubuero.berlin gezeichnet.

Weil es sich bei diesem Bauprojekt in Moabit um Neubauten handelt, sind die Mietpreise nicht begrenzt: Mit zehn Euro pro Quadratmetern dürfte zu rechnen sein. Für 300 Euro kalt kann sich auch ein Student ein solches aufgestocktes Garagenloft leisten.

Die günstigsten Mikrohäuser gibt es ab 15.000 Euro

Der Immobilienmarkt hat die Zeichen der Zeit erkannt. In dieser Woche wurde bekannt, dass MPC Capital 150 Mikroapartments für Studierende auch in Berlin plant. Das Unternehmen entwickelt und managt Kapitalanlagen für institutionelle Investoren. Die Apartments der Linie Staytoo sollen in Zusammenarbeit mit der HD Projektentwicklungsgesellschaft auf einem rund 900 Quadratmeter großen Grundstück an der Kreuzberger Dudenstraße entstehen. Geplant sind sieben Geschosse, teilte MPC mit.

Berlin wird damit der fünfte Standort für Staytoo-Apartments – die Fertigstellung ist für das Wintersemester 2017/18 geplant. Ähnliche Projekte sind in Nürnberg, Bonn, Kaiserslautern und Leipzig bereits in der Umsetzungsphase.

Für Minihäuser gibt es nach Recherchen von Thomas Beyerle in Europa rund achtzig Anbieter. Zum überwiegenden Teil wurden die bisher realisierten Bauten in Holzbauweise errichtet; der Steinbau macht etwa zwanzig Prozent aus. Viele der Mikrohäuser sind ohne ein festes Fundament gebaut – manche sogar auf Räder gestellt – um Standortwechsel schnell und unproblematisch zu gestalten.

Die günstigsten Mikrohäuser gibt es „voll“ – also minimal – ausgestattet ab zirka 15.000 Euro. Die Energiekosten bewegen sich aufgrund der geringen Größe im Rahmen einer kleinen Mietwohnung. „Eine Marktrelevanz weisen Mikrohäuser aber noch nicht auf“, schreibt Beyerle abschließend. Aber das kann sich ja ändern. Wer Probewohnen möchte, wendet sich an die Internetadresse www.tumbleweedhouses.com.

Buchtipp: Kleine Häuser - große Wohnqualität durch kreative Konzepte

Ein Wohnhaus mit weniger als 100 Quadratmetern Fläche – geht das überhaupt? Dieser Frage hatte sich die Deutsche Verlags-Anstalt 2012 schon einmal gestellt und die amerikanische Originalausgabe „Micro Green. Tiny Houses in Nature“ übersetzt und auf den deutschen Markt gebracht: Mimi Zeiger zeigte, was alles möglich ist. Das Buch visualisierte Alternativen, die zugleich Kulturkritik sind – Bauen im Kleinformat „als Teil einer kritischen Auseinandersetzung mit unserem jetzigen Lebensstil“, wie es im Vorwort hieß.

Thomas Drexels in dieser Woche erschienenes Buch „Kleine Häuser unter 100 m2“ hat da – einige Jahre später – einen anderen Ansatz. Es geht weniger um einen ökologischen Fußabdruck in der Natur und um „Downsizing“ als um das Aufgreifen und Begreifen eines Trends – sei es in der Stadt, im Vorort oder in der freien Landschaft. „Es muss nicht erst auf die aktuelle Verknappung günstigen Wohnraums in den Städten abgehoben werden, um die Vorteile kompakten Bauens zu erkennen“, schreibt Drexel über die großen Möglichkeiten der 22 kleinen Häuser, die er exemplarisch vorstellt.

Bauweise, Innenraumgestaltung, Baudaten und Pläne werden ausführlich erläutert. Die unterschiedlichen Kleinhaustypen werden darauf geprüft, welcher sich für am besten für welchen Lebensentwurf eignet. Hausboote und Mobile Homes werden nicht ausgespart. Ein inspirierendes Werk.

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