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Das Holzmarktgelände in Friedrichshain, unweit vom Ostbahnhof.

© euroluftbild.de/Robert Grahn

Alternativprojekt an der Spree: Eine Sperrstunde wäre das Todesurteil

Friedrichshain-Kreuzberg will Gespräche über Holzmarkt-Areal wieder aufnehmen

Kreuzbergs Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) meldete sich gegen Ende der vergangenen Woche via Facebook aus dem digitalen Off. Eine Tagesspiegel-Geschichte aus der Feder des Journalisten und Schriftstellers Norman Ohler hatte ihn erzürnt: „Dass ich mit der Schließung des Holzmarkt drohen würde, das ist eine Falschaussage“, schrieb Schmidt an Ohler. Also doch noch eine Chance für das „Eckwerk“ und den Holzmarkt?

Nach der Veröffentlichung der Reflexion von Ohler über verpasste Chancen am Kreuzberger Spreeufer („Wo das Kapital gesiegt hat“) ist plötzlich wieder Bewegung im Streit um das seit längerem festgefahrene Alternativprojekt. Schmidt will mit der Gesprächsblockade nichts zu tun haben, die Anfang vergangener Woche in der Anordnung einer Sperrstunde ab 21 Uhr durch sein Bezirksamt gipfelte: „Keines der an der ,konzertierten Ämteraktion’ beteiligten Ämter zu Beginn der Woche (gemeint ist die 23. KW, d. Red.), also Ordnungsamt, Gewerbeaufsicht, Umweltamt und Finanzamt, ist mir unterstellt. Folglich wusste ich nicht einmal von dieser Aktion und hatte nichts mit ihr zu tun.“

Bis zum kommenden Donnerstag soll nun ein Fahrplan vorgelegt werden, wie das Flaggschiff der Berliner Kreativszene flott gemacht werden kann. Es ist ein Rettungsversuch in letzter Minute. Zuletzt sah es düster aus um das Projekt. Das früher hoch gelobte „Eckwerk“ im Bereich nördlich der Fernbahntrasse nach Entwürfen von Graft Architekten und Kleihues+Kleihues, gegenüber dem Kreativdorf an der Spree, geriet immer mehr auf die lange Bank. Die Planung für die fünf 30 Meter hohen Wohn- und Arbeitstürme mit Holzfassaden war zum Stillstand gekommen. Nichts ging mehr.

Die Genossenschaft und die Eckwerk Entwicklungs GmbH drohten, auf den Planungskosten für die Hochhäuser sitzen zu bleiben und richteten zum Jahreswechsel 2018/19 eine Entschädigungsforderung in Höhe von 19 Millionen Euro an den grünen Baustadtrat Schmidt. Der Gesprächsfaden riss.

Überraschende Wende

Dann die überraschende Wende. In einer Pressemitteilung vom 7. Juni 2019 schreibt Schmidt: „Wie ich es schon immer erklärt habe, hat dieses innovative Kreativprojekt mit internationaler Strahlkraft meine volle Unterstützung.“ Schon tags darauf traf er sich auf dem Holzmarkt-Gelände mit Vertretern der Genossenschaft.

Dabei wurde vereinbart, „in Zukunft die direkte Kommunikation wieder aufleben zu lassen“, wie Konstantin Krex, Sprecher der Holzmarkt-Betreiber mitteilt. Um den „konstruktiven Dialog“ zu vereinfachen, wurde ein direkter Ansprechpartner beim Baustadtrat benannt.

Die am Verfahren beteiligten Stadträte von Friedrichshain-Kreuzberg wollen sich zudem zeitnah in einer „Ämterrunde“ mit den Detailfragen des Bauvorhabens befassen. Betroffen sind Behörden wie Ordnungsamt, Gewerbeaufsicht, Umwelt- und Finanzamt. Stadtrat Schmidt erklärte sich bereit, mit den Architekten der Holzmarkt Genossenschaft über Fragen wie Lärmbelästigung zu sprechen.

Warten auf Baugenehmigung

In weiteren Dialog-Formaten sollen „für die unterschiedlich gelagerten Probleme von der Anzahl der Toiletten in einem Schankraum bis zum stadträumlichen Umgang mit dem Spreeareal Lösungen erarbeitet werden“, sagte ein Sprecher der Genossenschaft. Zurzeit liegen Anträge über Umbauten auf dem Gelände vor. Dabei geht es um den Standort eines Containers für Künstlerateliers und ein Vordach über einem Grill.

Daneben wehrt sich die Holzmarkt Genossenschaft gegen ein Ausschankverbot ab 21 Uhr an einem Kiosk. Dies war mit einer Wohnbebauung am gegenüberliegenden Spreeufer begründet worden. „Eine Sperrstunde ab 21 Uhr wäre das ökonomische Todesurteil für das Projekt“, sagt Konstantin Krex. Die Mehrheit der Bezirksverordneten in Friedrichshain-Kreuzberg stellte sich mit Blick auf die Schankerlaubnis in dieser Woche hinter die Genossenschaft. „Das sind alles lösbare Probleme“, sagte Krex.

„Spreeufer für Alle“

Dass jetzt alles schneller geht, hat einen weiteren Grund: Die Eigentümerin des Eckwerk-Grundstücks, die Schweizer Abendrot-Stiftung (Basel) könnte sich nach dem jahrelangen Warten auf eine Baugenehmigung zum Verkauf des Areals entschließen. Für den direkt am Wasser gelegenen Holzmarkt würde ein solcher Schritt womöglich das Aus bedeuten. Die Abendrot-Stiftung war für Anfragen nicht zu erreichen.

Die Hoffnung ist nun, dass mit einem neuen Vorhabenträger und anderen Beteiligten beim Eckwerk eher eine Einigung mit dem Bezirk möglich erscheint. Die Initiatoren vom Kreativgelände sehen die Teilgrundstücke von Holzmarkt und Eckwerk nämlich als eine Einheit. Ein neuer Bebauungsplan sollte, so fordern sie, am Ergebnis des Bürgerbegehrens 2008 „Spreeufer für Alle“ anknüpfen und diesen Zusammenhang festklopfen.

Die Höhe der Entschädigung ist offen

Die Genossenschaft beruft sich in der Auseinandersetzung mit Schmidt auf Absprachen mit seinen beiden grünen Amtsvorgängern Franz Schulz und dem inzwischen verstorbenen Hans Panhoff. Diese hätten sich immer für das Eckwerk ausgesprochen. Das sei auch in einem städtebaulichen Vertrag 2013 festgehalten worden. Der damit in Verbindung stehende neue Bebauungsplan wurde jedoch bisher nicht festgesetzt, was zur Blockade des Eckwerks führte. Hintergrund dürfte sein, dass manchen der Gebäudekomplex für Studenten, Kreativbüros und Künstler zu elitär schien.

Bei den jetzt wieder in Gang gekommenen Gesprächen wird auch für die Entschädigungsforderung ein gütliches Ende angestrebt. Holzmarkt Genossenschaft und die Eckwerk Entwicklungs GmbH haben schon vor längerem ein gerichtliches Mediationsverfahren angeregt und einen umfassenden Vergleichsvorschlag vorgelegt, der den Schaden sowohl für das Projekt wie für den Bezirk auf ein Minimum reduzieren könnte.

Dieser heikle Punkt soll nun auch Gegenstand der Gespräche sein. Für die Holzmarkt Genossenschaft ist aber klar, „dass es viel Arbeit und auch Entgegenkommen aller Seiten bedarf, um die Auseinandersetzung dauerhaft zu befrieden“.

Bei den Aktivisten am Spreeufer setzt man überdies große Hoffnungen auf die grüne Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann. „Sie hat deutlich gemacht, dass sie erwartet, dass alle Seiten mit der nötigen Kompromissbereitschaft nun in die Gespräche eintreten“, so Krex. Gerne hätte der Tagesspiegel dazu mehr von Baustadtrat Schmidt erfahren. Er war telefonisch und über E-mail für diese Zeitung nicht zu erreichen. Mitarbeit: Reinhart Bünger

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