zum Hauptinhalt
Der Musiker Gunter Gabriel spielt vor seinem Hausboot im Harburger Binnenhafen.

© Axel Heimken/dpa

Alternatives Wohnen: Hausboot mit Seele

Viele träumen von einer schwimmenden Immobilie. Auch Gunter Gabriel hatte sich den Wunsch erfüllt. Nun steht seine "Magdeburg" zum Verkauf.

Der schwimmende Untersatz ist 23 Meter lang und 6,20 Meter breit. Er hat auf rund 110 Quadratmetern sechs Zimmer, eine Küche, in der einst Luciano Pavarotti gekocht – und bestimmt auch gesungen – hat, drei Betten und einen Whirlpool. An den Wänden hängen Konzertplakate, auf einem Tisch stehen Miniatursegelboote, und überall stößt man auf Auszeichnungen, die an den Vorbesitzer erinnern: Gunter Gabriel. Das Hausboot des im Juni 2017 verstorbenen Kult-Sängers („Hey Boss, ich brauch’ mehr Geld“) liegt im Hafen von Hamburg-Harburg: Die „Magdeburg“ steht zum Verkauf.

Wer einmal das schwimmende Haus des ehemaligen Countrystars betreten hat, wird die Atmosphäre nicht mehr vergessen. „Man spürt auf jeden Schritt und Tritt noch den Geist meines Vaters“, sagt Yvonne Koch, die Tochter von Gunter Gabriel. Das stimmt. Man hat das Gefühl, gleich steigt der große, starke Mann die Treppe herunter, haut einem auf die Schulter und fragt: „Hey Junge, willst ’nen Kaffee?“ Ihr Vater habe viel Herzblut in dieses Schiff gesteckt, erzählt Yvonne Koch. Und er habe seinen Freunden den „Roten Salon“ als Gästezimmer eingerichtet, aus dessen Fenster man direkt aufs Wasser des Harburger Binnenhafens schaut.

Das Hausboot, 1972 als Transportschiff in der ehemaligen DDR gebaut, hatte der gebürtige Westfale Mitte der 1990er Jahre für 80 000 D-Mark in Berlin gekauft und nach Hamburg schleppen lassen. Dort lag es zunächst fünf Jahre unterhalb der Köhlbrandbrücke, dann brachte Gabriel es in den Harburger Binnenhafen.

Gabriels Tochter wird mit Anfragen überflutet

Jetzt verkauft Yvonne Koch, die nach eigenen Angaben rund 450 000 Euro Schulden ihres Vaters übernommen hat, die „Magdeburg“ wieder. Rund 30 000 Euro soll Deutschlands berühmtestes Hausboot kosten. „Das Interesse ist riesengroß“, sagt Gabriels Tochter und berichtet von der E-Mail-Flut, die sich über die Adresse guntergabriel-germany@t-online in den letzten Tagen ergossen hat. „Ich bin überwältigt. Es haben sich gemeinnützige Vereine gemeldet und Fans meines Vaters, die Geld zusammenlegen wollen, um das Schiff so zu erhalten, wie es ist.“

Von einer eigenen schwimmenden Immobilie träumen viele. Standen vor 15 oder 20 Jahren auf der Nachfrageseite fast ausschließlich Eigenbrötler oder Eremiten, sind es heute oft gestresste Städter, die es aufs Wasser zieht. Viele testen die schwankenden Planken zunächst als Urlaubsdomizil, verbringen drei oder vier Wochen auf einem Hausboot. So mancher findet Gefallen an dieser Art zu wohnen und schaut sich nach den Ferien dann auf dem Markt um. Der wächst.

Wie viele Eigenheime es auf deutschen Gewässern gibt, weiß niemand genau, sie sind in keinem Register erfasst. Steuern darf einen Wohnkahn mit weniger als 25 Metern Länge jeder, der einen Bootsführerschein besitzt.

Mit der Vermietung lässt sich viel Geld verdienen

Ein Hausboot ist als Alternative zu einem Heim auf festem Untergrund finanziell interessant: Der Grundstückspreis entfällt, und das schwimmende Heim gilt nicht als Immobilie, sondern als „Mobile“ und kann deswegen als bewegliches Wirtschaftsgut steuerlich abgeschrieben werden. Außerdem sind „Floating Houses“ auf Havel oder Spree, Bille oder Schlei, Ost- oder Geiseltalsee nicht grundsteuerpflichtig. Die Regelungen, wo und wann man mit seinen eigenen vier Wänden für ein paar Stunden oder Tage anlegen darf, sind von Bundesland zu Bundesland verschieden. Wasserflächen sind öffentlich, in Städten wie Hamburg und Berlin – mit rund 60 Quadratkilometern verfügt die Hauptstadt über mehr Wasserfläche als die Grachtenstadt Amsterdam – gibt es Ausnahmeregelungen. So sind Liegeplätze am Plötzenseer Kolk, an der Tiergartenschleuse und in Spandau geduldet. Lediglich für festliegende Hausboote ist eine Baugenehmigung vorgeschrieben.

Mit der Vermietung einer schwimmenden Unterkunft lässt sich viel Geld verdienen. Das weiß man vor allem im Mutterland der Hausboote: in den Niederlanden. Dort floriert der Hausboot-Mietmarkt.

Wer sich seine eigenen vier Wände auf dem Wasser kaufen möchte, sollte die Angebote gut sondieren, es gibt enorme Preis- und Leistungsunterschiede. Hausboote Marke Eigenbau sind schon für 20 000 oder 30 000 Euro zu haben, für mobile Eigenheime mit durchschnittlichem Komfort werden zwischen 60 000 und 250 000 Euro verlangt. Oft teilen sich die Preise auf in Basisversion plus Fahrpaket. Ausstatten lässt sich ein Hausboot fast wie eine Bleibe an Land: Viele Objekte haben Fußbodenheizung, Badewanne, einige sogar eine Sauna. Es gibt sogar Objekte mit Kamin und mit Fahrradgarage.

Größter Nachteil ist die Wartung

Doch nicht alles ist Gold, was auf dem Wasser glänzt. Größter Nachteil eines Hausbootes ist die Wartung. Experten raten, alle zwei, drei Jahre in einer Werft eine Überholung vorzunehmen. Dafür fallen schnell Kosten zwischen 1500 bis 3000 Euro an, je nach Zustand des Kahns. Kleinere Arbeiten sind regelmäßig zu erledigen, ohne Farbeimer und Pinsel kommt kein Hausbootbesitzer aus. Außerdem sind Kosten für Strom, Wasser und Abwasser zu kalkulieren, und auch ein fester Liegeplatz kann ins Geld gehen. An begehrten Plätzen muss man jährlich 4 000 oder 5 000 Euro berappen. Ein weiterer Kostenfaktor ist die Versicherung. Sie entspricht einer kombinierten Wohngebäude-Haftpflicht-Kaskoversicherung. Integriert werden kann eine Inhaltsversicherung analog einer Hausratsversicherung.

Yvonne Koch hätte das Hausboot ihres Vaters gern behalten: „Doch ich muss die Schulden begleichen.“ Sie hofft, dass die „Magdeburg“ in gute Hände kommt: „Gunter hätte sich gefreut, wenn sich jemand mit diesem Boot einen Traum erfüllt.“

Zur Startseite