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Das Architektenhaus Torkelweg 17 in Schlins (Vorarlberg/Österreich) ist aus Lehm. Das Einfamilienhaus wurde 2007 in einer Arbeitsgemeinschaft aus dem Architekturbüro „Boltshauser Architekten AG“ und dem Bauherren (und Lehmbaupionier) Martin Rauch geplant. Zwischen den typischen Lehmschichten liegen Lagen aus Ziegelleisten wie Tropfnasen wirken und das Auswaschen der Fassade verhindern.

© Reinhart Bünger

Alternative Baustoffe: Wer stampft denn da mit Lehm?

Lehm Ton Erde Baukunst GmbH errichtet in Schlins/Vorarlberg Fertigungsstraße für Modulbauelemente

Lehm-Tone-Erden – diese Kombination könnte den Takt im Wohnungsbau vorgeben, wie es die Rio-Reiser-Band Ton-Steine-Scherben der Alternativkultur der frühen achtziger Jahre vorgelebt haben. In Schlins (Vorarlberg/Österreich) ist die teilweise noch im Bau stehende Werkhalle von „Erden“ bereits im Betrieb. Das Unternehmen ist das weltweit erste Unternehmen, das Stampflehm-Bauelemente industriell zu einhundert Prozent aus Erde herstellt, genauer gesagt aus weißem Lehm aus dem deutschen Westerwald.

Was hier neu und experimentell anmutet, ist bei Lichte betrachtet vor allem die Fertigungsstrecke für Modulteile.: Ein Pilotprojekt / Pionierprojekt bestehend aus einer 67m langen und bis zu 24m breiten Halle zur Vorfertigung von Stampflehmelementen sowie einem angegliederten, zweistöckigen Bürotrakt. Erstmals wurde nach Aussagen der Betreiber mit dem Projekt eine Architektur dieses Ausmaßes umgesetzt, das rein durch den Hybrid einer Holzkonstruktion sowie der 67m langen Stampflehmwand getragen wird

Lehm ist der älteste Baustoff der Welt

Mehr als ein Drittel der Weltbevölkerung lebt bereits in Häusern, die ganz oder teilweise mit Lehm gebaut sind, sagt Lehmbaupionier Martin Rauch. Lehm ist der älteste Baustoff der Welt. Als häufig vorkommendes, kostengünstiges und energiesparendes Material birgt Lehm enormes Potenzial für das Bauen der Zukunft und wird zunehmend als wertbeständige Baulösung wiederentdeckt.

Der Hauptanteil des Rohbaustoffes wird als Aushubmaterial regional gewonnen. Sonnenenergie dient im Lehmstampfwerk in Schlins (Vorarlberg/Österreich) als Hauptwärmequelle. Der gesamte Produktionskreislauf ist nachhaltig und auf Recycling angelegt.
Der Hauptanteil des Rohbaustoffes wird als Aushubmaterial regional gewonnen. Sonnenenergie dient im Lehmstampfwerk in Schlins (Vorarlberg/Österreich) als Hauptwärmequelle. Der gesamte Produktionskreislauf ist nachhaltig und auf Recycling angelegt.

© Reinhart Bünger

Die Vorteile dieses Baustoffs: Stampflehmwände im Innenbereich wirken sich positiv fürs Raumklima aus. Ihre enorme Masse schwächt Temperaturextreme ab. Und Lehm hat die Fähigkeit Feuchtigkeit aus der Luft schnell aufzunehmen und wieder abzugeben. Das stellt die Betreiber der neuen Werkhalle allerdings vor Probleme, wie die Teilnehmer einer Tagesspiegel-Leserreise (gemeinsam mit dem Architekturreiseveranstalter Ticket B) erfuhren: Die Trocknungszeit für die Module beträgt sechs Wochen. Vor allem im Winter, wenn die Halle geschlossen ist, trocknet das Material wesentlich langsamer: Die Luft zirkuliert nicht. Es ist wie mit dem Wäschetrockner im Wohnzimmer. So haben die Schlinser eine Luftumwälzungsanlage unter die Holzhallendecke gehängt, um täglich mehrere hundert Liter Wasser aus der Halle zu schleusen.

Die Kosten liegen über der konventionellen Bauweise im massiven Rohbau

„Wir sollten jährlich 2000 Quadratmeter Fläche auf die Anlage bringen“, erklärt der Schichtleiter in einer Führung den Plan: „Alle drei Tage bringe ich 50 Quadratmeter in der Schalung. Wir arbeiten im Zwei-Schichten-Betrieb.“ Aktuell werden Bauteile für ein fünfstöckiges Wohnhaus in der Schweiz gestampft – in bis zu 18 Produktionsgängen.

Die "Erden"-Werkhalle in Schlins (Vorarlberg/Österreich) ist zukunftsweisender Prototyp und Werkstätte in einem. Sie vereint eine Symbiose aus unterschiedlichen Lehmbautechniken in ihrem Bau und bietet gleichzeitig erstmals einen permanenten Raum für die Maschinen, die Stampflehmfertigteile im großen Stil produzieren können. Sie wurde 2019 errichtet.
Die "Erden"-Werkhalle in Schlins (Vorarlberg/Österreich) ist zukunftsweisender Prototyp und Werkstätte in einem. Sie vereint eine Symbiose aus unterschiedlichen Lehmbautechniken in ihrem Bau und bietet gleichzeitig erstmals einen permanenten Raum für die Maschinen, die Stampflehmfertigteile im großen Stil produzieren können. Sie wurde 2019 errichtet.

© Reinhart Bünger

Der Nachteil, wenn man diese Produktion allein ökonomisch betrachtet: Die Kosten liegen 30 bis 40 Prozent über der konventionellen Bauweise im massiven Rohbau. „Natürlich könnten wir noch mehr automatisieren – aber es geht auch um die Haltungsfrage: Will man etwas ersetzen oder will man auch eine Alternative aufzeigen?“, sagt der Schichtleiter. Der Kampf gegen das Establishment geht weiter.

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