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Illegales Geschäft. Auch der Drogenhandel ist Teil der Schattenwirtschaft. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

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Illegale Arbeit: Der Schwarzmarkt in der Krise

Die Schattenwirtschaft in Deutschland ist wegen der guten Konjunktur zurückgegangen. Das könnte sich aber wegen der Flüchtlinge ändern.

Mit dem Geld könnte man Straßen und Brücken sanieren, neue Wohnungen oder Kindergärten bauen oder einen Teil der Republik mit schnellem Internet versorgen: 60 Milliarden Euro gehen der Bundesrepublik jedes Jahr laut Schätzungen durch Schattenwirtschaft verloren. Wissenschaftler fassen unter dem Begriff Einkünfte zusammen, die entweder durch Schwarzarbeit – also Beschäftigung ohne das Abführen von Steuern und Sozialbeiträgen – oder durch kriminelle Geschäfte wie Drogen- oder Waffenhandel zustande kommen.

Auch 2016 werden in jenem „schwarzen“ Beschäftigungssektor aller Voraussicht nach wieder Milliarden verdient werden; allerdings geht der Anteil der Schattenwirtschaft an der gesamten Wirtschaftsleistung in diesem Jahr wohl leicht zurück. Das ist das Ergebnis einer Studie, die das Tübinger Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) und die Universität Linz am Dienstag veröffentlichten. „In der guten Wirtschaftslage verdienen die Beschäftigten mehr, ihr Stundenlohn steigt oder sie können bezahlte Überstunden machen“, sagt Studienautor Friedrich Schneider. „Dadurch wollen weniger Menschen in ihrer Freizeit schwarzarbeiten.“

Der Anteil am Bruttoinlandsprodukt wäre damit so niedrig wie noch nie seit Beginn der Studienstatistik 1995. In der Schattenwirtschaft werden der Schätzung zufolge in diesem Jahr Leistungen im Wert von 336 Milliarden Euro erbracht, rund 3,4 Milliarden Euro weniger als 2015.

Bau, Landwirtschaft, Gastronomie

Ein klassisches Beispiel illegaler Beschäftigung findet sich laut Schneider in vielen Privatwohnungen: 90 Prozent aller Putzfrauen seien schwarz beschäftigt, sagt der Wissenschaftler. Aber auch auf dem Bau, in der Landwirtschaft und in der Gastronomie ist der Anteil hoch. Da der Zoll diese Branchen aber relativ stark kontrolliere, seien die dortigen Beschäftigungsverhältnisse auf dem Papier oft legal, über unbezahlte Mehrarbeit würden sie dann aber doch zur Schattenwirtschaft. Auch Handwerker setzen der Studie zufolge viel auf Schwarzarbeit – wenn der Klempner den tropfenden Wasserhahn repariert, werde häufig auf eine Rechnung verzichtet.

Der Rückgang der Schwarzarbeit könnte den Studienautoren zufolge allerdings durch den Flüchtlingszuzug abgebremst werden. Sie rechnen verschiedene Modelle durch, denen zufolge zwischen 100 000 und 300 000 Flüchtlinge illegal beschäftigt sein werden, etwa als Putzkraft oder Hilfsarbeiter auf dem Bau. „Wegen der fehlenden Deutschkenntnisse vieler Schutzsuchender ist es wahrscheinlich, dass es zunächst Jobs im Niedriglohn-Sektor sein werden“, sagt Schneider. Am plausibelsten sei wohl die Zahl 300 000. Das entspräche einer Wertschöpfung von rund 2,2 Milliarden Euro. „Die Flüchtlinge sind monatelang in ihren Unterkünften zum Nichtstun verdammt, also ist es doch naheliegend, dass sie irgendwann raus wollen und sich als Schwarzarbeiter verdingen“, sagt der Linzer Professor für Volkswirtschaft.

Schnelle Arbeitserlaubnis für Flüchtlinge

Schneider und Ko-Autor Bernhard Boockmann appellierten an die Politik, eine rasche legale Beschäftigung zu ermöglichen. „Man sollte darüber nachdenken, Flüchtlingen schnell eine zeitlich begrenzte Arbeitserlaubnis zu erteilen“, sagte Schneider. Eine solche eingeschränkte Erlaubnis könnte zunächst für einfache Tätigkeiten gelten. Später könnten die Flüchtlinge die Erlaubnis erhalten, auch höherwertige Stellen anzutreten, wenn Qualifikationen nachgewiesen seien, etwa als Handwerker, Arzt oder Verkäufer.

Die jährlich erscheinende Untersuchung ist unter Experten umstritten, da sie nicht nur auf gesicherten Daten, sondern vor allem auf Schätzungen basiert. „Es ist nun mal das Wesen der Schattenwirtschaft, dass sie sich der Beobachtung entzieht“, sagt Ko-Autor Boockmann. Er und Schneider stützen sich in ihrer Studie auf Faktoren wie beispielsweise den Bargeldumlauf. Geht mehr Bargeld von Hand zu Hand, spricht das für mehr Schwarzarbeit. Klaus Salzsieder von der Generalzolldirektion in Bonn verweist darauf, dass der Umfang des Phänomens nicht genau bekannt sei. Es sei aber klar, dass es ein großes Problem sei – der Zoll habe die Anzahl der Kräfte zur Schwarzarbeit-Bekämpfung in gut zehn Jahren auf knapp 7000 mehr als verdoppelt.

Die künftige Entwicklung der Schattenwirtschaft indes wird vornehmlich von einem Faktor abhängen: der Konjunktur. Bekomme sie einen Dämpfer, werde auch die Schwarzarbeit wieder steigen, sagt Boockmann. Der steigende Anteil von Senioren an der Bevölkerung spreche tendenziell für mehr Schwarzarbeit; Ältere haben mehr Zeit für Hilfsjobs.

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