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Jörg Hofmann wurde als erster Vorsitzender der IG Metall gewählt, Christiane Benner als zweite Vorsitzende.

© dpa

IG Metall-Führung: Unmittelbar nach der Wahl beginnt das Geschacher um die nächste Wahl

Schlechtes Ergebnis für den ersten Vorsitzenden, gutes Ergebnis für die Zweite: Führungskrise bei der IG Metall?

Sichtlich angefasst drückte Jörg Hofmann auf der großen Bühne Christiane Benner an sich. Der Mann suchte Halt, und Benner ging der Moment auf der großen Bühne im Nürnberger Kongresszentrum auch nahe. 87 Prozent der Delegierten des Gewerkschaftstages der IG Metall hatten sie gerade im Amt der zweiten Vorsitzenden bestätigt, kurz nachdem Hofmann mit erschütternd mickrigen 71 Prozent als Chef der größten deutschen Gewerkschaft wiedergewählt worden war. Jetzt also stand das Spitzenduo Arm in Arm vor dem Wahlvolk und ließ den mäßigen Beifall über sich ergehen. Die Delegierten selbst rätselten darüber, was sie da gerade angerichtet hatten und welche Konsequenzen dieses Wahlergebnis wohl haben würde.

Wer kommt nach Hofmann?

Nach der Wahl ist vor der Wahl. Hofmann wird im Dezember 64 Jahre alt - darauf hatte ein Delegierter mit kritischen Unterton hingewiesen. In einer IG Metall, die mit viel Schwung für die „Rente mit 63“ geworben hatte, sollte das ein Thema sein. War es aber nicht, abgesehen von dem einen Delegierten. Auf den Fluren des Kongresszentrums befassten sich die Metaller am Dienstag bereits mit der Nachfolgefrage, obgleich die erst in vier Jahren vom nächsten Gewerkschaftstag zu entscheiden ist. Normalerweise ist der oder die zweite Vorgesetzte gesetzt für die Chefposition. Aber gilt das auch für Christiane Benner? Die 51-jährige Soziologin hat noch keinen Tarifvertrag ausgehandelt, und das ist die Königsdisziplin in einer Gewerkschaft. Zumal in der IG Metall, die traditionell in Deutschland die tarifpolitischen Maßstäbe setzt. Eine Frau an der Spitze muss es in der Industriegewerkschaft mit einem Frauenanteil von 20 Prozent in der Mitgliedschaft auch nicht zwingend sein. Doch mit dem Wahlergebnis vom Dienstag ist Benner nun die Favoritin für die Hoffmann-Nachfolge.

Benner oder Zitzelsberger?

Der beste Mann ist Roman Zitzelsberger. Der 53-jährige Maschinenschlosser und Betriebswirt ist Chef der IG Metall in Baden-Württemberg und hat dort im Februar vergangenen Jahres den Pilotabschluss für die gesamte Metallindustrie ausgehandelt. Zitzelsberger verkörpert den klassischen Metaller, der sich von der Werkbank aus intellektuell weiterentwickelt hat und mit viel Schwung auch die IG Metall reformieren würde. Ähnlich wie Detlef Wetzel, der vor zehn Jahren in der Vorstandszentrale in Frankfurt am Main eine Restrukturierung durchzog und Ressourcen und Stellen von der Zentrale an die Basis verlegte. An diesem Punkt, so befürchtet das Establishment der Gewerkschaft, würde Zitzelsberger weitermachen. Die Besitzstandswahrer präferieren deshalb Benner als nächste Vorsitzende. Die Linken in der IG Metall auch, weil Zitselsberger wie die meisten baden-württemberger Spitzenfunktionäre ein Realo ist.

Soziologin oder Maschinenschlosser?

„Wenn Zitzelsberger die Betriebsratschefs von 20 großen Unternehmen hinter sich hat, dann wird er auch erster Vorsitzender“, meinte am Dienstag ein ehemaliger Vorsitzender der Gewerkschaft. Zitzelsberger will an die Spitze, aber was ist mit Benner? Die gebürtige Aachenerin arbeitet seit 1997 hauptamtlich für die IG Metall, kümmerte sich um Jugendarbeit und Informationstechnologien und wurde 2011 von Wetzel in den Vorstand bugsiert. Seit 2015 ist sie zweite Vorsitzende. Benner, die wie Hofmann und Zitzelsberger der SPD angehört, hätte DGB-Vorsitzende in Berlin werden können - wollte sie aber nicht. Um ein Vielfaches anspruchsvoller als der repräsentative DGB-Job ist der erste Vorsitz der IG Metall mit 2,3 Millionen Mitgliedern und hoher Relevanz in den Kernbranchen der Industrie: dem Maschinen- und Fahrzeugbau.

Die nächste Vorstandswahl im Blick

Diese Branchen haben Struktur- und Konjunkturprobleme, und im nächsten Jahr steht eine Tarifrunde an. Bis Dienstag schien die IG Metall bestens gerüstet für die kommenden Jahre und so geschlossen wie selten. Dann gab es 71 Prozent für den ersten Vorsitzenden, der bei weitem nicht so dickfällig ist wie etwa sein Vor-Vor-Vorgänger Jürgen Peters. Inzwischen ist nicht mehr ausgeschlossen, dass auch Hofmann wie sein Vor-Vorgänger Berthold Huber in der Mitte der Periode abtritt und Platz macht für den, beziehungsweise die zweite Vorsitzende. Das ist das bittere Ergebnis der jüngsten Vorstandswahlen der IG Metall: Das Gezerre und Geschacher um die nächsten Vorstandswahlen hat begonnen.

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