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Bei der IG Metall in Baden-Württemberg werden in der Regel die Pilotabschlüsse in den Tarifrunden gemacht.

© dpa

IG-Metall-Chef Roman Zitzelsberger: „Es bleibt kein Stein auf dem anderen“

Er ist seit 2013 IG-Metall-Chef von Baden-Württemberg: Zitzelsberger über Verteilungskonflikte innerhalb der Industrie und über Werksschließungen.

Herr Zitzelsberger, bei Bosch in Feuerbach arbeiten 13.000 Personen, davon 8000 rund um den Diesel. Was passiert mit diesen Leuten?

Zunächst geht es darum, den Übergang so zu gestalten, dass wir die aktuelle konjunkturelle Delle überstehen. Dafür gibt es bewährte Instrumente wie Arbeitszeitreduzierung. Die strukturelle Frage ist natürlich viel schwerer zu beantworten.

Versuchen Sie es.

Die Menschen müssen für die neuen Jobs qualifiziert werden. IT- und Softwareentwickler beispielsweise sind stark gefragt und es gilt herauszufinden, wie man betroffene Beschäftigte so schnell wie möglich für andere Aufgaben qualifizieren kann. In den nächsten fünf bis zehn Jahren ist es darüber hinaus wichtig, zu erkennen, wo sich neue Technologien und Aufgabengebiete entwickeln – zum Beispiel die Brennstoffzelle als Antriebsoption für Nutzfahrzeuge, oder synthetische Kraftstoffe, für die man auch Einspritztechnologien braucht.

Wie erkennt man die künftigen Beschäftigungsfelder und entsprechend die Qualifizierungsbedarfe?

Die Betriebsräte sind eng an den Themen dran, und wir unterstützen sie. Unter anderem auch mit unserem Transformationsatlas: In fast 2000 Betrieben haben wir genau hingeschaut, wie sich die Unternehmen auf die digitale Transformation vorbereiten und welche Anforderungen sich daraus für die Betriebe und für uns ergeben. Viele Firmen haben darauf noch keine oder nur unzureichende Antworten, das macht uns große Sorgen.

Besonders prekär ist die Situation bei Lieferanten der Autoindustrie. Wird es massiven Stellenabbau geben?

Die Auseinandersetzungen werden im Herbst richtig sichtbar. Es drohen unter anderem Verteilungskonflikte zwischen Herstellern und Lieferanten. Zurecht werden etwa die Kollegen im Mercedes-Motorenwerk Untertürkheim darum streiten, dass künftig alle Teile des elektrischen Antriebsstrangs dort gebaut werden. Das sichert dann Arbeitsplätze bei Daimler, die aber gleichzeitig beim Lieferanten nicht entstehen. Die Wertschöpfungsketten verschieben sich und das trifft vor allem die Zulieferer in der zweiten oder dritten Reihe.

Was bleibt für die übrig?

Ein großer Teil hat immer noch nicht verstanden, dass es eine Veränderung beim Antriebsstrang gibt, und dass diese Veränderung viel schneller kommt als häufig gedacht. Jetzt werden die Autos entwickelt, die 2025 auf den Markt kommen. Wer da nicht dabei ist, wird es schwer haben.

Was müssten die Betriebe tun?

Es gibt zwei Varianten: Entweder man agiert entlang der bisherigen Produkterfahrung oder man setzt auf die technologische Kompetenz. Einem Betrieb, der ein Alleinstellungsmerkmal besitzt, fällt das leichter, als einem, der Bleche stanzt. Die Luft wird extrem dünn für Betriebe, die weder technologisch noch vom Produkt her eine besondere Kompetenz haben.

Selbst große Zulieferer wie Mahle und Continental haben in den vergangenen Wochen Werksschließungen in Baden- Württemberg angekündigt.

Auf die bin ich stocksauer. Wir haben ausreichend Instrumente, die sich in den Krisenjahren 2008/2009 bewährt haben. Stattdessen zetteln einige Betriebe wieder alte Verlagerungsdebatten an und drohen mit Schließung. Wenn das stilbildend sein sollte für die Transformation, dann wird die IG Metall ziemlich schnell den Schalter umlegen und auf Konfliktkurs gehen. Wir wissen um die Umbrüche, und dass kein Stein auf dem anderen bleiben wird. Das kann man aber auch gemeinsam, mit Anstand und mithilfe einer vernünftigen Mittelfristplanung angehen.

Die IG Metall wird nicht alle Arbeitsplätze retten können.

Ohne Blessuren wird der technologische Wandel nicht über die Bühne gehen, das weiß ich auch. Sozialpartnerschaft und vertraute Zusammenarbeit müssen sich aber in schwerer Zeit bewähren können. Für Conti und Mahle habe ich überhaupt kein Verständnis, weil an beiden Standorten auch Produkte gefertigt werden, die für die Elektromobilität erforderlich sind. Ausgerechnet solche Konzerne, die auch eine Durststrecke überstehen können, machen einfach dicht. Das macht mich auch deshalb zornig, weil es politisch verheerend wirkt.

Inwiefern?

Als die Schließung des Mahle-Standorts Öhringen verkündet wurde, standen ruckzuck die Rechten vor der Tür und haben Flugblätter verteilt mit der sinngemäßen Aussage: „Jetzt bekommt ihr mit, wo es in diesem links-ökologisch versifften Land hingeht mit der so genannten Mobilitätswende.“ Gegen solche Propaganda müssen sich Arbeitgeber, Arbeitnehmer und die Politik gemeinsam wehren. Dazu brauchen wir ein Konzept und einen Konsens, wie wir die Transformation gestalten wollen und dabei die Menschen mitnehmen. Mit Werksschließungen funktioniert das nicht.

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