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Der Bundesverband Güterverkehr und Logistik will Ansprüche für mindestens 100 000 Lkw sammeln.

© picture alliance / dpa

Hohe Schadenersatzforderungen: Spediteure wehren sich gegen Lkw-Kartell

Für vier Lkw-Hersteller könnte es nach EU-Bußgeldern wegen Preisabsprachen noch heftiger kommen: Geprellte Unternehmen, Kommunen und Verbände fordern Schadenersatz von bis zu zwei Milliarden Euro.

Nachdem die EU-Kommission vier Lkw-Hersteller 2016 wegen unerlaubter Preisabsprachen zu Bußgeldern in Höhe von knapp 2,9 Milliarden Euro verurteilt hatte, drohen Daimler, DAF, Iveco, Volvo/Renault und der VW- Tochter MAN hohe Schadenersatzforderungen. Mehr als 1000 geprellte Spediteure, Kommunen und Verbände mit rund 40 000 Lkw haben sich einer vom Bundesverband Güterverkehr und Logistik (BGL) initiierten Gemeinschaftsklage angeschlossen und Ansprüche abgetreten.

Juristen schätzen die von den Herstellern verabredeten Preisaufschläge für Lkw konservativ auf zehn bis 20 Prozent der Bruttopreises oder der Leasingrate. Bei einem Durchschnittspreis von etwa 100 000 Euro pro Lkw ergäben sich bei 40 000 gemeldeten Fahrzeugen Forderungen zwischen 400 und 800 Millionen Euro.

Sie könnten aber auf ein bis zwei Milliarden Euro steigen, weil der BGL, wie Hauptgeschäftsführer Dirk Engelhardt am Montag in Frankfurt sagte, allein in Deutschland Ansprüche für mindestens 100 000 Lkw sammeln will.

Hintergrund der Forderungen sind Preisabsprachen für Lkw und Sattelzugmaschinen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mindestens sechs Tonnen zwischen 1997 und 2011. Beteiligt daran waren Daimler – die Stuttgarter erhielten mit 1,09 Millionen Euro das höchste Bußgeld – Volvo/Renault, MAN, Iveco (Ableger der britischen CNH Gruppe) und DAF (Tochter des US-Konzerns Paccar). Europaweit sollen knapp zehn Millionen Fahrzeuge betroffen sein, in Deutschland 1,1 Millionen. Dabei hätten sich die Unternehmen auf Ebene der Konzernführungen abgestimmt, über die Brutto-, möglicherweise auch über die Nettopreise und auch darüber, die Kosten für die neuen Euro-Normen den Käufern aufzuerlegen, sagte Alex Petrasincu von der US-Anwaltskanzlei Hausfeld. Aufgedeckt hatte den Skandal MAN. 2010 meldete das Unternehmen die Verstöße nach Brüssel und wurde als Kronzeuge von einem Bußgeld verschont. Gegen Scania, ebenfalls eine VW-Tochter, ermittelt die EU noch.

Prozessfinanzierer decken das finanzielle Risiko ab

Da besonders für mittelständische Unternehmen bei Umsatzrenditen von selten mehr als einem Prozent die Kosten für Gutachter und die Prozessrisiken erheblich sind, hat sich der BGL für das Abtretungsmodell entschieden. Würden sie alleine etwa auf eine Million Euro Schadensersatz klagen, drohen bei Misserfolg Kosten von etwa 150 000 Euro. Immer häufiger spielen daher Drittfinanzierer eine Rolle: Das heißt, Prozessfinanzierer decken das finanzielle Risiko ab. Möglicherweise Geschädigte treten dabei ihre Forderungen zu einem gewissen Prozentsatz ab, tragen damit nicht mehr das rechtliche Risiko, müssen dafür aber im Erfolgsfall finanzielle Abstriche machen.

Organisiert wird das Abtretungsmodell und damit faktisch eine Gemeinschaftsklage von der Düsseldorfer Financialright Claims. Sollte sie Schadenersatzansprüche durchsetzen können, ist eine Provision zwischen 28 (Verbandsmitglieder) und 33 Prozent fällig. Für diesen Weg hat sich unter anderem der niedersächsische Spediteur Hubertus Kobernuß entschieden, der rund 70 Lkw betreibt. Grund war für ihn auch, wie er am Montag sagte, dass ein Einigungsversuch des BGL mit den Herstellern gescheitert war, nachdem diese behauptet hatten, die Absprachen hätten nicht zu höheren Preisen geführt.

Noch bis Ende September können sich Spediteure und andere betroffene Unternehmen online bei BGL und Financialright Claims melden und ihre Forderung abtreten. Hausfeld bereitet Klagen gegen die Hersteller vor. Im vierten Quartal soll ein Gutachten über die konkrete Forderungshöhe vorliegen, um dann noch in diesem Jahr Klage einreichen zu können. Denn möglicherweise verfallen 2018 Schadenersatzansprüche für Lkw-Käufe zwischen 1997 und 2002. Wie lange es bis zu einer endgültigen Entscheidung über die Klage dauern kann, ist unklar. „Und eine Erfolgsgarantie zur Durchsetzung der Ansprüche gibt es nicht“, sagte BGL-Geschäftsführer Engelhardt. „Aber wir sehen gute Erfolgschancen.“

Unabhängig vom BGL gibt es weitere Bestrebungen, gegen das Lastwagen-Kartell Ansprüche geltend zu machen. Ein großes französisches Entsorgungsunternehmen reichte dieser Tage Klage in Großbritannien ein. Wie zu hören ist, vertritt Hausfeld auch einen großen Spediteur, der eine vierstellige Zahl von Lastwagen im fraglichen Zeitraum gekauft hat. Anwälte prüfen derzeit, ob möglicherweise auch im sogenannten Nachkartellzeitraum, die Rede ist von Januar 2011 bis Ende 2016, finanzielle Ansprüche bestehen.

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