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Überzogen. Wer beim Girokonto den Dispo in Anspruch nimmt, zahlt maximale Zinsen.

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Update Exklusiv

Hohe Dispozinsen: Regierung will überschuldete Bankkunden schützen

Hohe Dispozinsen sind angesichts historisch niedriger Leitzinsen ein Ärgernis. Nun will die Bundesregierung gegensteuern. An diesem Mittwoch will das Kabinett einen Gesetzentwurf verabschieden.

Von Carla Neuhaus

Von einer Abzocke der Banken ist die Rede. Von einer Schuldenfalle für die Kunden. Die hohen Dispozinsen, die Geldinstitute für die Kontoüberziehung verlangen, regen Verbraucherschützer wie Politiker nun schon seit Jahren auf. Obwohl die Leitzinsen auf einem Rekordtief liegen, verlangen die Geldinstitute noch immer zum Teil zweistellige Zinsen, wenn Kunden mit dem Konto ins Minus rutschen. Jetzt greift die Politik ein und will den Banken strengere Vorgaben machen. Wie der Tagesspiegel aus Regierungskreisen erfuhr, soll das Kabinett an diesem Mittwoch einen Gesetzentwurf von Verbraucherminister Heiko Maas (SPD) absegnen.
Banken sollen demnach dazu verpflichtet werden, die Höhe der Dispozinsen auf ihrer Internetseite zu veröffentlichen. Maas hofft, dass sich der Markt auf diese Weise selbst reguliert. Die Kunden sollen Konditionen leichter vergleichen können und die Banken den Dispokredit unter dem Druck der Konkurrenz senken. Eine Deckelung für den Überziehungszins, wie ihn Verbraucherschützer lange gefordert hatten, wird es dagegen nicht geben. Auch ein deutlicher Warnhinweis für den Kunden, wie er noch im Koalitionsvertrag vorgesehen war, wird mit dem neuen Gesetz erst mal keine Pflicht.

Die Bank soll Kontoüberzieher demnächst zum Gespräch einbestellen

Stattdessen müssen die Banken ihren Kunden künftig ein Beratungsgespräch anbieten, wenn sie ihr Konto zu lange zu stark überziehen. In einem solchen Gespräch soll der Berater dem Kunden dann eine Umschuldung auf einen günstigeren Kredit vorschlagen und auf externe Angebote wie eine unabhängige Schuldnerberatung verweisen. Nach Tagesspiegel-Informationen greift diese Pflicht zur Beratung erst, wenn der Kunde sein Konto bereits drei Monate lang in Höhe der Hälfte seines durchschnittlichen Geldeingangs überzieht – oder wenn er mindestens sechs Monate lang seinen Disporahmen zu 75 Prozent ausschöpft.
Verbraucherschützer begrüßen das Gesetz im Grundsatz zwar. Es lenke „mehr Aufmerksamkeit auf das Problem privater Überschuldung“, heißt es etwa beim Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV). Von dem Beratungsgespräch durch die Bank verspricht sich Dorothea Mohn, Finanzexpertin beim VZBV, allerdings wenig. Es sei das falsche Instrument, um Kunden vor der Überschuldung zu schützen, meint sie. Schließlich hätten die Institute kaum ein wirtschaftliches Interesse daran, den Kunden einen niedriger verzinsten Ratenkredit anzubieten, wenn sie am Dispokredit deutlich mehr verdienen könnten. Deshalb sagt Mohn: „Verbraucher sollten nicht zu einem Gespräch bei Banken und Sparkassen gedrängt werden.“

Viele Kunden dürften das Gesprächsangebot nicht annehmen

Dabei ist ohnehin fraglich, ob die Kunden auf das Gesprächsangebot der Bank eingehen. Sigrid Herbst von der Finanzberatung FMH fürchtet, dass diese Beratungspflicht vielmehr ins Leere laufen wird. „Wer sein Konto langfristig überzieht, will darüber nicht mit seinem Bankberater reden“, sagt sie. Im schlimmsten Fall würden der Bank lediglich Kosten entstehen, weil sie den Betroffenen „in Textform“ Gespräche anbieten muss. „Diese Kosten werden am Ende wieder auf die Kunden umgelegt.“

Verbraucherschützer hätten es daher lieber gesehen, wenn die Politik die unabhängige Schuldnerberatung weiter gestärkt hätte. Dort bekommen Kunden Hilfe, wenn sie ihre Kosten nicht in den Griff bekommen. Weil viele Anlaufstellen jedoch personell schwach besetzt sind, warten Kunden bei ihnen häufig sehr lange auf einen Termin – in einer Situation, in der sie eigentlich sofort Hilfe bräuchten. Verbraucherschützerin Mohn fordert deshalb: „Die Banken sollten die Schuldnerberatung stärker finanziell unterstützen.“

Nach fünf Jahren will das Justizministerium die Dispozinsen neu untersuchen

Gleichzeitig ist fraglich, ob der Zwang zur Veröffentlichung der Dispozinsen tatsächlich dazu beitragen kann, dass die Banken sie senken. Denn bei der Wahl eines Girokontos ist die Höhe des Überziehungszinses für die Kunden nur ein Entscheidungsmerkmal von vielen. Relevant wird er für sie erst, wenn sie mit dem Konto ins Minus rutschen – nur dann ist es zu spät. Fünf Jahre will das Justizministerium die Entwicklung nun beobachten. Danach will es entscheiden, ob weitere Schritte nötig sind, um die Dispozinsen zu senken.

Besser schützen will die Regierung neben den Schuldnern künftig auch Immobilienkäufer. So will das Kabinett am Mittwoch strengere Standards für Immobilienkreditverträge verabschieden. Wer sich verschuldet, um ein Eigenheim zu kaufen, soll im Vorfeld umfassender über das Kreditangebot informiert werden. Gleichzeitig werden Banken und andere Darlehensgeber dazu gezwungen, vorm Vertragsabschluss die Kreditwürdigkeit des Kunden zu überprüfen. Das ist in den meisten Instituten zwar die Regel – war bislang aber nicht vorgeschrieben.

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