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Geht an die Reserven. Die Anträge auf Kurzarbeit könnten die Rücklagen der Bundesagentur für Arbeit – hier die Zentrale von Nordrhein-Westfalen – in Höhe von 26 Milliarden Euro komplett aufzehren.

© dpa

Höheres Kurzarbeitergeld nicht in Sicht: Gewerkschaften und SPD können sich nicht durchsetzen

Die Union will sich höchstens auf ein Mindest-Kurzarbeitergeld einlassen - das erreicht aber Facharbeiter und Angestellte nicht.

Bei der letzten Sitzung des Corona-Kabinetts kurz vor Ostern hat es Hubertus Heil noch mal versucht: Jetzt, nachdem man sich in der EU über einen 100-Milliarden-Euro-Fonds für Kurzarbeitergeld verständigt habe, könnte man doch das vergleichsweise niedrige Niveau hierzulande anheben, meinte der Arbeitsminister von der SPD. Anstatt 60 Prozent des letzten Nettoeinkommens sollte die Bundesagentur für Arbeit 80 Prozent an die Kurzarbeiter zahlen. Bundesfinanzminister und Parteikollege Olaf Scholz unterstützte das, doch die Vertreter der Union lehnten ab. Wenn überhaupt, dann wollen sich CDU und CSU nur auf ein Mindest-Kurzarbeitergeld einlassen, das für die Bezieher unterer Einkommen gedacht ist. „Wer weniger als 2000 Euro brutto verdient, das sind rund 15 Prozent der Arbeitnehmer in Deutschland, steht mit dem Mindest-KuG besser da“, heißt es in einem Papier der Arbeitnehmergruppe der Bundestagsfraktion der Union.

CDU-Spitzenkandidatin fordert mehr

Susanne Eisenmann, CDU-Kultusministerin in Baden-Württemberg und Spitzenkandidatin für die Landtagswahl 2021, will mehr: Viele Familien könnten aufgrund des geringen Einkommens während der Kurzarbeit mittelfristig ihre Miete nicht bezahlen oder Kredite nicht mehr bedienen. „Ich halte es deshalb für notwendig, das gesetzliche Kurzarbeitergeld übergangsweise auf 80 Prozent vom Nettoeinkommen und für Beschäftigte mit Kind auf 87 Prozent vom Nettoeinkommen aufzustocken“, sagt Eisenmann.

Kritik an der Bundesagentur für Arbeit

Doch selbst Uwe Schummer, Vorsitzender der Arbeitnehmergruppe der Union im Bundestag, ist skeptisch und plädiert für das Mindest-KuG analog zum Mindestlohn. „Der Mindestlohn liegt bei 1620 Euro brutto, das sind etwa 1200 Euro netto, und dieser Betrag würde auch dem Mindest-KuG entsprechen.“ Bedenken der Bundesagentur für Arbeit (BA), die bei derzeit mehr als 700 000 Unternehmensanträgen auf Kurzarbeitergeld nicht auch noch Differenzierungen bei der Höhe des KuG vornehmen könne, weist Schummer zurück. „Auf Unvermögen ausruhen ist kein Konzept“, kritisierte der Unionspolitiker.

Arbeitslosengeld und Kurzarbeitergeld auf gleicher Höhe

CDU und CSU sind aus verschiedenen Gründen gegen eine pauschale Erhöhung des Kurzarbeitergeldes: Die Reserve von 26 Milliarden Euro in der Kasse der BA wäre dann deutlich schneller verbraucht. Und wenn das Kurzarbeitergeld höher liege als das Arbeitslosengeld, das ebenfalls 60 Prozent ausmacht, sei das ungerecht. Wenn schon eine Erhöhung des KuG, dann durch die Arbeitgeber, wie es in weiten Teilen der Industrie über Tarifverträge vereinbart wurde.

Jörg Hofmann, Vorsitzender der IG Metall, befürchtet eine Rezession bis Ende des Jahres in der Industrie.
Jörg Hofmann, Vorsitzender der IG Metall, befürchtet eine Rezession bis Ende des Jahres in der Industrie.

© imago/Jürgen Heinrich

Nach Einschätzung von Jörg Hofmann, Vorsitzender der IG Metall, trägt das indes nur noch ein paar Wochen und keinesfalls über die Rezession, die sich mindestens bis Jahresende ziehe. Die Lieferketten seien defekt, die Absatzmärkte noch lange nicht aufnahmefähig und der Gesundheitsschutz bremse die Hochlaufphase nach dem Ende des Shutdowns. „In der Industrie sind wir in einer länger anhaltenden Rezessionsphase, Hunderttausende Fachkräfte bleiben über Monate in Kurzarbeit“, sagte Hofmann dem Tagesspiegel. Hier könne der Staat nicht einfach den Hebel umlegen, „wie es mit der schrittweisen Aufhebung der Restriktionen im Dienstleistungsbereich möglich ist“. Die IG Metall hat mit den Arbeitgebern der Metallindustrie einen Zuschuss vereinbart, wodurch das Kurzarbeitergeld etwa bis Juni auf rund 80 Prozent angehoben wird. Danach geht es aber für viele Beschäftigte runter auf 60 Prozent.

"Facharbeiter brauchen den Sozialstaat"

„Die Facharbeiter, Angestellten, Techniker brauchen jetzt den Sozialstaat, weil die Tarifbindung lückenhaft und Tarifverträge oft nur die ersten Monate absichern“, sagt Hofmann. Bis Ende des Jahres werde es dauern, „bis wir in der Industrie das Gröbste überstanden“ haben. Ein „V“ im Konjunkturverlauf, nach dem Absturz eine steile Aufwärtsentwicklung, erwartet er nicht. „Die Produktion kann nur schrittweise hochgefahren werden und auch nicht gleich mit den kompletten Mannschaften. Das lässt der Gesundheitsschutz nicht zu.“

Im Gegensatz zum CDU-Mann Schummer hält Hofmann ein Mindestkurzarbeitergeld für „nicht administrierbar, da die Bundesagentur gerade alle Hände voll zu tun hat, um die mehr als 700 000 Anträge von Betrieben auf Kurzarbeit zu bearbeiten“. Schließlich werde mit dem Mindest-KuG „die Mitte der Gesellschaft nicht erreicht“, darunter eben auch die Gewerkschaftsmitglieder in der Industrie. Für den Vorsitzenden der IG Metall und den DGB bleibt deshalb eine flächendeckende Erhöhung des KuG auf 80 Prozent das einfachste und wirkungsvollste Instrument zur „Stabilisierung der Einkommen für die Menschen, die nicht zur Arbeit gehen können“. Aber es ist auch das teuerste Instrument: Wenn bis Ende des Jahres 5,6 Millionen Beschäftigte in Kurzarbeit gingen, und der überwiegende Teil davon auf 100 Prozent, dann würde das nach DGB-Berechnungen alles in allem gut 18 Milliarden Euro kosten – inklusive der Sozialversicherungsbeiträge, die den Arbeitgebern komplett von der BA erstattet werden.

Die Kasse der Bundesagentur wäre bald leer

Steigt die Zahl der Kurzarbeiter aber auf acht Millionen, und das ist derzeit realistischer als die angesetzten 5,6 Millionen, dann würde das rund 28 Milliarden Euro kosten und damit zwei Milliarden mehr als in der BA-Reserve. In dem Fall müsste der BA aus dem Bundeshaushalt ein Darlehen über zwei Milliarden Euro gewährt werden, was angesichts der riesigen Summen, die derzeit vom Staat bereitgestellt werden, kein größeres Problem sein sollte. Meinen jedenfalls die Gewerkschaften. Vor Ende Mai erwarten sie indes kein Entgegenkommen der Union, sondern – wenn überhaupt – als Übergangslösung des Mindest-KuG.

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