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Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Finanzminister Olaf Scholz stellten das neue Programm vor.

© John Macdougall/AFP POOL/dpa

Hilfe für Mittelständler in der Corona-Krise: Schnellere Darlehen, härtere Bedingungen

Höherer Zins, erfolgreiches Geschäft: Wie das neue Schnellkreditprogramm für in Not geratene kleine und mittlere Unternehmen aussieht.

Es hat einige Tage gedauert, bis die Sache zwischen Berlin und Brüssel geregelt war. Man habe lange verhandelt, sagte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) am Montag. Aber mit der Entscheidung des Corona-Kabinetts der Bundesregierung ist nun der Weg frei für eine schnellere staatliche Unterstützung vor allem jener Mittelständler, die wegen der Corona-Krise in Not geraten sind und dringend Liquidität benötigen. Es gibt, wohl von Donnerstag an, die Möglichkeit eines Schnellkreditprogramms speziell für kleine und mittlere Unternehmen. Für diese Kredite haftet der Staat mit hundert Prozent. Das entlastet die Hausbanken bei der Kreditprüfung und die Unternehmen bei der Vorlage ansonsten nötiger Unterlagen.

Vollhaftung ist problematisch

Die Vollhaftung ist aber ein Problem. Einerseits hatte die EU-Kommission beihilferechtliche Bedenken dagegen angemeldet. Andererseits galt sie in der Koalition bisher als zu riskant. Denn eine volle Haftung bei den von der Staatsbank KfW besicherten Krediten birgt die Gefahr, dass die mit der Prüfung beauftragten Hausbanken dazu neigen, auch Kredite zu vergeben, die später möglicherweise faul werden.

Die Banken sollten jedoch als Kontrollinstanz dienen, und dazu war im bisherigen Kreditprogramm, das über die KfW abgewickelt wird, deren Mithaftung in Höhe von zehn Prozent vorgesehen. Bei den Finanzinstituten und in der mittelständischen Wirtschaft gab es direkt nach dem Beschluss vor zwei Wochen massive Kritik – die vorgesehene Eigenhaftung der Hausbanken wurde als Hindernis für eine zügige Hilfe gesehen.

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Kreditdeckel aus Brüssel

Am vorigen Freitag hat die EU-Kommission nachgegeben – sie gestattet nun auch eine komplette Staatshaftung, allerdings nur bis zur Grenze von 800.000 Euro. Blankoschecks wird es in dem neuen Programm für „Schnellkredite“ mit Staatshaftung allerdings nicht geben. „Da die Banken bei diesen Krediten nicht mit im Geschäft sind, haben wir unsere eigenen Kriterien aufgestellt – mit Daten aus der Vergangenheit, die nicht hintergehbar sind“, sagte Scholz.

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Alle Unternehmen, die Kredite ohne Bankenprüfung haben wollen, müssen im Jahr 2019 bereits tätig gewesen sein, entsprechende Umsätze und auch einen Gewinn vorweisen. Es dürfen, so Scholz, keine Insolvenzmaßnahmen laufen oder gegen das Unternehmen beantragt sein. Zudem ist der Zinssatz doppelt so hoch wie bei den Krediten im normalen KfW-Programm – drei Prozent statt 1,5 Prozent.

Laufzeit von zehn Jahren

Die Laufzeit der Kredite soll bei zehn Jahren liegen. Und die Kreditsumme darf drei Monatsumsätze nicht überschreiten. Sie kann zudem nicht höher als die von der EU-Kommission genehmigten 800.000 Euro sein, wenn das Unternehmen mehr als 50 Mitarbeiter hat, und nicht mehr als 500.000 Euro, wenn die Firma kleiner ist. Unternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten haben keinen Zugang zu dem Programm, für sie ist das Soforthilfeprogramm mit den Zuschüssen gedacht, das Bund und Länder gemeinsam anbieten.

Ausfallrisiko in Milliardenhöhe

Durch den Kreditdeckel soll das Ausfallrisiko in Grenzen gehalten werden. Dass die Regierung mit Kreditausfällen rechnet, machte Scholz in der Pressekonferenz mit Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) deutlich: Der Finanzminister geht davon aus, dass für die Haftung insgesamt nicht mehr Geld zur Verfügung gestellt werden muss als im Zuschussprogramm für Solo-Selbstständige und Kleinstunternehmen, für das im Nachtragshaushalt 55 Milliarden Euro vorgesehen sind. Der vom Bund bereitgestellte Kreditrahmen wächst wegen der hohen Nachfrage, welche die Regierung nun erwartet, um 150 Milliarden Euro.

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"Allein zur Überbrückung"

Altmaier machte deutlich, dass die Koalition marktwirtschaftliche Kriterien auch in der Krise nicht aussetzen will. Es gebe zwar weiterhin keine Begrenzung des garantierten Kreditvolumens insgesamt, aber es werde dennoch keinen Übergang zur staatlichen Kreditvergabe geben. „Alles, was wir tun, dient der Überbrückung“, sagte der Wirtschaftsminister.

Das schon auf den Weg gebrachte KfW-Programm mit Bankenhaftung, einem geringeren Zinssatz und Laufzeiten von fünf Jahren wird weiterhin angeboten. Es gibt auch die Möglichkeit, später aus dem Schnellkreditprogramm in dieses Programm zu wechseln. Doch sei es nicht möglich, mit diesem Programm bereits bestehende Kredite abzulösen. Es dient allein der Liquiditätsbeschaffung, nicht der Umschuldung.

Wirtschaft ist zufrieden

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) reagierte mit Zustimmung. „Für unsere mittelständischen Unternehmen ist es überlebenswichtig, schnell und unbürokratisch Kredite zu erhalten. Dafür ist eine hundertprozentige Staatshaftung für eine klar begrenzte Zeit vertretbar“, sagte BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang.

Der Vizevorsitzende der Linken-Fraktion im Bundestag, Fabio de Masi, begrüßte das Programm ebenfalls. Damit werde die Förderlücke für Unternehmen zwischen zehn und 250 Beschäftigten geschlossen.

Noch Gespräche mit EU

Derweil ist ein wesentlicher Teil des Multi-Milliarden-Programms der Bundesregierung mit Brüssel weiterhin ungeklärt. Der Wirtschaftstabilisierungsfonds (WSF), vom Bundeskabinett am 23. März beschlossen und verkündet, ist nach Tagesspiegel-Informationen von der EU-Kommission nach wie vor nicht bestätigt. Auch hier wird nach EU-Beihilferecht geprüft. In der Bundesregierung ist man jedoch zuversichtlich, dass die Gespräche mit der Kommission zügig abgeschlossen werden können. Der WSF ist für größere Unternehmen vorgesehen. Hier sind Kreditermächtigungen von 200 Milliarden Euro vorgesehen, auch für staatliche Beteiligungen, sowie Garantien in Höhe von 400 Milliarden Euro.

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