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Bosch, im Bild die Produktion im bayerischen Immenstadt, ist der größte Autozulieferer der Welt – und bezieht wiederum Teile von anderen Lieferanten.

© Daniel Maurer/dpa

Hilfe für kleine Autozulieferer in der Coronakrise: Frank-Jürgen Weise leitet neuen Beteiligungsfonds

Die Gewerkschaften gehen voran: Mit Startkapital von IG Metall und IG BCE wird ein Fonds für Eigenkapitalhilfen aufgebaut.

Nicht alle Kapitalisten sind böse. Das wissen auch die Gewerkschaften. Es wird viel Kapital von Investoren gebraucht, damit die Wirtschaft die Corona-Folgen bewältigt. IG Metall und IG BCE haben deshalb Geld in die Hand genommen, um privates Kapital für den Mittelstand zu mobilisieren. Der Name ist Programm: Die Best Owner Consulting GmbH (BOG) wird als eine Beteiligungsgesellschaft für den Mittelstand eingerichtet. Vor allem die vielen tausend kleinen Autozulieferer hat die IG Metall im Blick. Die sind schon länger unter Druck im Transformationsprozess der Branche, und nun kündigt sich in der Corona-Rezession für den kommenden Herbst eine Pleitewelle mit Massenkündigungen an.

8000 Arbeitsplätze in Sachsen bedroht

Betroffen sind vor allem die Autoländer Baden-Württemberg und Bayern, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Aber auch Sachsen zählt mit 95 000 Beschäftigten, davon der ganz überwiegende Teil bei mehr als 700 Zulieferern, inzwischen zu den großen Autostandorten.

Nach Schätzungen der IG Metall sind in Sachsen 8000 Arbeitsplätze akut in Gefahr – das ist eine Menge, doch in Baden-Württemberg sind es etwa 50 000. Von den rund 850 000 Beschäftigten der Autohersteller und ihrer Lieferanten arbeitet gut die Hälfte in Baden-Württemberg. Viele Bundesländer haben in diesen Wochen eigenständige Fonds in Planung, die vor allem beim Eigenkapital ansetzen. Mit einer Milliarde Euro ist der Topf in Baden-Württemberg besonders groß.

IG Metall als Geburtshelfer

Parallel zu den Bemühungen der Politik hat der IG Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann mit ein paar hunderttausend Euro aus der Gewerkschaftskasse und einem etwas kleineren Zuschuss von der IG BCE die BOG auf die Beine gestellt. „Wir sind Geburtshelfer“, sagte Hofmann dem Tagesspiegel. Um das eigentliche Geschäft kümmern sich zwei Prominente: Frank-Jürgen Weise, ehemals Chef der Bundesagentur für Arbeit und des Bundesamtes für Migration, leitet die BOG mit Bernd Bohr, der einst die Kraftfahrzeugsparte von Bosch führte und sich im Zuliefergeschäft auskennt.

Die erste Aufgabe des Duos: Geld auftreiben. Und zwar nicht nur bei Vermögenverwaltern und Fonds, die mit ihrem Investment die Industrie stützen wollen, sondern auch in der Industrie selbst. Weise und Bohr besuchen auf ihrer Roadshow Autohersteller und große Zulieferer. Das Kalkül: Die Konzerne brauchen stabile Lieferketten und zahlen deshalb Geld in den BOG-Topf, den die Initiatoren mit mindestens 500 Millionen Euro füllen möchten.

Rezession und gleichzeitig Transformation

Bereits im vergangenen Jahr hatte die IG Metall Arbeitsgruppen auch mit Investmentbankern initiiert, um Hilfsinstrumente für die vielen tausend kleinen und mittelgroßen Betriebe zu entwickeln, die im Strukturwandel der Autoindustrie Liquiditätsprobleme haben, weil Kreditinstitute der Branche zunehmend misstrauen. Doch es geht Jörg Hofmann und dem IG BCE-Vorsitzenden Michael Vassiliadis nicht allein um Geld.

Viele KMU wissen nicht so recht, wie sie sich auf Digitalisierung und Dekarbonisierung einstellen sollen. Ein Know- how-Transfer und Managementunterstützung im Transformationsprozess wären hilfreich. Doch vorrangig geht es wegen Corona und der eingebrochen Nachfrage in diesen Monaten um Liquidität. Ob sich ein kleiner Familienbetrieb auf der Schwäbischen Alb Beteiligungskapital ins Haus holt, ist indes zweifelhaft. Der BOG soll deshalb auch Firmenanleihen zeichnen und über diesen Weg den Unternehmen Kapital zu verträglichen Konditionen zukommen lassen.

Weise wirbt Investoren auf Roadshow

Nach der Sommerpause geht der neue Fonds an den Start, und das Duo Weise/Bohr soll bis dahin ergänzt werden um Investmentbanker, denen der Umgang mit Risikokapital vertraut ist. Mit den ersten zwei oder drei Referenzprojekten im Frühherbst könnte der BOG dann Aufmerksamkeit und weiteres Kapital generieren. Geld gibt es jedenfalls genug – bei Vermögensverwaltern, in Family Offices und Privat Equity Fonds.

Frank-Jürgen Weise macht sich jetzt auf die Suche nach Investoren.
Frank-Jürgen Weise macht sich jetzt auf die Suche nach Investoren.

© imago

Die Zeit drängt, denn es wird eine Insolvenzwelle im Zuliefererbereich befürchtet wie zuletzt 1993/94. Vor allem in Baden-Württemberg. Voraussichtlich am 28. Juli, dem letzten Sitzungstag vor der Sommerpause, will der Landtag in Stuttgart einen Beteiligungsfonds über eine Milliarde Euro beschließen.

„Mit Krediten allein werden unsere Unternehmen ihre Engpässe nicht überbrücken können“, sagt die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU). „Sie benötigen auch Eigenkapital, um kreditwürdig zu bleiben.“ Als Instrumente für den baden-württembergischen Landesfonds sind der Erwerb von direkten Beteiligungen und der „Einsatz von hybriden Finanzierungsinstrumenten und Instrumenten mit Eigenkapitalcharakter vorgesehen“. Firmen mit mindestens 50 und maximal 250 Mitarbeitern kommen in- frage. Wenn im Schnitt fünf Millionen Euro fließen, könnten 200 Unternehmen profitieren. Allein in Baden- Württemberg gibt es neben Branchengrößen wie Bosch, ZF und Mahle weit über tausend weitere Zulieferer.

Beteiligungsfonds in den Autoländern

Bayern und NRW stellen jeweils 300 Millionen Euro zur Verfügung. Im Freistaat gibt es 235 Zulieferer mit mehr als 20 Beschäftigten, in Nordrhein-Westfalen um die 700. Überall prägt die hohe Wertschöpfungstiefe die Branche, die von der Grundlagenforschung über Schrauben- und Motorfertigung, Werkstoffexpertise und Designkompetenz viele Wirtschaftsbereiche umfasst.

So sind allein im Cluster Automotive in Bayern mehr als 600 Unternehmen aktiv. Der Freistaat fördert mit einem neuen Transformationsfonds „die Umstellung auf ein verändertes Geschäftsmodell“, wie es im Münchener Wirtschaftsministerium heißt. Die Beteiligung erfolgt zusammen mit einem privaten Investor und kann bis zu zehn Millionen Euro aus dem Landeshaushalt umfassen.

Konjunkturimpulse weiter gefragt

Das wird helfen. Doch wichtiger ist jedoch eine anziehende Nachfrage. Auch der deutsche Markt muss in Schwung kommen. Verkaufsprämien für E-Autos und Hybride, die alles in allem ein Zehntel des Marktes abdecken, geben nur einen begrenzten Impuls. Gewerkschafter und Politiker tüfteln deshalb an anderen Maßnahmen, die auf keinen Fall Ähnlichkeit mit der Abwrackprämie haben dürfen. Nach der Sommerpause werden entsprechende Vorschläge erwartet.

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