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EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker

© Reuters/Christian Hartmann

Handelsstreit zwischen EU und USA: Was Juncker bei Trump erreichen will

EU-Kommissionschef Juncker reist wegen des Streits um Strafzölle in die USA. Juncker hat mehrere Optionen für die Gespräche mit US-Präsident Trump. Fragen und Antworten zum Thema.

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström haben eine klare Mission. Wenn die beiden am Mittwoch von US-Präsident Donald Trump empfangen werden, wollen sie eine weitere Eskalation im Handelsstreit mit den USA vermeiden. Statt dessen will Juncker im Weißen Haus sondieren, wie sich Trump von seiner aggressiven Handelspolitik abbringen lässt.

Wie geht Trump in das Treffen?

Trump hat damit gedroht, viel höhere Zölle als bisher auf importierte Pkw aus der EU zu erheben. Der US-Präsident hatte von einem Zoll von bis zu 25 Prozent gesprochen, zuletzt war von einer Abgabe von 20 Prozent die Rede. Vor dem Besuch von Juncker und Malmström hat der US-Präsident deutlich gemacht, dass er an seiner Drohung festhält. „Sie werden am 25. Juli kommen, um mit uns zu verhandeln“, sagte er. „Wir haben gesagt, dass es eine gewaltige Vergeltung gibt, wenn wir nicht etwas Faires verhandeln. Wir wollen davon keinen Gebrauch machen, aber wir haben gewaltige Kräfte.“

Derzeit werden Pkws aus den USA in der EU mit einem Importzoll von zehn Prozent belegt. Trump findet das unfair, weil die USA für Autos aus der EU nur einen Zoll von 2,5 Prozent erheben. „Sie schicken uns ihren Mercedes, wir können unsere Autos nicht einführen“, lautet sein Lamento. Damit ist klar, welches Land in erster Linie im Fokus der angedrohten Importzölle steht: Deutschland.

Allerdings erwähnt der amerikanische Präsident mehrere Dinge in seiner Rechnung nicht. Zum einen unterschlägt er, dass die USA bei Nutzfahrzeugen weit höhere Importzölle erheben als umgekehrt die EU: In der Europäischen Union liegt der Zoll für Trucks und Pick-Ups nur bei 14 Prozent, während es in den USA 25 Prozent sind. Zudem wären US-Verbraucher in jedem Fall betroffen, wenn Trump tatsächlich einen erhöhten Autozoll erheben sollte – und zwar unabhängig davon, ob sie einen Importwagen aus Europa oder ein in den USA hergestelltes Fahrzeug kaufen. So berichtete der US-Sender CNBC über eine Studie des Washingtoner Think Tank „Peterson Institute for International Economics“, der zufolge auch die Preise für US-Pkws bei der Einführung der neuen Zölle erheblich in die Höhe gehen würden. So dürfte beispielsweise der von General Motors hergestellte „Chevrolet Cruze“, der normalerweise 16381 Dollar kostet, um 2140 Dollar teurer werden, wenn der Zollaufschlag komplett an die Verbraucher weitergegeben würde. Der Grund: Die aus der EU eingeführten Komponenten, die in vielen US-Autos verbaut werden, wären von Trumps Zöllen ebenfalls betroffen.

Wann könnte Trump die Strafzölle auf Autos verhängen?

Frühestens Ende des Monats kann Trump eine Entscheidung über die Pkw-Zölle treffen. Zuletzt traten die Verantwortlichen in den USA allerdings auf die Bremse: Nach der Einschätzung von Handelsminister Wilbur Ross ist es noch „zu früh“ für eine Entscheidung. Ross erklärte, dass die Regierung derzeit noch prüfe, ob die Zölle mit der Begründung eingeführt werden könnten, dass der Schutz der US-Autoindustrie aus Gründen der „nationalen Sicherheit“ unabdingbar sei. Allerdings wirkt eine derartige Argumentation fadenscheinig: Der EU-Botschafter in Washington, David O’Sullivan, bezeichnete die Vorstellung, dass Pkw-Importe von „engsten Verbündeten“ in die USA ein Sicherheitsrisiko darstellen könnten, als „absurd“.

Auch in den USA wächst inzwischen die Kritik an Trumps Zoll-Drohung. Im Kongress unterzeichneten 150 Abgeordneten einen parteiübergreifenden Appell an die US-Regierung, dem zufolge Trump seine Pläne fallen lassen soll. Auch die Automobilindustrie auf beiden Seiten des Atlantiks weist den Präsidenten eindringlich auf die Folgen einer möglichen Strafaktion gegen europäische Autobauer hin. So hieß es in einer Erklärung von General Motors, des größten Autoherstellers in den USA, dass die Zölle „weniger – nicht mehr – US-Jobs“ bedeuten würden.

Was schwebt der EU und Kommissionschef Juncker vor?

Juncker reist nicht nach Washington, um mit Trump zu verhandeln. Das liegt auch auf der bisherigen Linie der EU-Kommission, die schon vor der Verhängung der Schutzzölle auf europäische Stahl- und Aluminiumimporte im Juni betont hat, man wolle nicht mit der Pistole an der Schläfe verhandeln. Vielmehr will Juncker sondieren, ob sich Trump – sofern er die Drohung der Strafzölle fallen lassen würde – auf Handelsgespräche einlassen könnte. Dabei hat Juncker mehrere Optionen im Gepäck. Zum einen könnte er Trump ein so genanntes plurilaterales Abkommen anbieten, das für den Autosektor gelten würde. Ein solches Abkommen, mit dem Trump die aus seiner Sicht ungerechte Verteilung der Pkw-Zölle auf beiden Seiten des Atlantiks vom Tisch bekommen könnte, würde mehrere Seiten umfassen – also nicht allein die EU und die USA. Japan, China, Südkorea und eventuell auch Mexiko würden bei einem solchen Abkommen ebenfalls dabei sein.

Junckers zweite Option, die er mit Trump sondieren könnte, besteht in einem Industriegüterabkommen zur Zollsenkung zwischen den USA und der EU. Ein solches Abkommen würde über den Autosektor hinausgehen und könnte dazu führen, dass die gegenseitigen Zölle für einige Industriegüter ganz abgeschafft werden.

US-Finanzminister Steve Mnuchin zeigte sich am Wochenende offen für ein Handelsabkommen mit der EU. „Unser Ziel ist ein freier, offener und ausgeglichener Handel“, sagte er am Wochenende beim Treffen der G20-Finanzminister und Notenbankchefs in Buenos Aires.

Dass Juncker überhaupt Vorschläge mit nach Washington bringt, die ein Abrücken Trumps von seiner aggressiven Handelspolitik mit sich bringen könnten, geht auf den Druck der Bundesregierung zurück. Im Vorfeld der Reise hatte dagegen Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire der „Financial Times“ gesagt, dass man Trump nicht vorschnell ein internationales Abkommen mit Nationen wie Japan und Südkorea anbieten dürfe. Ein solcher Deal, warnte Le Maire, könnte „mehr Schaden als Nutzen“ anrichten. Die Warnung des Pariser Wirtschaftsministers hat ihren Grund: Frankreichs Autobauer hätten voraussichtlich unter einer zunehmenden Konkurrenz aus Fernost mehr zu leiden als die deutschen Pkw-Hersteller.

In der Hinterhand hat die EU allerdings auch die Drohung, ihrerseits neue Strafzölle auf US-Produkte zu verhängen. Als der US-Präsident im Juni Strafzölle auf Stahl und Aluminium aus der EU bekanntgab, reagierte die Europäische Union mit Gegenzöllen auf Produkte wie Whiskey, Orangensaft, Jeans und Motorräder. Falls Trump den Handelskrieg auf den Automobilsektor ausweiten würde, hätte dies weit gravierendere Folgen. Die „Wirtschaftswoche“ hatte berichtet, dass die EU in diesem Fall mit Strafzöllen bei Kohle sowie Pharma- und Chemieprodukten antworten könnte.

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Wie ist das Verhältnis zwischen Trump und Juncker?

Zu Beginn seiner Amtszeit hatte Trump etwas Mühe, das Brüsseler Spitzenpersonal der EU richtig auseinanderzuhalten. Er verwechselte in einem Interview Juncker mit dem EU-Ratspräsidenten Donald Tusk. Seither hat der US-Präsident die Möglichkeit gehabt, Juncker persönlich kennenzulernen. Beim letzten Treffen, dem G-7-Gipfel im Juni in Kanada, nannte der US-Präsident den Chef der Brüsseler Behörde einen „guten Kerl“. In typischer Trump-Manier bezeichnete er Juncker wegen der scharfen Kartellstrafen der Kommission gegen US-Unternehmen aber auch einen „brutalen Killer“. Juncker äußerte sich dagegen mit Blick auf den US-Präsidenten weitgehend diplomatisch. Allerdings wurde er in der vergangenen Woche recht deutlich: Die Versuche Trumps, die EU zu spalten, seien „vergeblich“, sagte er. Wie Juncker die transatlantischen Beziehungen im Detail sieht, will er am Mittwoch in einer Rede an der Washingtoner Denkfabrik „Centre for Strategic and International Studies“ (CSIS) darlegen.

Hält die Einigkeit der EU-Staaten gegenüber dem US-Präsidenten?

Da die EU für die Handelspolitik zuständig ist, liegt es in der Natur der Sache, dass Juncker als oberster Vertreter der Europäischen Union die hiesigen Interessen bei dem Gespräch im Weißen Haus vertritt. In Deutschland und Frankreich gibt es durchaus eine unterschiedliche Lesart der Auseinandersetzung mit Trump: In der französischen Regierung ist angesichts der Versuche Trumps, die EU zu spalten, bereits von einem „Handelskrieg“ die Rede. Die Bundesregierung lässt es ihrerseits zwar mit Blick auf Trump an rhetorischer Schärfe fehlen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gab aber am vergangenen Freitag einen deutlichen Hinweis darauf, dass sich die EU bei aller Sorge um die drohenden Autozölle nicht auseinanderdividieren lassen will. Falls Trump tatsächlich die Strafzölle auf Autos verhängen soll, dann werde die EU zu Gegenmaßnahmen greifen, kündigte die Kanzlerin an.

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