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Donald Trump begrüßt Angela Merkel am Weißen Haus.

© REUTERS/Brian Snyder

Update

Handelsstreit um Stahlzölle: Trumps Beschluss verlängert nur die Unsicherheit

Die Fristverlängerung im Handelsstreit ist kein Etappensieg für die EU. Das Problem: Ausgerechnet Deutschland und Frankreich ziehen nicht an einem Strang.

Es herrscht weitgehend Katerstimmung am Tag nach dem Beschluss des US-Präsidenten, die Entscheidung über Schutzzölle für Stahl und Aluminium aus Europa einen weiteren Monat zu vertagen. Viele hätten sich klare Verhältnisse gewünscht. Die für die Handelspolitik zuständige EU-Kommission reagiert kühl auf die Ankündigung von Donald Trump. „Die US-Entscheidung verlängert die Unsicherheit an den Märkten, die schon jetzt Folgen für die Entscheidungen von Investoren hatte“, teilte die Kommission mit. Trump hatte vier Stunden vor Auslaufen der Frist bekannt gegeben, dass Europa, Mexiko und Kanada von den zusätzlichen Zöllen von 25 Prozent auf Stahl und zehn Prozent auf Aluminium noch bis zum 1. Juni ausgenommen bleiben.

Handelskommissarin Malmström hatte bis zuletzt verhandelt

„Die EU sollte komplett und dauerhaft von diesen Maßnahmen ausgenommen werden, weil diese unter dem Vorwand der nationalen Sicherheit nicht zu rechtfertigen sind“, teilte die Kommission mit. Im Umfeld der US-Regierung hieß es, eine weitere Fristverlängerung über den 1. Juni hinaus werde es nicht geben.

Trumps Sprecherin Sarah Sanders erklärte am Dienstag, die US-Regierung habe die Ausnahmeregelung verlängert, weil man Fortschritte bei den Gesprächen gesehen habe. „Wir haben 30 Tage Zeit, um die Verhandlungen fortzuführen, und hoffen, dass wir etwas bekommen, was für alle funktioniert“, sagte sie.

EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström hatte bis zuletzt mit US-Handelsminister Wilbur Ross verhandelt, um eine dauerhafte Ausnahme für die EU zu erreichen. Was die Verhandlungsführung angeht, hat sie dabei die Rückendeckung der Bundesregierung, wie man aus Kreisen derselben hört. Das Problem sei eher, dass die beiden größten EU-Mitgliedsstaaten nicht an einem gemeinsamen Strang zögen.

Konkret gibt es Differenzen zwischen Paris und Berlin über die Strategie für die weiteren Verhandlungen mit den USA. Während Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bei ihrem Besuch in Washington kürzlich Verhandlungen mit den USA über eine Senkung der Industriezölle angeregt hat, pocht Frankreichs Präsident Emmanuel Macron offenbar darauf, dass auch die Agrar- und Klimapolitik einzubeziehen seien. EU-Haushaltskommissar und Merkels Parteifreund Günther Oettinger verteidigte die Kanzlerin gegen die Kritik, sie sei mit ihrem Besuch in Washington vorgeprescht und mische sich in die Handelsagenda ein, die in die alleinige Kompetenz der EU fällt.

Oettinger verteidigt Merkel gegen Kritik

„Länder, die wirtschaftlich stark vom Export abhängig sind wie Deutschland, haben besondere Sorgen und Interessen“, sagte Oettinger in Brüssel. „Merkel hat in Washington immer wieder betont, dass die Federführung und rechtliche Verantwortung für die Handelspolitik bei der EU liegt.“ Zudem verwies er darauf, dass die Regierungen der Mitgliedstaaten über den Ministerrat und über den Europäischen Rat sehr wohl über die EU-Handelspolitik mitentschieden. Oettinger rief dazu auf, „die Fristverlängerung für Verhandlungen zu nutzen“.

Der Chef des Handelsausschusses im Europaparlament, Bernd Lange (SPD), mahnt die Kommission dabei zu Härte: „Die EU wird sich nicht auf schmutzige Geschäfte aufgrund von Erpressung einlassen.“ Trumps Abschottungszölle müssten international geächtet werden.

Die EU will gegen Trumps Schutzzölle Protest bei der Welthandelsorganisation WTO einlegen und im Gegenzug ihrerseits US-Importe mit höheren Zöllen belegen. Bis zu einer abschließenden Klärung über die Rechtmäßigkeit der Zölle könnten aber Jahre vergehen.

Spitzenverbände hoffen auf Abwendung der Strafzölle

Bei den Spitzenverbänden der Deutschen Wirtschaft hofft man, dass dieses Szenario noch abgewendet werden kann. „Die verlängerten Ausnahmen täuschen nicht darüber hinweg, dass sich die USA über globale Handelsregeln hinwegsetzen, die sie einst mit initiiert haben. Dagegen muss die EU Zeichen setzen, ohne den Konflikt weiter zu eskalieren“, sagte Eric Schweitzer, Präsident des DIHK in Berlin. Daher müsse die EU jetzt enger zusammenrücken und ihre Interessen verteidigen, „auch mit Blick auf weitere Maßnahmen, die die USA aus der protektionistischen Mottenkiste ziehen könnten“.

Bei der Wirtschaftsvereinigung Stahl hieß es, erste Tendenzen der befürchteten Umlenkungen von Handelsströmen in die EU seien bereits zu erkennen. Die EU-Kommission müsse jetzt rasch für die Umsetzung der eingeleiteten Schutzklausel-Maßnahmen sorgen, erklärte Verbandschef Hans Jürgen Kerkhoff. „Sonst tragen wir in Europa die Last des Protektionismus der USA und deren Wirtschaftspolitik.“

Handelssystem erlebe „schwerste Krise seit Jahrzehnten"

Clemens Fuest, der Präsident des Ifo-Instituts in München, warnte derweil vor den Folgen einer Eskalation für die Weltwirtschaft. Zwar wären selbst Strafzölle auf alle Exporte in die USA für Deutschland „verschmerzbar“. Doch „wirklich bedrohlich wird es, wenn mehrere Länder in den Handelskrieg hineingezogen werden, zum Beispiel China. Dann wäre unser Wohlstand in der Tat in Gefahr“, sagte Fuest dem „Handelsblatt“.

Laut Fuest erlebt das internationale Handelssystem zurzeit „die schwerste Krise seit Jahrzehnten“. Daran sei die EU nicht unschuldig. Der getrennte Besuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron und von Bundeskanzlerin Angela Merkel beim US-Präsidenten direkt nacheinander sei „unglücklich“ gewesen, meinte Fuest. „Die EU sollte stärker mit einer Stimme sprechen.“

Auf diesen Punkt wiesen auch die Grünen im EU-Parlament hin. „Wir sind der festen Überzeugung, dass Europas Arbeitnehmern, Verbrauchern und Unternehmen besser gedient ist, wenn europäische Interessen durch die Europäische Kommission mit einer Stimme und unter der Kontrolle von Rat und Parlament vertreten werden und nicht durch Mitgliedstaaten, die sich sogar offen widersprechen. So wie es in den europäischen Verträgen vorgesehen ist“, schrieben Yannick Jadot und Sven Giegold, die Sprecher für Handels-, Wirtschafts- und Währungsfragen in einer Erklärung. (mit dpa)

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