zum Hauptinhalt
Zweifel am Pakt: Die EU-Staaten sehen Brasiliens Regenwald-Politik kritisch.

© dpa

Handel mit Südamerika: Amazonas-Abholzung könnte das Mercosur-Abkommen scheitern lassen

Merkel ist schon länger kritisch, jetzt geht auch der EU-Handelschef auf Distanz. Eigentlich sollten 91 Prozent der Zölle wegfallen.

Die Umsetzung des Handelsabkommens der EU mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten wird zusehends unsicher. Bundeskanzlerin Angels Merkel (CDU) war Ende letzter Woche auf Distanz gegangen. Nun pflichtet ihr auch der Chef des Handelsausschusses im Europaparlament, Bernd Lange (SPD), bei.

Lange sagte dem Tagesspiegel: „Es ist wichtig, mit den Mercosur-Staaten ins Gespräch zu kommen, aber im Augenblick ist es richtig, das Abkommen im Kühlschrank zu lassen.“ Das Abkommen zwischen der EU einerseits und Argentinien, Brasilien, Uruguay und Paraguay andererseits enthalte zwar gute Passagen zur Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens, einer nachhaltigen Forstwirtschaft und einem Schutz von Arbeitnehmerrechten.

„Es ist aber schon jetzt absehbar, dass sich etwa Brasilien nicht an die Bestimmungen halten will", so Lange. „Es wäre absurd, ein Abkommen anzufassen, von dem schon jetzt klar ist, dass ein Partner sich nicht daran halten will.“

Abholzung des Regenwaldes weckt Zweifel

Regierungssprecher Steffen Seibert hatte erklärt, angesichts der fortschreitenden Abholzung der tropischen Regenwälder in Brasilien habe Merkel „erhebliche Zweifel“. In dem Zusammenhang stellten sich ernsthafte Bedenken, „ob eine Umsetzung des Abkommens in dem intendierten Geist gewährleistet wäre“, so Seibert. Vor Merkel hatten bereits Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) sowie Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) Widerstand signalisiert. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hält an dem Abkommen fest.

Das Abkommen ist ausverhandelt. Der Text wird gerade übersetzt und soll Ende Oktober vorliegen. Mit dem Abkommen wollen beide Seiten die größte Freihandelszone der Welt aufbauen. Doch: Von August 2019 bis Juli 2020 sind im brasilianischen Amazonasgebiet nach ersten Daten des dortigen Nationalen Instituts für Weltraumforschung mehr als 9000 Quadratkilometer Regenwald abgeholzt worden – eine Steigerung um 35 Prozent.

Auch Frankreich und Irland zweifeln

Es gibt nicht nur in Deutschland immer stärkere Vorbehalte: Auch die Regierungen von Frankreich und Irland üben Kritik, die Niederlande und Österreich rücken von dem Abkommen immer mehr ab. Derzeit würde das Handelsabkommen nicht einmal eine Mehrheit im Rat der Handelsminister der 27 EU-Staaten erzielen. Dies ist aber die Voraussetzung dafür, dass das Abkommen von der EU-Kommission unterschrieben wird. Da es sich um ein gemischtes Abkommen handelt, müsste es danach eine Mehrheit im Europaparlament bekommen, bevor es von den EU-Staaten ratifiziert wird.

[Mit dem Newsletter „Twenty/Twenty“ begleiten unsere US-Experten Sie jeden Donnerstag auf dem Weg zur Präsidentschaftswahl. Hier geht es zur kostenlosen Anmeldung: tagesspiegel.de/twentytwenty.]

Lange sieht derzeit keine Mehrheit für das Abkommen im Europaparlament. Die Grünen lehnen Handelsabkommen ohnehin ab, die Christdemokraten sind gespalten. Lange macht sich dafür stark, Mercosur mit einem detaillierten Umsetzungsplan zu retten. Die Mercosur-Staaten würden sich damit konkret auf Klimaschutzmaßnahmen verpflichten. „Auf Druck des Europaparlaments haben wir so etwas auch im Fall von Vietnam durchgesetzt. Doch Brasilien weigert sich standhaft, und auch die Regierung von Argentinien wird etwa bei Zollfragen immer skeptischer.“

91 Prozent der Zölle fallen weg

Unternehmen aus der EU exportieren schon jetzt Waren im Wert von 45 Milliarden Euro im Jahr in die südamerikanischen Länder. Die Importe aus der Zone beliefen sich zuletzt auf 43 Milliarden Euro. Die Dienstleistungen von EU-Unternehmen vor Ort summierten sich auf 23 Milliarden Euro und waren damit mehr als doppelt so hoch wie die Dienstleistungen von südamerikanischen Unternehmen in der EU.

Wenn das Abkommen in Kraft tritt, sollen 91 Prozent der Zölle abgeschafft werden, es gäbe eine gemeinsame Freihandelszone von 260 Millionen Verbrauchern in Lateinamerika und 460 Millionen Verbrauchern in der EU. Unternehmen aus der EU würden Zölle in Höhe von vier Milliarden Euro einsparen. Derzeit belegen die Mercosur-Staaten etwa Autos aus der EU mit Zöllen in Höhe von 35 Prozent, auf Autoteile sind Zölle von 14 bis 18 Prozent fällig, auf Maschinen aus der EU von bis zu 20 Prozent. Im Umweltschutzkapitel verpflichten sich beide Seiten dazu, das Pariser Klimaschutzabkommen umzusetzen. Und: Man werde gegen die Abholzung des Regenwaldes vorgehen.

Protest gegen die wachsenden Vorbehalte der Politik kommen aus der Wirtschaft. Der Chef des Branchenverbandes VDMA, Thilo Brodtmann, sagte: „Das Mercosur-Abkommen muss kommen.“ Nur mit dem Abkommen werde es der EU gelingen, politischen Druck zum Thema Abholzung des Regenwalds auf den brasilianischen Präsidenten Bolsonaro auszuüben. „Es ist besser, mit dem Land im Dialog zu bleiben, als das Land sich selbst zu überlassen oder es in die Arme Chinas zu treiben.“ Auch die europäischen Unternehmen würden ihren Beitrag leisten: „Sie werden mit den brasilianischen Lieferanten vereinbaren, dass die Produkte nicht von frisch geschlagenen Regenwaldflächen stammen“, sagte Lange weiter.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false