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Protest: Ende des Jahres demonstrierten Bauern gegen die Butterpreissenkung.

© dpa

Grüne Woche beginnt: Wenn Bauern zu sehr auf den Weltmarkt schauen

Die Bauern wollen mehr Geld für Fleisch und Milch. Doch am Preisverfall sind auch sie schuld. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Heike Jahberg

Dieses Mal ist alles anders: keine Kälbchen, keine Currywurst, die Grüne Woche findet wegen der Corona-Pandemie nur im Internet statt. Und auch die Großdemo von Treckern und Demonstranten, die sonst anlässlich der Messe Berlins Mitte lahm legt, ist in diesem Jahr deutlich bescheidener ausgefallen.

Demopause haben die Traktoren dennoch nicht. Statt nach Berlin rollen sie vor die Auslieferungslager von Edeka, Rewe, Lidl und Aldi, um Rabbatz zu machen. Die Bauern wollen mehr Geld für ihre Ware. Fleisch oder Milch dürfen nicht länger verschleudert werden, sagen sie.

Unterstützt werden sie von Agrarministerin Klöckner, die dem Handel Preistreiberei auf Kosten der Landwirte vorwirft und sich mit gesetzlichen Verboten für unfaire Geschäftspraktiken der Händler gegenüber den Bauern profilieren will.

Billigware: Fleisch wird verschleudert.
Billigware: Fleisch wird verschleudert.

© picture alliance/dpa

Das Manöver ist so durchsichtig wie wirkungslos. Es soll der CDU die Sympathien der einstigen Kernwählerschaft zurückgewinnen, doch das wird nicht funktionieren.

Viele Bauern fühlen sich von der Politik im Stich gelassen. Sie klagen darüber, dass ihnen schärfere Umweltvorschriften für Dünger- und Pestizideinsatz das Leben schwer machen und die Produktion verteuern. Immer mehr Landwirte radikalisieren sich, viele junge Leute trauen sich nicht, den Hof ihrer Eltern zu übernehmen.

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Doch an der Misere ist nicht nur der Handel schuld. Der Fehler liegt im System. Seit Jahren arbeiten deutsche Landwirte weniger für ihren Heimatmarkt als für die Welt. In der EU ist Deutschland der größte Produzent von Schweinefleisch und Milch. Deutsche Landwirte produzieren 16 Prozent mehr als hierzulande konsumiert werden. Um im globalen Wettbewerb mithalten zu können, zählt vor allem eines: der Preis.

Hauptsache billig? Das ist der falsche Weg

Doch die vermeintlichen Billigpreise sind in Wahrheit hoch. In den Ställen stauen sich die schlachtreifen Schweine, weil China wegen der Afrikanischen Schweinepest kein deutsches Schweinefleisch mehr kauft, auch in den riesigen Tierfabriken in Niedersachen und NRW.

Während die Tiere dort auf den Transport zum Schlachthof warten, vergiftet ihre Gülle das Grundwasser in der Region. Großschlachter wie Tönnies dominieren den Markt. Fällt ein Rädchen aus, weil Corona Schlachthöfe lahmlegt oder China die Grenzen schließt, fährt das System vor die Wand. Den Schaden haben die Bauern.

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Es geht um die Wurst, und es ist höchste Zeit umzusteuern: Qualität statt Quantität. Bauern und Bäuerinnen müssen nachhaltig wirtschaften. Das schont die Umwelt und die wichtigste Ressource der Landwirte, den Boden. Das ermöglicht auch höhere, profitable Preise.

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Weniger ist mehr. Weniger Tiere im Stall für mehr Tierwohl und weniger, aber besseres, Fleisch auf unseren Tellern, so sieht die Zukunft aus. Vielleicht braucht es dazu tatsächlich eine Fleischabgabe, die das Schnitzel teurer macht, auf jeden Fall aber mehr Aufklärung.

Eine klare Kennzeichnung im Laden, die uns hilft, die bessere Wahl zu treffen, Ernährungsbildung in der Schule, damit unsere Kinder lernen, dass ein Huhn nicht nur aus Chicken Wings besteht. Flankiert werden muss das durch die Umschichtung der staatlichen Fördermilliarden: mehr Geld für Höfe, die nachhaltig produzieren.

Denn auch das hat Corona gezeigt: In Krisenzeiten ist es gut, wenn unser Essen nicht aus Wuhan, sondern aus Werder kommt.

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