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Behälter mit dem Unkrautvernichter Roundup stehen in einem Verkaufsregal

© dpa/AP/Haven Daley

Update

Glyphosat-Prozess in den USA: Bayer-Tochter muss krebskrankem Kläger 80 Millionen Dollar zahlen

Der Zukauf von Monsanto wird für Bayer zum immer größeren Risiko. Die Aktie fällt vorübergehend auf Sieben-Jahres-Tief.

Die Reaktion der Konzernspitze war eindeutig: „Bayer ist über das Urteil der Jury tief enttäuscht“, ließ der deutsche Traditionskonzern noch in der Nacht zu Donnerstag wissen. Zuvor hatte die Geschworenenjury des Bezirksgerichts in San Francisco dem Rentner Edwin Hardeman 80,3 Millionen Dollar (71,4 Millionen Euro) an Schadensersatz zugesprochen. Die Jury-Mitglieder glauben, dass die Bayer-Tochter Monsanto für den Lymphdrüsenkrebs des 70-Jährigen verantwortlich ist. Hardeman hatte in seinem Garten das Glyphosathaltige Unkrautvernichtungsmittel Roundup eingesetzt und macht den Glyphosat-Hersteller Monsanto für seine Krankheit verantwortlich.

Für den Bayer-Konzern, der Monsanto im vergangenen August übernommen hatte, ist das die zweite Schlappe vor einem US-Gericht. Bereits im vergangenen Jahr hatte eine Geschworenenjury dem Krebspatienten Dewayne Johnson 289 Millionen Dollar Schadensersatz zugesprochen. Die Richterin hatte die Strafe zwar später auf gut 79 Millionen Dollar gesenkt, die Verurteilung im Grundsatz aber bestehen lassen. Bayer hat Berufung eingelegt und wird das auch im Hardeman-Verfahren tun.

Dass Bayer erneut den Kürzeren ziehen würde, hatte sich bereits in der vergangenen Woche abgezeichnet. Da hatte die Jury grundsätzlich geurteilt, dass ihrer Meinung nach Glyphosat Krebs erzeugt – eine Feststellung, der Bayer heftig widerspricht. Im zweiten Teil des Verfahrens, das jetzt abgeschlossen worden ist, ging es nur noch um die Haftungsfrage und die Höhe der Entschädigung. Die Hardeman zugesprochenen 80,3 Millionen Dollar setzen sich zusammen aus 5,3 Millionen Dollar regulärem Schadensersatz und 75 Millionen Dollar Strafschadensersatz, der im US-Recht zusätzlich verhängt werden kann.

Für Bayer ist die erneute Niederlage auch deshalb eine Enttäuschung, weil es sich bei dem Hardeman-Prozess um einen „Bellwether Case“ handelt. Diese Musterverfahren sollen den Streitparteien Anhaltspunkte dafür geben, in welche Richtung die Gerichte entscheiden und um welche Schadensersatzhöhen es geht. In den USA klagen inzwischen mehr als 11200 Menschen wegen Glyphosat gegen Bayer, allein beim Bezirksrichter Vince Chhabria in San Francisco, der für den Hardeman-Fall verantwortlich war, sind mehrere Hundert Klagen von Bauern, Gärtnern und Verbrauchern gebündelt.

Bayer hofft nun auf die Berufungsinstanz. Denn dort entscheiden keine Geschworenenjurys mehr, sondern Berufsrichter. Und diese dürften sich womöglich eher von dem umfangreichen wissenschaftlichen Material beeindrucken lassen, das Bayer gesammelt hat, als die eher emotional urteilenden Geschworenen. Tatsächlich kann sich der Dax-Konzern auf mehr als 800 Studien berufen, die Glyphosat bescheinigen, bei sachgemäßer Verwendung sicher zu sein. Sämtliche Zulassungsbehörden – auch das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung – gehen davon aus, dass der Wirkstoff sicher ist. Einzig die Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation WHO hält Glyphosat für „wahrscheinlich krebserregend“.

Für die Bayer-Aktie ist der Streit um Monsanto bislang ein einziges Desaster. Das Papier hatte nach dem Zwischenurteil der Jury in der vergangenen Woche bereits elf Prozent an Wert verloren, seit der Übernahme von Monsanto hat sich der Börsenwert von Bayer um mehr als 30 Milliarden Euro verringert. Am Donnerstag ging es weiter bergab. Die Aktie verlor bis zu 3,3 Prozent und sank auf ein Sieben-Jahres-Tief. Im weiteren Verlauf konnte sie sich jedoch wieder erholen.

An der Börse ist der deutsche Traditionskonzern, der Schering übernommen hatte und in Berlin jetzt noch rund 5200 Menschen beschäftigt, nur noch 51 Milliarden Euro wert und damit weniger als die 56 Milliarden Euro, die sich die Leverkusener den Kauf von Monsanto haben kosten lassen. Der Monsanto-Deal war die teuerste Übernahme, die ein deutsches Unternehmen jemals gemacht hatte.

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Glyphosat ist das meistverkaufte Unkrautvernichtungsmittel der Welt. Auf europäischer Ebene ist der Wirkstoff bis zum Jahr 2022 zugelassen, in Deutschland hat sich die schwarz-rote Koalition verpflichtet, den Einsatz des Totalherbizid zum Schutz der Biodiversität und zur Erhaltung der Artenvielfalt einzuschränken. Über ein entsprechendes Eckpunktepapier aus dem Bundesagrarministerium, das unter anderem ein Verbot von Glyphosat in Gärten vorsieht, verhandeln Landwirtschafts- und Umweltministerium. Für Streit zwischen den Ministerien sorgt aktuell die Zulassung von 18 neuen Pflanzenschutzschutzmitteln auf dem deutschen Markt durch das dem Agrarministerium unterstellte Bundesamt für Verbraucherschutz. Eines der Mittel enthält Glyphosat. Das Umweltbundesamt kritisiert die bis Ende des Jahres befristete Zulassung und fordert von jedem Landwirt, der Glyphosat einsetzt, zehn Prozent seiner Fläche als Ausgleichsfläche zum Schutz der Artenvielfalt stillzulegen. Das Landwirtschaftsministerium und die Bauern halten die Vorgabe für rechtswidrig und lehnen das ab.

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