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Ein wichtiger Faktor sind auch liebevolle, wertschätzende Beziehungen. Andere Aspekte sind die Arbeits- und Wohnsituation.

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Glücksatlas 2017: Zufriedene Menschen leben im Norden, unzufriedene in Berlin

In Berlin sind die Menschen laut einer Studie weniger zufrieden als in den meisten anderen Regionen des Landes. Glücksfaktoren sind Geld und gute Beziehungen.

Es könnte an der Mecker-Mentalität liegen, die Berlinern nachgesagt wird. Oder daran, dass nirgendwo sonst so viele Frauen und Männer allein leben, oder an der Tatsache, dass niedrige Einkommen hier auf hohe Mieten treffen. Was auch immer beim Einzelnen der Grund sein mag: In der Hauptstadt, die Touristen und Träumer aus aller Welt anzieht, sind die Menschen weniger glücklich als in den meisten anderen deutschen Regionen.

Laut dem sogenannten Glücksatlas, der seit sieben Jahren die Lebenszufriedenheit der Deutschen auf einer Skala von null bis zehn misst, liegt das bundesweite Niveau bei 7,07 – was ungefähr so hoch ist wie im letzten Jahr. Berlin befindet sich mit einem Wert von 6,94 auf Platz 15 von 19 untersuchten Regionen. Die subjektiven Bewertungen könnten mit objektiven Indikatoren leicht erklärt werden: Die Arbeitslosigkeit ist in Berlin noch immer vergleichsweise hoch. Das verfügbare Jahreseinkommen liege mit 19095 Euro fast 2500 Euro unter dem Bundesschnitt. Auffällig ist, dass vor allem jene zwischen 35 und 65 Jahren unglücklich sind. In dieser Altersgruppe sind die Berliner die Unzufriedensten in ganz Deutschland.

Jahrelang lag der Bundeswert bei 7,0. Zwischen 2015 und 2016 sprang er auf 7,11. Den neuen, leicht niedrigeren Wert bewerten die Forscher als statistische Unsicherheit. Sie sehen die positive Tendenz als ungebrochen an. „Das ist ein vollkommen realistisches Bild, das die Deutschen von sich haben“, sagte der Freiburger Finanzwissenschaftler Bernd Raffelhüschen, der die neue repräsentative Studie im Auftrag der Deutschen Post vorgestellt hat. Hinzugerechnet werden Daten des sozio-ökonomischen Panels und des Instituts für Demoskopie Allensbach.

Wichtig sind auch liebevolle Beziehungen

Für den Ökonomen spielt die wirtschaftliche Entwicklung die entscheidende Rolle. „Die Zufriedenheit in Deutschland ist generell wegen des materiellen Zuwachses gestiegen“, meint er. Für ihn gibt es dafür nachvollziehbare Gründe: Die Arbeitslosenquote habe sich seit 2004 fast halbiert und Erwerbstätige könnten sich wegen Lohnzuwächsen von rund zehn Prozent mehr leisten als 2007. „Seit zehn Jahren reden wir von einer Krise, stattdessen gab es ein Wachstum wie seit den 60er Jahren nicht mehr“, ergänzte er. „Und die Leute empfinden das auch so. Geld macht immer glücklich.“

Wenn auch nicht nur: Die höchsten Werte vergaben die Bundesbürger wie schon in den Jahren zuvor für ihre Wohn- und Familiensituation. Danach kommen Aspekte wie Freizeit, Arbeit, Gesundheit, Einkommen. „Unser wichtigster Glücksfaktor sind gelingende, liebevolle, wertschätzende soziale Beziehungen“, meinte Karlheinz Ruckriegel, Ökonom und Glücksforscher an der Technischen Hochschule Nürnberg. Auf Berlin bezogen, halten die Autoren des Glücksatlas fest: Nur 61 Prozent sind verheiratet oder leben in einer Partnerschaft – der bundesweit niedrigste Wert.

Die Studie zeigt außerdem, dass die Menschen Bedrohungen wie Terrorismus oder gesellschaftliche Entwicklungen wie Zuwanderung anscheinend nicht als Grund für eine Einschränkung ihrer Lebenszufriedenheit begreifen. Auch nicht im Osten. Dort liegt das Glücksniveau zwar mit 6,89 Punkten immer noch niedriger als im Westen mit 7,11 Punkten – aber es steigt leicht, während es im Westen eher stagniert oder minimal sinkt. „Die Lebensverhältnisse haben sich noch nicht angeglichen, aber es ist viel passiert“, sagt Raffelhüschen. „Das Bild vom Frustpotenzial im Osten, das nach der Bundestagswahl gemalt wurde, scheint so nicht zu stimmen.“ Trotzdem wohnen die unglücklichsten Deutschen laut der Studie in Sachsen-Anhalt (6,83), Brandenburg (6,86) und Mecklenburg-Vorpommern (6,89) .

Die glücklichsten Deutschen leben im Norden

Die zufriedensten Deutschen hingegen leben in Schleswig-Holstein, gefolgt von Hamburg. Raffelhüschen erklärt sich das mit der Mentalität des Nordwestens und der Nähe zu Dänemark, der mit Abstand glücklichsten Nation Europas. „Sowohl im Dänischen als auch im Plattdeutschen gibt es mehr Ausdrücke für „Gemütlichkeit“ als im Hochdeutschen“, sagt er. „Es ist ein Lebensgefühl, diese Fähigkeit, es sich selbst und anderen gemütlich zu machen.“ Der dänische Glücksforscher Meik Wiking meint, Dänemark würde mit seinen hohen Steuersätzen viel in Nachhaltigkeit und das Allgemeinwohl investieren, also in die Gesellschaft und ihre Lebensqualität.

In Europa liegt Deutschland nach dem Eurobarometer beim Zufriedenheitsgefühl auf Platz neun. Das ist nicht schlecht, gemessen am Wohlstand aber auch nicht überragend. Zur Erklärung zieht Ruckriegel den World Happiness Report und den Better Life Index der OECD heran. „Ein zentraler Punkt liegt in einer Verbesserung von Bildung und Bildungschancen in Deutschland“, sagt er. Dass da etwas hakt, würden deutsche Schulstudien belegen. Immer wieder.

Dass die Bundesbürger insgesamt gelassener wirken als früher, könne auch mit der Demografie zu tun haben. Ein Fünftel der Bevölkerung ist über 65 Jahre alt. „Der Einfluss des Alters ist enorm. Und die Generation über 55 wird immer zufriedener, das ist in fast jedem Land so“, sagt Raffelhüschen. Dabei geht es nicht nur um Gesundheit. „Überrascht hat mich, dass sich kleine Jobs im Alter so positiv auf die Lebenszufriedenheit auswirken, besonders bei gut ausgebildeten Männern“, ergänzt er. Erfüllende Arbeit ist für Ruckriegel in jedem Alter sowieso ein wesentlicher Garant für Glück.

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