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Die EU-weite Frauenquote ist vorerst gescheitert.

© dapd

Gleichstellung: „Ein Affront gegen die Frauen“

Unternehmer begrüßen das Scheitern der Frauenquote auf EU-Ebene. Die Grünen fordern dagegen, eine schnelle Entscheidung im Bundestag.

Von Carla Neuhaus

Die einen jubeln, die anderen regen sich auf. Es sei ein „Affront gegen die Frauen in Europa“, eine „Blamage für die Gleichstellungspolitik der europäischen Kommission“, sagte Renate Künast. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bundestag kritisierte am Mittwoch das vorläufige Scheitern einer EU-weiten Frauenquote heftig. Zuvor hatte Viviane Reding über den Kurznachrichtendienst Twitter verkündet: „Ich werde nicht aufgeben.“ Auch wenn die EU-Justizministerin vorerst gescheitert ist – an ihrem Plan, börsennotierten Unternehmen ab 2020 eine Frauenquote von 40 Prozent in den Aufsichtsräten aufzuerlegen, will sie festhalten. „Eine Kompromisslösung liegt auf dem Tisch. Die Kommission wird am 14. November darüber entscheiden“, sagte sie dem Tagesspiegel.

Künast kritisierte dagegen, mit der Entscheidung, das Thema zu vertagen, habe die Kommission die Chance verpasst, mehr Geschlechtergerechtigkeit in den Führungsetagen zu schaffen. Dabei müsse man jetzt handeln. Denn bereits 2013 würden bei den 30 Dax-Unternehmen 80 Aufsichtsratsposten neu besetzt. Deshalb wollen sich die Grünen laut Künast dafür einsetzen, dass ein Antrag für eine Frauenquote in Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen in den Bundestag eingebracht wird. Der Bundesrat hatte einem entsprechenden Gesetzentwurf bereits zugestimmt. „Wir werden die Abstimmung im Bundestag erzwingen und nicht zulassen, dass Merkel und ihre Regierung dieses Thema aussitzen“, sagte Künast. In Unionskreisen wird die Chance, dass die Aufsichtsratsquote eine Mehrheit im Bundestag findet (etwa indem der Fraktionszwang aufgehoben wird), allerdings als gering eingeschätzt. Weder Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) noch Familienministerin Kristina Schröder (CDU) wollten sich am Mittwoch äußern. Ihre Positionen hätten sich nicht verändert, teilten Sprecher beider Ministerien auf Anfrage mit. Während von der Leyen eine feste Quote fordert, setzt Schröder auf eine Flexiquote, deren Höhe die Firmen selbst bestimmen.

Von Unternehmerseite wurde das vorläufige Scheitern einer Frauenquote auf EU-Ebene begrüßt. „Eine Frauenquote bringt nichts“, sagte Marie-Christine Ostermann, Vorsitzende des Bundesverbands Die Jungen Unternehmer, dem Tagesspiegel. Sie führe nur dazu, dass Frauen sich den Vorwurf gefallen lassen müssten, sie hätten lediglich aufgrund der Quote Karriere gemacht. „Das wirkt auf die Frauen demotivierend“, sagte Ostermann, die selbst ein mittelständisches Unternehmen leitet. Stattdessen müsse die Heimarbeit gefördert werden, es dürfe keine Besprechungen am späten Abend geben und auch die ständige Erreichbarkeit per Handy am Wochenende sei nicht nötig. „Außerdem müssen in Deutschland schneller die Kitaplätze und Ganztagsschulen ausgebaut werden“, forderte Ostermann. Dann machten auch ohne Quote mehr Frauen Karriere.

Ähnlich sieht das der Berufsverband Financial Experts Association (FEA), der die Interessen deutscher Aufsichtsräte vertritt. Die Besetzung von Aufsichtsratsposten müsse „an klaren Anforderungsprofilen ausgerichtet werden“, sagte Peter Ruhwedel vom FEA. Dass bei der Entscheidung für einen Posten Frauen gleichberechtigt berücksichtigt würden, sei eine Selbstverständlichkeit. Mitarbeit: A. Sauerbrey, E. Simantke

Dass Vielfalt zum Standortfaktor wird, wissen viele Unternehmen längst. Wie aber wird aus Erkenntnissen und Bekenntnissen gelebte Praxis? Darauf wollen die „Charta der Vielfalt“ und der Tagesspiegel in einer gemeinsamen Konferenz am 8. und 9. November in Berlin Antworten geben. Mehr Infos unter www.diversity-konferenz.de

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