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Gestörte Beziehung. Für Jungunternehmer ist die Nähe zu Investoren und Kapital wichtig, um wachsen zu können.

© Foto :Wolfgang Kumm/dpa

Gesetzentwurf des Finanzministers: Start-up-Szene fürchtet Gewinnsteuer für Geldgeber

Start-up-Investoren sollen künftig Steuern auf Gewinne zahlen. Die Gründer laufen Sturm. Auch in der Großen Koalition gibt es Kritik an den Plänen des Finanzministers.

Mit so großem Widerstand hatte man im Finanzministerium angeblich nicht gerechnet. Man könne die Aufregung der Start-up-Szene über einen Gesetzentwurf zur Investmentbesteuerung nicht nachvollziehen, sagt ein Sprecher aus dem Haus von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) auf Anfrage. In der vorgesehenen Novelle komme die Bundesregierung den Unternehmensgründern schon sehr entgegen. Kritik von Start-ups, Wagniskapitalgebern aber auch aus den Reihen von Union und SPD sei deshalb nicht gerechtfertigt.

Für die jungen Firmen ist Kapital von außen – etwa aus Investmentfonds oder von privaten Geldgebern – besonders wichtig, um schnell wachsen zu können. Dabei konkurrieren sie mit Unternehmen aus England oder den USA. Der jüngste Gesetzentwurf könnte die Start-up-Finanzierer aber eher vertreiben als anlocken, fürchten Interessen- und Volksvertreter.

Bislang bleiben Investoren, die Streubesitzanteile an Kapitalgesellschaften gewinnbringend verkaufen, praktisch steuerfrei. Voraussetzung ist, dass der Verkäufer seinen Gewinn nicht in die eigene Tasche, sondern in neue Unternehmungen steckt. Künftig sollen die Gewinne selbst dann mit 15 Prozent besteuert werden, wenn der Verkäufer das Reinvest nachweisen kann. Das Angebot des Ministerium: Wer in Start-ups investiert, bekommt eine Steuerermäßigung von 30 Prozent.

Weniger Anreize für Business Angels

Schon unmittelbar nach Veröffentlichung des Gesetzentwurfs Ende Juli hatten sich Branchenvertreter kritisch geäußert. „Mit diesem Gesetz würde die Regierung nahezu alle Anreize für Business Angels streichen“, sagte Florian Nöll, Chef des Start-up-Verbands dem Tagesspiegel. Laut einer Studie von EY hat Deutschland den bisherigen europäischen Spitzenreiter, das Vereinigte Königreich, 2014 überholt. Mit 2,8 Milliarden Dollar investierten Risikokapitalgeber hierzulande rund 100 Millionen mehr in Unternehmen als auf der Insel. Die Studie führt den Erfolg auch auf die wachsende Anziehungskraft Berlins zurück. London als Finanzmetropole zieht traditionell viel Wagniskapital an. Die Verbindungen zwischen dem Finanzdistrikt und der dortigen Start-up-Szene sind eng.

Andere Statistiken bestätigen das Bild vom Duell zwischen deutscher und britischer Hauptstadt. Dabei wird allerdings auch deutlich, dass sich die Investorentätigkeit in absoluten Zahlen verlangsamt. Während Berliner Firmen in den ersten drei Monaten des Jahres laut der Marktforscher von Pitchbook 876 Millionen Euro einsammelten und damit mehr als Londoner, lag die britische Hauptstadt im zweiten Vierteljahr mit 402 Millionen Euro leicht vor der Bundeshauptstadt. Für Berlin bedeutet dies verglichen mit dem Vorjahreszeitraum dennoch ein Plus von 30 Prozent.

Insgesamt jedoch ist der Entwicklungsrückstand der hiesigen Branche mit bis zu 40 Jahren zum kalifornischen Silicon Valley, zur Region Tel Aviv in Israel oder eben der britischen Hauptstadt nach wie vor groß. Während Berliner Gründer relativ leicht an Startkapital kommen, tut sich in der Wachstumsphase ein Loch auf. Dabei zeigt sich erst dann, wie erfolgreich die Geschäftsidee wirklich ist: ob sie auch in größeren Märkten, also in Europa oder gar in den USA trägt. Für diesen Schritt reichen ein paar hunderttausend Euro nicht mehr aus.

Berlin hat eine Bundesratsinitiative gestartet

„Wir brauchen in Deutschland mehr und nicht weniger Investitionen in Venture Capital und Start-ups, damit wir nicht weiter im internationalen Wettbewerb zurückfallen“, kommentiert der Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften. Unterstützung erhalten die Jungunternehmer auch von der Berliner Wirtschaftsverwaltung. „Wir drängen weiterhin auf eine steuerbefreiende Sonderregelung“, sagt eine Sprecherin von Senatorin Cornelia Yzer (CDU). Berlin hat eine Bundesratsinitiative gestartet, um Start-ups den Zugang zu Kapital zu erleichtern. Im September will das Bundesministerium auf Basis des jetzigen Papiers einen Referentenentwurf vorlegen. In der ersten Hälfte 2016 soll das Gesetz beschlossen werden.

Ob das so kommt, ist aber fraglich. Nicht nur in den Ländern gibt es Bedenken, auch aus der eigenen Partei muss sich Schäuble Kritik gefallen lassen. „Jetzt höhere Steuern zu fordern, sendet genau das falsche Signal an Kapitalgeber“, sagt Wolfgang Steiger, Generalsekretär des CDU- Wirtschaftsrates. Er erinnert „an das Wahlversprechen ,Keine Steuererhöhungen’“. Die große Koalition hatte bereits Ende vergangenen Jahres angekündigt, sich um mehr Investorenfreundlichkeit zu bemühen. Im Koalitionsvertrag schreiben Union und SPD, „Deutschland als Investitionsstandort für Wagniskapital international attraktiv“ machen zu wollen. Ein „eigenständiges Regelwerk (Venture-Capital-Gesetz)“ solle „unter anderem die Tätigkeit von Wagniskapitalgebern“ verbessern. Eine SPD-Expertengruppe um Vize-Fraktionschef Hubertus Heil schlug diese Woche eine Steuergutschrift für Forschungsausgaben von Zukunftsfirmen sowie weitere steuerliche Anreize für deren Investoren vor. Dem Finanzministerium warf Heil eine Bremserrolle vor. Dort hingegen sieht man die Koalition auf gutem Weg, „in überschaubarer“ Zeit gemeinsame Eckpunkte für ein Wagniskapitalgesetz vorlegen zu können. mit rtr

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