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German Angst: Die Deutschen fühlen sich von der Finanzkrise bedroht

Nicht nur die Zahlen sind daran schuld, dass die Deutschen Angst vor der Finanzkrise haben. In der Neurofinance-Wissenschaft untersuchen Forscher, in welchem Zusammenhang Hirnaktivitäten und ökonomische Handlungen stehen.

Die Deutschen haben Angst, jeder zweite fürchtet sich vor persönlichen finanziellen Verlusten. Das ergaben aktuelle Umfragen. Warum fühlen sich die Deutschen so bedroht? Zahlen allein lösen das nicht aus. „Wie Zahlen auf die Menschen wirken, hängt immer davon ab, welche Bedeutung wir ihnen zuschreiben“, sagt der Kommunikationswissenschaftler Klaus Spachmann.

„Geht die Welt bankrott?“, fragt der „Spiegel“. EZB-Chef Jean-Claude Trichet spricht von der „schwersten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg“. Aussagen wie diese aktivieren unser Furchtgedächtnis, weiß Christian Elger. Der Neurologe untersucht, in welchem Zusammenhang Hirnaktivitäten und ökonomische Handlungen stehen. Neurofinance heißt diese Wissenschaft. „Die Summe an Negativinformationen führt dazu, dass wir Angst bekommen“, sagt Elger. Insbesondere die Medien schüren diese Angst. Seit der Lehman-Pleite wird regelmäßig über die Finanzkrise berichtet: „Das Kapital-Verbrechen“ (Spiegel), „Wie die Krise uns alle trifft“ (Stern) und „Euro-Alarm“ (Focus), heißt es da. Sprache ist mächtig.

Das weiß auch Markus Grottke. Er kennt sich aus mit Zahlen und mit der Sprache. Nach einer Ausbildung zum Bankkaufmann studierte er Betriebswirtschaft, Neuere Deutsche Literatur, Philosophie und Politik. „Dadurch, dass etwas ausgesprochen wird, kann es zum Problem werden“, sagt er. „Die vergangene Woche ist dafür exemplarisch.“ So wie EZB-Chef Trichet mit seiner Aussage einen bestimmten Bezug hergestellt hat, nämlich zu der schlechten wirtschaftlichen Situation nach dem Zweiten Weltkrieg, so werden auch beispielsweise in Geschäftsberichten gewisse Bezüge hergestellt. Grottke hat mehr als einhundert davon gelesen und analysiert. Als Beispiel nennt Grottke einen Geschäftsbericht der Commerzbank. Die Schuldscheine, heißt es da, betrügen nur zwei Prozent der Bilanzsumme. Setzt man das allerdings ins Verhältnis zum Eigenkapital, werden aus den zwei Prozent plötzlich 88 Prozent. Die Schuldscheine bleiben identisch, die Aussage aber ist eine andere. Daher müsse man sich gut überlegen, welchen Bezug man aufbaut, sagt Grottke. Aktuell kritisiert er Trichets Aussage: „Sie wirkt eskalierend.“ Vor allem Privatanleger reagierten auf solche Äußerungen. „Sie glauben stärker als professionelle Investoren, was ihnen gesagt wird.“

Geld bedeutet Besitz, Besitz heißt Sicherheit. Das alles scheint nun in Gefahr zu sein. Die Menschen steuern gegen und investieren in den „sicheren Hafen“ Gold. „In Krisenzeiten werden Metaphern häufiger verwendet“, sagt Grottke. Manchmal kann Sprache auch beruhigend wirken.

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