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Coffee to stay. Die Nachwuchskräfte wollen sich nicht vorschreiben lassen, wann und wie sie arbeiten. Die Unternehmen kommen ihnen entgegen – so lange die Performance stimmt.

© Kitty Kleist-Heinrich

Generation Y: Café statt Büro

Sie gelten als selbstbewusst, gut ausgebildet, flexibel – und anspruchsvoll. Wie sich Arbeitgeber in Zeiten des Fachkräftemangels auf die bis zu Mitte 30-Jährigen einstellen.

Hannah Freiensteins Leben spielt sich zwischen Büro und Konzertsaal ab. Sie arbeitet beim Fernverkehr der Deutschen Bahn (DB) im Bereich Personal- und Führungskräfteentwicklung und ist gleichzeitig Profi-Cellistin. Dass sie die beiden Berufe zusammenbringen kann, verdankt sie einem flexiblen Arbeitszeitmodell, das es ihr erlaubt, auch mal länger auf Konzertreise zu gehen und die Stunden dann vor- oder nachzuarbeiten.

„Für mich war diese Flexibilität eine Bedingung für den Job“, sagt Hannah Freienstein. Nach einem Praktikum bei der Bahn hatte sie verschiedene Angebote. „Ausschlaggebend für meine Entscheidung war neben der Arbeitszeit, dass ich mich mit dem Produkt identifizieren kann und einen tollen Chef habe.“

Ihr Chef hat sich für sie eingesetzt

Den hat sie. Es war ihr Chef, der sich dafür eingesetzt hat, dass Hannah Freienstein ihr Trainee-Programm in Teilzeit absolvieren konnte, ein Modell, das inzwischen zum Pilotprojekt bei der Bahn geworden ist – und von dem auch Menschen in anderen Lebenssituationen wie zum Beispiel junge Eltern profitieren.

Hannah Freienstein ist Jahrgang 1981 und gehört zur Generation Y, einer Generation, die laut Soziologen und Arbeitsmarktforschern besondere Ansprüche an die Arbeitswelt stellt und sehr selbstbewusst auftritt. Auf Englisch „Generation Why“ ausgesprochen, steht der Begriff auch für das ständige Hinterfragen und die Sinnsuche, die für diese Generation typisch sind. Laut der Shell-Studie „Jugend 2010“ zeichnet sie sich zudem durch einen großen Pragmatismus und eine hohe Leistungsbereitschaft aus.

Vor gut zehn Jahren stieß Jutta Rump bereits darauf, dass die junge Generation ganz andere Ansprüche an das Arbeitsleben stellen wird als ihre Vorgänger. Sie ist Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Internationales Personalmanagement und Organisationsentwicklung an der Hochschule Ludwigshafen und erarbeitet Trendstudien für Firmen wie Audi.

Für die Mitglieder der Generation Y soll der Job nicht nur ein gutes Gehalt und Sicherheit bieten, sondern auch sinnvoll sein, Freude machen und eine Perspektive bieten, erklärt sie. Daraus definiert sich auch der Anspruch an den eigenen Chef: Von ihm verlangen die jungen Arbeitnehmer, dass er sich mehr als Coach und Mentor versteht und die berufliche Entwicklung unterstützt – anstatt autoritär aufzutreten. „Wenn das nicht der Fall ist, ziehen die jungen Talente schnell weiter“, sagt die Professorin. „18 bis 24 Monate schauen sie sich vielleicht einen Job an, aber wenn er ihnen bis dahin nicht zusagt, dann suchen sie sich schnell etwas anderes.“

Schon im Kindergarten hatten sie die Wahl

Geprägt wurde die Generation der zwischen 1980 und 2000 Geborenen durch ein hohes Maß an Wahlfreiheit. Im Kindergarten, in der Schule und in der Freizeit konnten sie bereits zwischen zahlreichen Angeboten wählen und herausfinden, was ihnen wichtig ist und Spaß macht. Das führe zu einem hohen Grad an Individualisierung, meint Jutta Rump.

Die Ansprüche der jungen Arbeitnehmer werden mittelfristig die gesamte Arbeitswelt umkrempeln, meint der Jugendforscher Klaus Hurrelmann. In welcher Weise, das erklärt der Professor der Hertie School of Governance in seinem Buch „Die heimlichen Revolutionäre: Wie die Generation Y unsere Welt verändert“. Hierarchien werden flacher, die klassische Aufstiegskarriere wird von Projektkarrieren abgelöst und Arbeitnehmer tragen mehr Mitverantwortung für „ihr“ Unternehmen, prognostiziert Klaus Hurrelmann. Schon heute hat die Generation Y in den Unternehmen einiges verändert.

Sörge Drosten berät als Geschäftsführer der Unternehmensberatung Kienbaum Firmen aus dem IT- und Telekommunikationssektor. Er charakterisiert die Berufsanfänger von heute als überdurchschnittlich gut ausgebildet, sehr international und technikaffin. Dank mobiler Arbeitsgeräte wie Smartphone und Laptop verschwimmen die Grenzen zwischen Privatem und Beruflichen. „Viele Unternehmen nehmen den Wunsch nach mehr Flexibilität in den Arbeitszeiten und nach flacheren Hierarchien auf“, sagt er.

Unternehmen werben jetzt um Absolventen

So gibt es auch bei Ebay schon seit Jahren keine Anwesenheitspflicht mehr. „Viele Mitarbeiter arbeiten in internationalen Teams von verschiedenen Kontinenten aus an einem neuen Feature für die Seite“, sagt die Personalchefin des deutschen Online-Marktplatzes, Julia Carloff-Winkelmann. Seit mehr als zehn Jahren ist sie im Unternehmen und kann bei den Berufsanfängern von heute einen deutlichen Unterschied zu den ehemaligen Jahrgängen feststellen: „Früher waren die Bewerber froh, wenn sie bei uns einen Job bekamen. Heute müssen wir uns bei den Absolventen bewerben.“

Die Absolventen von heute haben den großen Vorteil, dass sie alle Digital Natives sind, also mit dem Internet und neuen Technologien aufgewachsen. Sie sind ausgesprochen kreativ, innovativ und flexibel. Viele haben schon einmal im Ausland gelebt und suchen europaweit nach Jobs.

Und die angehenden Trainees haben Ansprüche: Sie verlangen etwa einen genauen Ablaufplan für ihre Ausbildung, stellen Forderungen hinsichtlich der Inhalte und des Gehalts. Die Berufseinsteiger wollen keinen Dienstwagen mehr, sie fragen nach dem neuesten Smartphone oder dem leistungsstärksten Laptop, sagt die Personalchefin. Außerdem wollen sie genau wissen, wie ihre Performance gemessen wird und wie ihre Entwicklungsmöglichkeiten im Unternehmen sind.

Auch die DB-Personalgewinnerin, Kerstin Wagner, wird das oft gefragt. „Viele junge Menschen suchen eine sinnhafte Arbeit in einem sicheren Umfeld und legen viel Wert auf Nachhaltigkeit“, sagt sie.

Das ist auch Hannah Freienstein wichtig. In diesem Sinne identifiziert sie sich mit der Generation Y. Um ihren festen Job bei der Bahn wird sie von manchen Kollegen beneidet. Sie wurde sogar schon gefragt, ob da nicht noch ein Job frei wäre.

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