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Die EZB mit Sitz in Frankfurt am Main.

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Update

Geldpolitik: Was die EZB entschieden hat und was das für Sparer bedeutet

Höhere Strafzinsen, neue Anleihekäufe: Die Europäische Zentralbank hat die Geldpolitik erneut gelockert – mit Folgen für die Sparer.

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Mario Draghi kann es nicht lassen. Kurz bevor er den Chefposten bei der Europäische Zentralbank (EZB) an seine Nachfolgerin abgibt, hat er die ohnehin schon großzügige Geldpolitik noch stärker gelockert. Er sprach von einem „sehr starken Paket“. Nötig gemacht habe es der unerwartet starke Wirtschaftsabschwung.

Was die EZB entschieden hat

Der Einlagezins, den Banken zahlen müssen, sinkt noch tiefer ins Negative von minus 0,4 auf minus 0,5 Prozent. Daneben nimmt die Notenbank das Ende 2018 eingestellte Programm zum Kauf von Staatsanleihen der Euroländer wieder auf. Dafür wird sie ab 1. November monatlich 20 Milliarden Euro ausgeben und das für einen unbestimmten Zeitraum.

Dass die EZB handeln müsse, darüber sei man sich im EZB-Rat einig gewesen, sagte Draghi. Nur einige wenige hätten für Abwarten plädiert. Er räumte aber ein, dass es bei der Diskussion über die Wiederaufnahme des Anleihe-Kaufprogramms Gegenstimmen gegeben habe. Bereits im Vorfeld der Sitzung hatten sich Bundesbank-Präsident Jens Weidmann, sein niederländischer Kollege und EZB-Direktoriumsmitglied Sabine Lautenschläger gegen die Wiederaufnahme von Anleihekäufen ausgesprochen. Bis Ende 2018 hatte die EZB bereits Anleihen im Volumen von 2,6 Billionen Euro gekauft. Erlöse aus fälligen Papieren nutzt sie zum Kauf von neuen Staatsanleihen.

Wie die EZB argumentiert

Draghi begründete die Maßnahmen zum einen mit den schlechteren Wirtschaftsaussichten für die Eurozone. Die EZB geht mittlerweile für dieses Jahr von einem Wachstum von nur 1,1 Prozent aus, bevor es 2020 auf 1,2 steigen könnte. Grund seien der Handelskonflikt zwischen den USA und China, die Schwäche in den Schwellenländern und generell globale Unsicherheiten. Ein Brexit ohne Vertrag sei dabei aber noch gar nicht berücksichtigt.

Mario Draghi ist seit acht Jahren Chef der Europäischen Zentralbank (EZB).
Mario Draghi ist seit acht Jahren Chef der Europäischen Zentralbank (EZB).

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Auch ihre Inflationsaussichten hat die EZB deutlich gesenkt. 2019 rechnet sie mit einer Preissteigerungsrate in der Eurozone von 1,2 Prozent. Die immer noch guten und steigenden Löhne zeigten sich in der Preissteigerungsrate offenbar später als von der EZB erwartet, so Draghi. Generell strebt die EZB eine Inflationsrate von knapp zwei Prozent an.

Was das für Sparer bedeutet

Bundesfinanzminister Olaf Scholz versucht bereits zu beruhigen. „Ich glaube nicht, dass private Kunden in Deutschland flächendeckend mit Negativzinsen rechnen müssen“, sagte der SPD-Politiker kurz vor der EZB-Sitzung in einem Interview der „Passauer Neuen Presse“. Bislang müssen lediglich Kunden mit besonders hohen Summen auf dem Konto Strafzinsen zahlen. Die meisten Banken ziehen die Grenze derzeit bei einer halben Million Euro, andere bereits bei 100.000 Euro. Kleinsparer sind damit bislang von den Strafzinsen verschont.

Doch wird es dabei bleiben, wenn die Banken selbst höhere Minuszinsen für ihre Einlagen bei der Zentralbank zahlen müssen? Anders als der Finanzminister ist Hans-Peter Burghof, Bankenprofessor an der Universität Hohenheim, davon nicht überzeugt. Auch bei Kleinsparern dürften Banken Strafzinsen bald testen, meint er. Gleichzeitig glaubt er aber auch, dass das falsche Signal wäre. „Die Kunden heben dann ihr Geld ab und lagern das Bargeld daheim. Das wäre ein Paradies für Diebe.“

Gerhard Schick, der die Bürgerbewegung Finanzwende leitet, hält es für unfair, dass die Sparer die Kosten der EZB-Politik tragen müssten. Wer etwa fürs Alter vorsorgen wolle, leide unter der Situation. Schick sieht Bundespolitik in der Pflicht. „Damit die Menschen trotz der aktuellen Zinssituation besser privat vorsorgen können, braucht es ein kostengünstiges, staatlich organisiertes und renditeträchtiges Standardprodukt als Alternative“, sagte er. „Hier muss endlich ein gesetzlicher Vorstoß von der Bundesregierung erfolgen.“ In anderen Ländern gibt es solche Staatsfonds bereits. Norwegen zum Beispiel holt damit für die Bürger hohe Rendite raus.

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Profitieren können von der lockeren Geldpolitik zumindest auf den ersten Blick alle, die demnächst eine Immobilie kaufen wollen. Schon jetzt unterbieten sich die Banken gegenseitig bei den Konditionen. Diskutiert wird in Finanzkreisen derzeit, ob auch die Zinsen für Immobilienkredite ins Negative fallen könnten. Hauskäufer würden also von der Bank auch noch entlohnt, dass sie sich bei ihr Geld leihen. In Dänemark gab es das zeitweise sogar schon. Allerdings haben sich diese Angebote letztlich als Werbemaßnahmen rausgestellt: Durch hohe Gebühren mussten die Kunden am Ende dann doch für den Kredit zahlen.

Dazu kommt, dass die Preise für Immobilien stark steigen. Auch das ist ein Nebeneffekt der lockeren Geldpolitik. Zahlen die Käufer aber mehr für ihre neue Eigentumswohnung, als das zu normalen Zeiten der Fall wäre, stehen sie am Ende trotz niedriger Zinsen kaum besser da. Dazu kommt, dass Finanzexperten vor Blasen warnen, gerade bei den Immobilien. „Je niedriger die Zinsen im Negativbereich, desto höher das Risiko der Blasenbildung“, sagt Iris Bethge-Krauß, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB).

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