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An den Erfolg des Bullen glauben viele Deutsche nicht.

© dpa

Geld in Aktien anlegen: „Viele glauben, sie müssten die Bilanzen der Unternehmen genau verstehen“

Warum haben die Deutschen eine solche Scheu vor Aktien? Nur 17 Prozent sind investiert; in den USA sind es 54. Eine Studie hat die Ursachen untersucht.

„Die Leute wissen nicht, wie wenig sie wissen müssen.“ Mit diesen Worten beschreibt Michael Grote, Professor an der privaten Frankfurt School for Finance and Management eine aus seiner Sicht „eigentlich paradoxen“ Lage. Die Deutschen, sagt er, hätten ein falsches Bild von der Geldanlage in Aktien und hielten sich deshalb mit dem Kauf der Papiere zurück. Eine Portion Risikoscheu käme noch hinzu.

Es ist zwar eines der zentralen Ergebnis der Studie „Zum Rätsel der Aktienmarktteilnahme in Deutschland“, die Frankfurt School, Goethe-Universität und die Deutsche Börse am Montag in Frankfurt vorgestellt haben. Zufrieden sind die Wissenschaftler damit allerdings nicht. Denn die entscheidende Frage, wie diesem Verhalten der Bundesbürger begegnet werden, wie sie besser informiert und gerade in Zeiten von Niedrigzinsen über die Vorzüge der Aktienanlage aufgeklärt werden können, vermögen Grote und seine Kollegen Sebastian Ebert und Christine Laudenbach von der Goethe-Universität auch nach ihrer Studie nicht zu erklären.

Es bleibt nach Ansicht der Wissenschaftler ein Dilemma, dass sich die Bundesbürger nicht für die langfristige Geldanlage in Aktien erwärmen können. 2018 hatten nur 16,8 Prozent und damit 10,3 Millionen einen Teil ihres Geldes in Aktien oder Aktienfonds angelegt. Im Vergleich zu 2011 hat sich wenig verändert, trotz des Niedrigzinsumfeldes und der wachsenden Anforderung zur privaten Altersvorsorge. Damals waren 10,1 Millionen Bundesbürger am Aktienmarkt investiert. Zum Vergleich: In den USA liegt die Quote bei 54 Prozent.

Sinnvolle Alternative in Zeiten von Minuszins

Gerade in Zeiten, in denen das Sparen auf dem Konto nicht mehr nur keine Erträge einbringt, sondern aufgrund von Inflation und teilweise Minuszinsen sogar Verluste schafft, lohnt sich aus Sicht vieler Experten eine Geldanlage in Aktien. Auch Verbraucherschützer bezeichnen das Verlustrisiko langfristig orientierter und breit gestreuter Fonds als äußerst gering. Die Chance auf ein deutliches Plus hingegen sei durchaus gegeben. Vor diesem Hintergrund werden jüngst angestoßene Maßnahmen, die das Investieren für Kleinanleger verteuert, von viele Seiten kritisiert.

Um die Ursachen für diese Skepsis herauszufinden, haben die Studienautoren rund 2800 Bundesbürger befragt und dabei 37 Aussagen zur Aktienanlage genauer analysiert. Als wichtigsten Grund gegen ein Investment nennen zwei Drittel der Nicht-Aktienbesitzer die Angst vor hohen Verlusten und vor einem Börsencrash. Ebenso viele glauben, dass ihnen das notwendige Geld fehlt. Als besonders relevant für die Ablehnung sind nach Ansicht von Grote aber die Angst vor der falschen Aktienauswahl, bedingt durch viel zu viele Anlagemöglichkeiten, fehlende Informationsquellen und die Auffassung, dass Aktien nur etwas für Reiche seien.

„Viele glauben auch, dass sie die Bilanzen der Unternehmen genau lesen und verstehen müssten“, sagt Laudenbach. Dabei ist dies nach Ansicht der Wissenschaftler gar nicht nötig. Schließlich gehe es um eine auf verschiedene Aktien oder in Fonds gestreute, langfristige Geldanlage und nicht um tägliches Handeln. „Viele Nicht-Aktienbesitzer haben ein falsches Bild und setzen die Hürde für den Kauf von Aktien oder Aktienfonds viel zu hoch an“. Allerdings spielt der Studie zufolge auch die im Vergleich zu Bürgern anderer Länder hohe Risikoscheu der Deutschen bei der Geldanlage eine wichtige Rolle, wenn es um den Kauf von Aktien oder Aktienfonds geht.

Je länger die Anlagezeitraum, desto geringer das Risiko

Freilich mangelt es der Studie zufolge durchaus an grundsätzlichem Wissen. So ist 45 Prozent der Nicht-Aktionären der Unterschied zwischen dem Kauf einer einzelnen Aktie und dem Kauf eines Aktienfonds nicht bewusst. 41 Prozent wissen nicht, dass in einem Aktienfonds das angelegte Geld auf viele Aktien verteilt und damit das Risiko gestreut wird. Auch die über die Jahre mögliche Wahrscheinlichkeit von Verlusten ist ihnen nicht klar: Sie glauben, dass sie sowohl bei einer Haltedauer der 30 Aktien des Deutschen Aktienindex Dax bei einem, bei fünf und bei zehn Jahren bei jeweils rund 30 Prozent liegt.

Tatsächlich schrumpft die Verlustwahrscheinlichkeit von 30 nach fünf Jahren auf 20 und nach zehn Jahren auf fünf Prozent. Das heißt: Je länger der Anlagezeitraum ist, desto wahrscheinlicher ist eine jährlich deutlich positive Wertentwicklung des Aktiendepots. Die fehlenden Erkenntnisse und falsche Einschätzungen über die Aktienanlage sind, sagt Laudenbach, über alle Altersschichten der Bevölkerung in etwa gleich verbreitet.

Wie aber lassen sich Bundesbürger vom Aktienkauf überzeugen und wie sind sie dazu gekommen? Mitunter ist dies relativ simpel, wie die Studie zeigt. Fast 30 Prozent haben zu Aktien gefunden, weil Familienmitglieder oder Freunde Aktien besitzen und weil darüber gesprochen wurde und wird. Oder weil sie ihnen ein Aktiendepot etwa durch eine Erbschaft übertragen wurde. Die Bemühungen von Banken, Fondsgesellschaften, des Deutschen Aktieninstituts oder auch der Deutschen Börse, die Bundesbürger dazu zu bewegen, das Geld, das sie nicht unmittelbar benötigen und auf nicht verzinsten Spar- und Girokonten halten, breit gestreut und langfristig in Aktien zu investieren, zeigen bislang allerdings kaum Erfolg.

Diese Anstrengungen müsse man bündeln, sagt Grote. Die Deutsche Börse will durch mehr Transparenz für die Aktienanlage werben. Derzeit baut sie ihr Besucherzentrum in der Frankfurter Börse für 20 Millionen Euro. Damit sollen Besucher das Geschehen auf dem Börsenparkett noch hautnäher verfolgen können und damit für Aktien interessiert werden.

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