zum Hauptinhalt
Aus dem Verkehr gezogen. Viele Gebrauchtwagen, die nach Afrika gelangen, müssten eigentlich verschrottet werden. Foto: Tobias Hase/dpa

© dpa

Gebrauchtwagen-Export: Schmutzige Geschäfte

Aus Deutschland werden pro Jahr eine Million Gebrauchtwagen exportiert. Viele der schrottreifen Dreckschleudern landen illegal in Afrika.

Deutsche Autos sind ein Exportschlager. Drei von vier hierzulande produzierten Fahrzeugen gehen ins Ausland, zuletzt rund 3,5 Millionen. Doch nicht nur Neuwagen aus deutscher Fertigung finden reißenden Absatz. Auch Gebrauchte, die in Deutschland ausgemustert wurden, sind sehr gefragt. Jedes Jahr werden mehr als eine Million Gebrauchtwagen verschiedener Hersteller exportiert, die meisten in die EU. Der Rest geht größtenteils nach Westafrika und in Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Und hier fangen die Probleme an.

Je älter die Gebrauchtwagen sind, desto eher gelangen sie in Länder außerhalb der EU, die keine oder sehr nachlässige Einfuhr- und Umweltgesetze haben. Vor allem auf den Straßen einiger afrikanischer Staaten sind Millionen Pkw, Vans und Minibusse unterwegs, die nach deutschen Umweltstandards längst auf dem Schrottplatz gelandet wären. Die Hälfte aller weltweit exportierten Gebrauchtwagen stammt aus der EU und davon wiederum die Hälfte aus Deutschland.

Allein zwischen 2015 und 2018 wurden laut UN-Umweltprogramm (Unep) weltweit 14 Millionen Gebrauchtwagen exportiert, mehr als die Hälfte davon nach Afrika. Dort werden die Fahrzeuge meist ausgeschlachtet, vor allem Katalysatoren werden wegen ihrer wertvollen Bauteile zerlegt. Viele der Gebrauchtwagen seien nicht verkehrstauglich und führten zu einer Zunahme tödlicher Unfälle – etwa in Ländern wie Malawi, Nigeria, Simbabwe und Burundi. Einer niederländischen Exportstudie zufolge waren die meisten Gebrauchtwagen beim Export nicht mehr für den Straßenverkehr zugelassen, durchschnittlich 16 bis 20 Jahre alt und hatten Abgassysteme, die der Euro-4-Norm nicht mehr entsprachen.

Ausfuhrbestimmungen sollen verschärft werden

Die EU-Kommission, die der Staatengemeinschaft mit dem Green Deal und strengeren CO2-Regeln für Neuwagen ein straffes Klimaprogramm vorschreibt, hat den fast ungebremsten Export von Dreckschleudern bislang nicht eindämmen können. Die seit einigen Jahren geltenden Abfall- und Ausfuhrbestimmungen soll nun verschärft werden.

Im vergangenen Jahr wurde mit der Überarbeitung der entsprechenden EU-Altfahrzeugrichtlinie 2000/53 begonnen. Ein Ziel der Reform ist unter anderem, den illegalen Export von abgemeldeten „Altfahrzeugen“ zu unterbinden. Diese dürfen – anders als „Gebrauchtfahrzeuge“ – nicht mehr in Verkehr gebracht werden und müssen im Heimatland recycelt und verwertet werden. Im Fall eines Gebrauchtwagens gilt nicht das Abfallrecht, beim Export sind deshalb keine abfallrechtlichen Genehmigungen nötig.

„Ein Teil der Fahrzeuge ist noch gut erhalten, ein Teil jedoch in eher schlechtem Zustand“, schreibt das Umweltbundesamt. „Die Abgrenzung zu Altfahrzeugen ist oft fließend und teilweise schwierig vorzunehmen.“ Zwar haben die EU-Mitgliedsstaaten den Behörden Leitlinien für den Umgang mit Altautos an die Hand gegeben. Doch diese sind nicht rechtsverbindlich. So werden tausende Altfahrzeuge – als Gebrauchtwagen getarnt – illegal exportiert und in Nicht-EU-Ländern umweltschädlich entsorgt oder noch weiter gefahren.

Aus der Untersuchung von 146 Ländern schlussfolgert die Unep: „Die Industrieländer müssen aufhören, Fahrzeuge zu exportieren, die bei Umwelt- und Sicherheitsinspektionen in ihren eigenen Ländern durchfallen.“ Die Importländer müssten zudem strengere Qualitätsstandards einführen, damit Altfahrzeuge nicht über dunkle Kanäle verschwänden. Immerhin hatten bis 2020 weltweit 18 Länder ein Importverbot für ausgemusterte Diesel verhängt.

Mindestanforderungen an Fahrzeuge

In Brüssel hat man das Problem erkannt. Bei der Überprüfung der Altfahrzeug-Richtlinie werde die „Durchführbarkeit von Maßnahmen“ geprüft – „zum Beispiel, indem Ausfuhren künftig ohne gültige Prüfbescheinigung untersagt sind“, sagte eine Sprecherin dem Tagesspiegel. Auch das Umweltbundesamt sieht im Zulassungsrecht einen wirksamen Hebel. In einem Positionspapier aus dem Sommer 2020 empfiehlt die Behörde, bestimmte Mindestanforderungen für den Export alter Autos festzulegen.

Die Idee: Der letzte Fahrzeughalter wird in die Pflicht genommen. Er muss Steuern und Versicherungen so lange bezahlen, bis er den Verwertungsnachweis eines zertifizierten Demontagebetriebs vorlegt. Erst dann, nachdem der Schrott entsorgt und Wertstoffe recycelt wurden, wird das Fahrzeug vom Kraftfahrt-Bundesamt stillgelegt. Ein Export mit ungeklärtem Verbleib ist dann nicht mehr möglich. Beispielhaft ist dies bereits in Österreich geregelt. Dort wird für Gebrauchtwagen, die kein Abfall sind und somit exportiert werden dürfen, eine „Reparaturbescheinigung“ ausgestellt. Diese weist nach, dass das Fahrzeug zulassungsfähig, betriebsbereit und für den bestimmungsgemäßen Gebrauch geeignet ist.

Es gibt weitere Vorschläge zur Nachverfolgung von Altfahrzeugen. Neben einer verpflichtenden (statt einer temporären) Stilllegung und dem Nachweis einer Verwertung wird ein harmonisiertes elektronisches EU-An- und Abmeldesystem gefordert sowie ein innereuropäischer Datenaustausch über den Verbleib von Altfahrzeugen. Auch die Einführung finanzieller Anreize bei der Rücknahme und Demontage wird erwogen. Mitarbeit: Alicia Prager

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false