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Volle Gläser und volle Biergärten: Das Sommergeschäft läuft gut – aber es wird nicht reichen. Foto:

© dpa/Bernd Weißbrodt

Gastronomie und Hotellerie: Die Nachfrage ist fast so groß wie die Probleme

Gerade läuft es richtig gut für Restaurants und Hotels. Doch auch die Herausforderungen der Branche sind mannigfach. Vor allem Personal ist knapp.

Gut besuchte Restaurants und Cafés, ausgebuchte Hotels – nach mehr als zwei Jahren Coronakrise, in denen die Branche jährliche reale Umsatzeinbußen von um die 40 Prozent hinnehmen musste, gehen die Zahlen nach oben – und sogar über das Vor-Corona-Niveau von 2019 hinaus. Mehr als jeder fünfte Betrieb (22,8 Prozent) berichtet laut einer Umfrage des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) von Umsatzzuwächsen im Mai von 20 Prozent und mehr, teilte der Präsident des Verbandes, Guido Zöllick, am Dienstag in Berlin mit. Im Schnitt lagen die Umsätze im vergangenen Monat nur noch 0,6 Prozent unter dem Vorkrisenwert.

Damit der Neustart der Branche gelinge, seien jetzt aber Planbarkeit und verlässliche Perspektiven wichtig. „Ich erwarte, dass beste Pandemie-Vorsorge für den Herbst getroffen wird, erneute Beschränkungen und Schließungen werden viele Unternehmen nicht überleben“, erklärte Zöllnick. Für das Winterhalbjahr bedürfe es bundesweit klarer Regeln und einheitlich definierter Risikolagen.

Massiv steigende Kosten und wachsende Unsicherheiten in Folge des Ukraine-Krieges: Die aktuellen Herausforderungen könnten kaum größer sein, betonte Zöllick. Neun Monate Lockdown und weitreichende Einschränkungen hätten tiefe Spuren hinterlassen – bei den Unternehmern wie den Mitarbeitern.

Die Frage um die Mehrwertsteuer

Nicht für alle mehr als 200.000 Betriebe, Restaurants, Frühstückspensionen, Tagungs- und Ferienhotels in Deutschland läuft es wieder gut. Jedes dritte Unternehmen der Branche (33,7 Prozent) beklagt im Vergleich zu 2019 weiter Umsatzrückgänge von 20 Prozent und mehr. Seit der Aufhebung der Corona-Maßnahmen im April waren es vor allem die privaten Gäste und Reisen, die den Betrieben in den Ferienregionen Aufwind brachten.

Geschäftliche Buchungen aber liegen demnach noch deutlich unter dem Vorkrisenniveau. „Tagungen und Messen finden zwar wieder statt, aber längst nicht auf dem Niveau von 2019“, sagt der Dehoga-Präsident. Bis dieser Bereich der Branche wieder wachse, sei eine längere Vorlaufzeit nötig. Eine Konferenz mit mehreren 1000 Teilnehmern stampfe man nicht mal eben so aus dem Boden.

Für die Zukunftsfähigkeit der Branche sei zentral, dass die im Juli 2020 eingeführte Mehrwertsteuersenkung für Speisen erhalten bleibe. Sie wurde eingeführt, um die Gastronomie in der Coronakrise zu entlasten. Für Essen, das in gastronomischen Betrieben verzehrt wird, gilt demnach der gleiche Steuersatz wie für Essen-To-Go, also sieben Prozent und nicht, wie vor Corona, ein Steuersatz von 19 Prozent.

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In 19 EU-Staaten sei man da weiter. „Dort wird steuerrechtlich kein Unterschied mehr gemacht“, so Zöllick. Auch die Getränke sollten bei der Steuererleichterung einbezogen werden, fordert der Dehoga-Präsident, angesichts der Probleme, die die Coronakrise für die „getränkegeprägte“ Gastronomie gebracht habe.

Personalmangel ist die größte Sorge

Größte Sorgen bereiteten den Betrieben die massiv steigenden Kosten für Energie, Lebensmittel und Personal. Ganz oben auf der Liste aber stehe der Personalmangel. Im März zählte die Bundesagentur für Arbeit etwas mehr als eine Million sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in der Branche. Das seien 63.000 weniger als im März 2019.

Beim Nachwuchs sei die Lage noch dramatischer: Aktuell lernten 41.500 junge Menschen in einer der sechs Ausbildungen in der Gastronomie, und damit fast 10.000 Azubis weniger als 2019. Um den Fachkräftemangel anzugehen seien in den letzten zwei Monaten in den Ländern Tarifverträge mit Lohnerhöhungen im zweistelligen Prozentbereich abgeschlossen worden. Auch die Ausbildungsvergütungen seien stark gestiegen.

Das bestätigte, ebenfalls am Dienstag, der Vorsitzende der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Guido Zeitler. Der Einstiegsverdienst liege nahezu flächendeckend bei mehr als zwölf Euro pro Stunde – ein Plus von bis zu 30 Prozent, erklärt er. Zeitler räumte ein, dass die gestiegenen Personalkosten für einige Unternehmen eine Herausforderung seien. Anders sei aber kein Personal mehr zu bekommen. „Wichtig ist, dass jetzt auch die Gäste Verständnis zeigen und bereit sind, für ein ordentliches Essen und eine gute Bewirtung etwas mehr auszugeben.“

Obwohl der Sommer gut startet, wird wohl auch das dritte Corona-Jahr mit Verlusten enden. Im ersten Quartal machte das Gastgewerbe ein Umsatzminus von mehr als 30 Prozent gegenüber 2019. Das lasse sich bis Dezember kaum ausgleichen, sagte Zöllick.

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