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Baustelle: Die Lebensversicherer bauen ihr Geschäft um und setzen auf Produkte ohne klassische Garantien.

© DPA

Garantien sollen weiter sinken: Haben sich Lebensversicherungen überlebt?

Die Zinsen sind im Keller, jetzt will die Branche an die Garantieversprechen. Verbraucherschützer sagen: Lebensversicherungen lohnen sich nicht.

Garantien haben etwas Beruhigendes. Sie versprechen Sicherheit und Beständigkeit, also genau das, was sich viele Menschen für ihre Altersvorsorge wünschen. Kein Wunder also, dass die klassischen Lebensversicherungen mit ihren Garantien zu den Lieblingen der Bundesbürger gehören, wenn es um Vorsorge und Geldanlage geht. 83 Millionen Policen gibt es hierzulande, statistisch gesehen hat damit jeder Deutsche eine Lebensversicherung – mindestens.

Doch die fetten Jahre sind vorbei. Die Zinsen sinken, und nun geht es auch dem Garantiezins – dem sogenannten Höchstrechnungszins – an den Kragen. Am Dienstag preschte die Deutsche Aktuarvereinigung mit dem Vorschlag vor, den Zins weiter herabzusetzen. Zum 1. Januar 2021 soll er von 0,9 Prozent auf 0,5 Prozent reduziert werden, so der Vorschlag der Versicherungsmathematiker.

Die Entscheidung trifft das Bundesfinanzministerium. „Wir werden die Vorschläge prüfen, eine Einschätzung liegt noch nicht vor“, sagte eine Sprecherin auf Anfrage. Doch das Votum der Spitzenmathematiker hat im Ministerium Gewicht. Auch Verbraucherschützer rechnen daher damit, dass der Garantiezins weiter purzelt. „Wir können davon ausgehen, dass der Garantiezins sinkt“, sagte der Chef des Bundes der Versicherten, Axel Kleinlein, dem Tagesspiegel – fraglich sei nur, ob auf 0,5 oder gleich auf 0,25 Prozent.

Der Garantiezins gilt für die gesamte Laufzeit eines Versicherungsvertrages. Maßgeblich ist immer der Zinssatz zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Die Absenkung würde daher nur für neue Verträge gelten. Wer heute unterschreibt, bekommt 0,9 Prozent. Altpolicen haben dagegen noch Garantiezinsen von bis zu vier Prozent.

Zusätzlich zu den Garantiezinsen bekommen Versicherungskunden noch eine Überschussbeteiligung und einen Schlussüberschuss. Die Überschussbeteiligung wird jährlich neu festgelegt und ist dem Kunden nur für die Vergangenheit sicher. Wie hoch die Schlussgewinnausschüttung ist, erfährt man ohnehin erst am Ende des Vertrags.

Klar ist aber: Für die Kunden bleibt immer weniger. Die laufende Verzinsung, die sich aus dem Garantiezins und der Überschussbeteiligung zusammensetzt, sinkt seit langem. In diesem Jahr liegt sie im Schnitt bei 2,46 Prozent, für 2020 erwartet die Ratingagentur Assekurata nur noch rund 2,3 Prozent. Hinzu kommt: Der Zins wird nur auf den Sparanteil des Versicherungsbeitrages gezahlt.

Branchenführer Allianz senkt die Überschussbeteiligung

Die ersten Meldungen aus den Versicherungsunternehmen machen wenig Mut. Zwar halten die Berliner Ideal Lebensversicherung, die Axa und die Ergo ihre Zinsen stabil, doch Deutschlands größter Lebensversicherer, die Allianz, senkt für das nächste Jahr die laufende Verzinsung genauso wie die Alte Leipziger und die Nürnberger Leben. Und für die Branche ist die Allianz maßgeblich, viele Konkurrenten richten sich nach ihr.

Sichere Anlagen bringen keine Zinsen

Die Versicherer leiden wie kaum eine Branche unter dem Zinsrutsch an den Kapitalmärkten. Sie legen das Geld der Versicherten – mehr als eine Billion Euro – bevorzugt in sicheren, festverzinslichen Wertpapieren an. Das liegt nicht zuletzt an gesetzlichen Vorgaben. Versicherungsunternehmen, die in Aktien oder andere vermeintlich riskantere Anlagen investieren, müssen dafür deutlich mehr Kapital in der Bilanz hinterlegen.

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Ende 2018 steckten daher mehr als 80 Prozent der Versichertengelder in Anleihen oder anleiheähnlichen Produkten. Das Problem: Sichere Papiere werfen keine Zinsen mehr ab. Erst recht nicht genug, um Garantien von vier Prozent zu erfüllen. Um die Ansprüche auch dieser Kunden zu sichern, müssen die Versicherer seit 2011 einen Kapitalpuffer, die sogenannte Zinszusatzreserve, aufbauen, was zusätzlich Geld kostet.

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Viele Unternehmen verabschieden sich daher von den herkömmlichen Garantieprodukten und bieten neue, etwas höher verzinste Verträge an, die nur den Kapitalerhalt garantieren. Einige Gesellschaften wie etwa die Generali Leben haben sich ganz von ihren Altverträgen getrennt.

Verbraucherschützer: Lebensversicherungen lohnen sich nicht

Eine Absenkung des Garantiezinses wäre nach Meinung des Bundes der Versicherten ein weiterer Sargnagel für die Lebensversicherungen. „Lebensversicherungen rentieren sich für die Kunden dann noch weniger als bisher“, sagt Verbandschef Axel Kleinlein. Eine Absenkung sollte jedoch frühestens zum 1. Januar 2021 erfolgen, meint der Verbraucherschützer. Alles andere wäre „falscher Aktionismus“.

In diesem Punkt ist Kleinlein ausnahmsweise einer Meinung mit der Versicherungswirtschaft. Der Versicherungsverband GDV nannte den Vorschlag, den Höchstrechnungszins abzusenken, „nachvollziehbar“. Die Unternehmen bräuchten aber Zeit für die Vorbereitung – eine Absenkung sollte daher möglichst frühzeitig bekanntgegeben werden und nicht vor dem 1. Januar 2021 erfolgen, fordert der Verband.

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