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Wie viele Häuser von Karstadt Galeria Kaufhof schließen müssen, ist noch nicht klar.

© Birgit Reichert/dpa

Galeria Karstadt Kaufhof will 80 Filialen schließen: „Ich gehe davon aus, dass das noch das Best-Case-Szenario ist“

Für die Branche kommt der harte Sanierungsplan der Kaufhauskette nicht überraschend. Sie spekuliert seit Wochen, dass nur wenige Warenhäuser übrig bleiben.

Die Stimmung in der deutschen Einzelhandelsbranche ist so schlecht, dass auch drastische Nachrichten kaum noch überraschen können. Am Freitagnachmittag machte die Meldung die Runde, dass Galeria Karstadt Kaufhof fast die Hälfte seiner Warenhäuser schließen will. 80 der rund 170 Filialen des Konzerns sollen geschlossen werden, meldeten zahlreiche Medien übereinstimmend.

In den restlichen Filialen sollen zudem bis zu zehn Prozent der Jobs gestrichen werden. Auf Tagesspiegel-Anfrage reagierte die Warenhauskette am Freitag nicht.

Für Gerrit Heinemann war der Schritt erwartbar. „Ich gehe davon aus, dass das noch das Best-Case-Szenario ist“, sagte Gerrit Heinemann, Wirtschaftsprofessor der Hochschule Niederrhein, dem Tagesspiegel. Es sei gut möglich, dass noch viel mehr Häuser geschlossen werden müssen.

„Wir befinden uns ja in einer Situation, die für keinen Einzelhändler planbar ist“, so der Einzelhandelsexperte weiter. „Von einem zurückhaltenden Konsumverhalten bis hin zu einem zweiten Shutdown ist alles möglich.“ Er hält es für möglich, dass die Coronakrise „Karstadt Galeria auch komplett in die Insolvenz führt".

Verdi kritisiert die Geschäftsführung

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi sieht das naturgemäß anders und fand deutliche Worte für die Pläne. „Das ist brutal“, sagte Stefanie Nutzenberger, das für den Handel zuständige Bundesvorstandsmitglied.

„Es hat den Anschein, dass die Unternehmensleitung und der Eigentümer die Corona-Krise missbrauchen, um ihre ursprünglichen Planungen von Standortschließungen und Entlassungen doch noch umzusetzen.“

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Karstadt Kaufhof befindet sich seit Anfang April wegen der Corona-bedingten Schließungen in einem Schutzschirmverfahren. Das bringt die Möglichkeit mit sich, selbst Sanierungspläne aufzustellen, bevor es ein Insolvenzverwalter tut.

[Jetzt mal konkret: Seit wann gibt es das große Karstadt in der Altstadt von Berlin-Spandau? Und was sagt die CDU? Steht hier im Tagesspiegel-Newsletter für Berlin-Spandau - in voller Länge: leute.tagesspiegel.de]

Beschlossen ist aber noch nichts; bis Ende Juni müssen Gläubiger, Gerichte und Arbeitnehmervertreter den Plänen zustimmen. Findet sich keine Lösung, droht die Insolvenz. Diese Perspektive könnte die Konzernführung als Druckmittel nutzen, um beispielsweise niedrigere Mieten auszuhandeln und Filialen dann doch offen zu halten, heißt es dazu im „Spiegel“.

Bleiben nur 17 Filialen übrig?

Rund 500 Millionen Euro hat der österreichische Eigentümer René Benko über seine Signa-Gruppe bisher bereits in Galeria Karstadt Kaufhof investiert und bereits mehrere hundert Millionen darüber hinaus zugesagt. Einen Corona-Kredit über die KfW hatte der Konzern aber nicht erhalten, da die Hausbanken laut dem „Spiegel“ zu hohe Sicherheiten verlangt hatten.

[Jetzt mal konkret: Die Bezirksbürgermeisterin sprach schon mit der Filial-Leitung: Hier die Neuigkeiten zu Karstadt in Berlin-Tempelhof - im Tagesspiegel-Newsletter für den Bezirk: leute.tagesspiegel.de]

Spekulationen über massive Filialschließungen hatten schon Ende April die Runde gemacht, als Benko 17 Karstadt-Galeria-Immobilien für rund 700 Millionen Euro verkauft hatte. Da solche Kaufverträge meist an langfristige Mietverträge gekoppelt sind, wurde der Verkauf als Zeichen dafür gewertet, dass möglicherweise nur diese 17 Filialen am Ende übrig bleiben. Um welche Standorte es sich handelt, ist derzeit noch nicht bekannt.

Corona-Ausfälle von einer Milliarde Euro

Die Geschäftsleitung hatte die Mitarbeiter bereits auf die Schließung von Warenhäusern und einen Abbau von Stellen eingestimmt. In einem Brief an die Mitarbeiter hatte es geheißen, der gerichtlich bestellte Sachwalter Frank Kebekus und der Generalbevollmächtigten Arndt Geiwitz gingen davon aus, „dass die vor uns liegende Sanierung weit entschlossener ausfallen muss, als wir alle uns das wünschen würden“.

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Der Konzern habe während der Zeit der Komplettschließung mehr als eine halbe Milliarde Euro verloren, hieß es in dem Schreiben weiter. Die Umsätze der letzten acht Wochen, darunter das wichtige Ostergeschäft, fehlten, der Rückstand sei nicht aufzuholen. „Insgesamt dürfte sich der Umsatzverlust auf bis zu einer Milliarde Euro erhöhen.“

Rund 28.000 Mitarbeiter hat Galeria Karstadt Kaufhof in Deutschland. Seit der Fusion Ende 2018 hatte die Konzernführung um Stephan Fanderl einen Sparkurs angekündigt, gleichzeitig aber mit Synergieeffekte von rund 380 Millionen Euro gerechnet – sie traten bislang jedoch nicht wie erhofft ein. Laut Verdi hatte der Konzern noch vor Weihnachten eine Standort- und Beschäftigungssicherung tarifvertraglich zugesichert.

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