zum Hauptinhalt
Carsten Kengeter hatte für die Fusion geworben, nun steht er vor dem Scheitern.

© Kai Pfaffenbach/REUTERS

Update

Fusion von Londoner und Deutscher Börse: Der Traum von der Superbörse droht zu platzen

Rückschlag für Börsenchef Kengeter. Die LSE will die Hochzeit scheitern lassen. SPD-Fraktionsvize Schneider fordert einen Plan B.

Es sollte das ganz große Ding werden. Die Londoner und die Frankfurter Börse wollten sich zusammenschließen und den großen US-Plätzen die Stirn bieten. Gut 25 Milliarden Euro wäre der Deal schwer gewesen, für den der Vorstandschef der Deutschen Börse, Carsten Kengeter, unermüdlich getrommelt hatte. Auch nach dem Brexit-Referendum noch, das die Briten aus der EU katapultieren werden. Doch der Einsatz dürfte vergeblich gewesen sein. Die Börsenhochzeit ist ziemlich sicher geplatzt.

In Wirklichkeit geht es um den Sitz der Holding

Vordergründig geht es um die Weigerung der London Stock Exchange (LSE), eine Auflage der EU-Kommission zu erfüllen. Die Wettbewerbshüter, die die Fusion genehmigen müssen, hatte den Briten aufgetragen, Anteile an der italienischen Handelsplattform MTS zu verkaufen. Die LSE weigert sich. In Kreisen der Deutschen Börse glaubt man jedoch, das sei nur vorgeschoben. Tatsächlich herrscht Streit zwischen den Deutschen und den Briten, wo der Sitz der neuen Superbörse sein soll. Vor dem Brexit hatte man sich auf London verständigt. Die LSE und der Finanzplatz London beharren weiter darauf, dass der Sitz der gemeinsamen Obergesellschaft an der Themse angesiedelt sein soll. Dies befürwortet auch Kengeter. Allerdings findet er dafür keine Unterstützung am Finanzplatz Frankfurt und in der Politik - weder beim Hessischen Wirtschaftsministerium und der Landesregierung, die für die Aufsicht der Frankfurter Börse zuständig ist, noch bei der Bundesregierung.

London first: Die Londoner Börse will, dass die neue Superbörse ihren Holdingsitz an der Themse hat.
London first: Die Londoner Börse will, dass die neue Superbörse ihren Holdingsitz an der Themse hat.

© null

Die LSE zieht die Notbremse

Nun zieht die LSE die Notbremse. Sie will die MTS nicht abgeben. Die Führung der Deutschen Börse, so heißt es in Frankfurt, sei von diesem Beschluss gerade einmal 30 Minuten vor der offiziellen Bekanntgabe informiert worden. Die Abgabe von Anteilen an der italienischen MTS hätte das Fusionsvorhaben keineswegs beeinträchtigt, heißt es bei Managern des Frankfurter Börsenbetreibers. Zwar taten am Montag die Deutsche Börse und die LSE noch so, als ob die Fusion noch nicht endgültig gestorben sei. Allerdings räumte die LSE ein, dass die Kommission die Fusion wohl nicht genehmigen werde. Schließlich sind die Vorgaben der Wettbewerbshüter in Brüssel dem Vernehmen nach eindeutig. Stößt die LSE ihre MTS-Anteile nicht ab, würde die EU-Kommission die Fusion stoppen. Ende der Woche wollen die Wettbewerbshüter ihr Votum abgeben.

Die Politik macht Druck

Aber selbst bei einem Ja aus Brüssel wäre nicht klar gewesen, ob das für die Aufsicht der Frankfurter Börse zuständige hessische Wirtschaftsministerium zugestimmt hätte. Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) wie auch der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) hatten in den vergangenen Wochen deutlich gemacht, dass sie einem Sitz in London kaum zustimmen würden.

Zu Recht, wie SPD-Vizefraktionschef Carsten Schneider findet. „Die große europäische Börse muss ihren Sitz im Euro-Raum haben und muss dem Regulierungsrahmen der EU unterliegen“, sagte der Finanzexperte dem Tagesspiegel. Schneider übte heftige Kritik an Kengeter und Co. „Der Brexit und die Ermittlungen gegen den Vorstandschef waren zu viel“, meint Schneider. „Das Management hat dabei alles andere als glücklich agiert. Der Fusionsversuch hat der Deutschen Börse geschadet.“

Ermittlungsverfahren gegen Kengeter

Belastet wird die Deutsche Börse nämlich auch durch ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwalt wegen angeblichen Insiderhandels. Kengeter hatte sich im Dezember 2015 für 4,5 Millionen Euro Aktien der Deutsche Börse gekauft, mit ausdrücklicher Genehmigung des Aufsichtsrats, der für Kengeter noch einmal für 4,5 Millionen Euro Papiere kaufte. Nach Ansicht der Staatsanwalt hat Kengeter zu diesem Zeitpunkt bereits von der geplanten Fusion gewusst. Kengeter bestreitet dies. Offiziell bekanntgegeben wurden die Pläne erst im Februar 2016. Schon damals bezeichneten im Übrigen Beobachter den Brexit als größtes Risiko für die Fusion

Kein Plan B

Aufsichtsrat und Vorstand müssten jetzt schnell einen Plan B entwickeln, fordert Finanzexperte Carsten Schneider. "Im Wettbewerb mit den großen US-Börsen ist die Deutsche Börse allein nicht überlebensfähig."

Das sieht auch Kengeter so. Dem Börsen-Chef zufolge hinkt die Deutsche Börse schon heute im internationalen Wettbewerb weit hinter US-Börsen und auch Börsen in Asien hinterher. Ohne die Fusion würde sie weiter an Boden verlieren. Zur Weiterentwicklung sei der Zusammenschluss mit einem starken Partner dringend erforderlich. Auch für den Finanzplatz Frankfurt, der weltweit nur noch auf Platz 19 rangiere, sei der Plan sehr wichtig. Noch vor zwei Wochen hatte Kengeter betont, er sehe in Brüssel keine Probleme. Einen Plan B für das Scheitern des Vorhabens hat der Ex-Investmentbanker, der in Frankfurt längst nicht mehr unumstritten ist, aber nicht. Stattdessen hatte die Börse mithilfe von Beratern versucht, die Fusion über die Bühne zu bringen. Nach Informationen des Wirtschaftsmagazins „Bilanz“ wurde dazu auch der Ex-Grüne-Außenminister Joschka Fischer engagiert, auf eine entsprechende Tagesspiegel-Anfrage reagierte Fischer am Montag nicht.

Der dritte Flop

Es ist das dritte Mal, dass ein geplanter Zusammenschluss der Deutschen Börse mit der Londoner Börse scheitert. Im Jahr 2000 und vier Jahre später wollte der damalige Börsen-Chef Werner Seifert zunächst mit der LSE fusionieren, dann den Londoner Konkurrenten für knapp zwei Milliarden Euro schlucken. Die Übernahme scheiterte beim ersten Mal an einem Gegenangebot der skandinavischen Börse OM, dann am Widerstand von Hedgefonds, die an der Deutschen Börse beteiligt waren, dem Vernehmen nach aber auch am nicht sonderlich diplomatischen Auftreten Seiferts in London. Auch sein Nachfolger Reto Francioni hatte mit dem Plan einer Großfusion keinen Erfolg. 2011 startete er einen Anlauf zum Zusammenschluss mit der New Yorker NYSE, zu der auch die Pariser Börse gehörte. Doch die EU Kommission untersagte das Vorhaben wegen Wettbewerbsbedenken.

Zur Startseite