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Der deutsche Bundestag in Berlin ist am Morgen des 27.11.2015 von Nebelschwaden umgeben.

© dpa

Für mehr Transparenz: NGOs präsentieren "Gesetzentwurf" für ein Lobbyregister

Die Bürgerorganisationen Abgeordnetenwatch und Lobbycontrol haben einen konkreten Vorschlag erarbeitet, um die Arbeit von Interessensvertretern transparenter zu machen.

Von Hendrik Lehmann

Sie treffen die Abgeordneten zum Mittagessen oder schicken ihnen Beratungsunterlagen: Mehrere Tausende Lobbyisten arbeiten in Berlin, die genaue Zahl kennt niemand. Während Verbände für Berlin alleine über 1100 Büros beim Bundestag registriert haben, ist völlig unklar, wie viele Mitarbeiter diese jeweils haben, über welche Budgets sie verfügen oder zu welchen Gesetzen sie aktuell arbeiten. Hinzu kommt eine ebenfalls unbekannte Zahl von firmeneigenen politischen Interessensvertretungen in der Hauptstadt. Geht es nach den beiden Nichtregierungsorganisationen (NGOs) Lobbycontrol und Abgeordnetenwatch, soll sich dies nun ändern. Sie wollen am Montag einen Gesetzesentwurf veröffentlichen, der eine Registrierungspflicht für alle Lobbyisten in Deutschland vorsieht, auch für PR-Agenturen, Firmen und Anwaltskanzleien.

Tatsächlich enthält das Papier, das von Juristen erstellt worden ist, alle Elemente eines "Gesetzentwurfes". Damit sich der Bundestag damit befasst, bräuchten die Organisationen aber natürlich mindestens einen Abgeordneten oder eine Abgeordnete, die diesen Entwurf in der vorliegenden Form oder mit Änderungen übernimmt und ihn einbringt. Der "Entwurf" liegt dem Tagesspiegel vor und soll am kommenden Montag (6. Februar 2017) im Wortlaut veröffentlicht werden.

Die Autoren schlagen vor, dass alle Organisationen und Personen, die in organisierter Form und bewusst Einfluss auf Gesetze oder andere Regelungen (beispielsweise Haushaltsvorlagen) nehmen, zur Eintragung in ein Lobbyregister verpflichtet werden. "Normale Bürger, die mit ihren Abgeordneten diskutieren wollen, solle davon natürlich nicht betroffen sein", sagt Timo Lange von Lobbycontrol. Deswegen sind im Gesetzesentwurf Mindesteinnahmen, beziehungsweise -ausgaben für Registrierungspflichtige festgesetzt. Wer weniger als 1500 Euro im Quartal für Interessensvertretung ausgibt oder einnimmt, müsste sich demnach nicht registrieren.

Firmen und Kanzleien sollen sich auch registrieren

Wer hingegen im Gesetz eindeutig miterfasst würde, sind Firmen und Anwaltskanzleien, die politische Interessensvertretung betreiben. Gerade bei Anwaltskanzleien gilt eine solche Regelung als problematisch, da Anwälte dem Schweigegebot unterliegen. "Wir denken aber, dass dieses Problem lösbar ist, indem nur Leistungen von Anwälten betroffen sind, die auf eine Änderung von Gesetzen hinwirken", sagt Roman Ebner von Abgeordnetenwatch.

Um möglichst viele Rechtsprobleme im Vorhinein auszuschließen, haben die NGOs mit der Juristin Katrin Pink zusammengearbeitet. "Uns geht es mit dem Entwurf vor allem darum, zu zeigen, dass eine solche Regelung machbar ist", sagt Ebner. Dabei gehe es ausdrücklich nicht darum, die demokratisch notwendige Vertretung von Interessen zu verhindern. Vielmehr sollen Bürger, Journalisten und Forscher endlich in die Lage versetzt werden, die Entstehung von Entscheidungen im Parlament nachzuvollziehen.

Um diese Transparenz zu erreichen, sieht der Gesetzentwurf nicht nur vor, dass Interessensvertreter Ausgaben, Mitarbeiterzahl und bearbeitete Gesetze veröffentlichen müssen. Sie sollen zudem angeben, wer ihre Mitgliedsverbände und -Unternehmen sind und insbesondere, ob sie in den vergangenen letzten Jahren selbst als Abgeordnete tätig waren. Auch die Namen und Geschäftsanschrift Dritter, die ihnen Aufträge erteilt haben, müssten angeben werden. Um besonders aggressive Einflussnahme zu unterbinden, sieht der Entwurf zudem ein Verbot von erfolgsabhängigen Prämien für Lobbyisten vor.

Bundesbeauftragter für politische Interessensvertretung soll geschaffen werden

Um die Angaben zentral, aber unabhängig erheben zu können, sieht der Gesetzesentwurf auch die Schaffung eine unabhängiger Bundesbehörde ähnlich der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit vor. Jener "Bundesbeauftragte für politische Interessensvertretung" wäre demnach auch befugt, Sanktionen zu verhängen, falls gegen die Registrierungspflicht verstoßen würde. Bei der Entwicklung des Gesetzesentwurfs haben sich die Verbände an bereits bestehenden Transparenzgesetze in de USA, Kanada und in Brüssel orientiert.

Ein Vorentwurf war in den letzten Monaten bereits im Netz zur Debatte verfügbar und soll Mitte Februar dem Bundestag übergeben werden. Gemeinsam mit Online-Petitionsplattformen wie Campact haben Lobbycontrol und Abgeordnetenwatch nach eigenen Angaben bereits 400.000 Unterschriften für ein solches Lobbyregister gesammelt. Nun erhoffen sich die Organisationen eine breitere politische Debatte mit Politikern, Firmen und Verbänden über das vorliegende Papier.

Bislang gibt es lediglich ein freiwilliges Lobbyregister des Bundestages. Hier können sich Verbände und Nichtregierungsorganisationen registrieren, Firmen und Kanzleien jedoch nicht. Das Register liegt zudem lediglich als über 800-seitiges PDF vor, sodass es nicht ohne Weiteres verarbeitet werden kann.

Eine ausführliche Analyse des bestehenden Lobbyregisters und der Interessensvertreter in Berlin finden sie in unerer interaktiven Datenanalyse zur Lobbylandschaft in Deutschland und Berlin.

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