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Islands Visionär. Arbeiten, um Geld zu verdienen, braucht Skuli Mogensen schon lange nicht mehr.

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Für 169 Euro in die USA: Skulis Traum vom Fliegen

Skuli Mogensen ist einer der reichsten Isländer. Er war Tech-Unternehmer und Bankenretter. Jetzt will er die Airline-Branche umkrempeln - mit transatlantischen Billigflügen.

Von Carla Neuhaus

Skuli Mogensen langweilt sich schnell. Einfach mal Nichtstun, sich ausruhen, faulenzen, das ist nicht seins. Einmal, erzählt der 46-jährige Isländer, habe er versucht, in den Ruhestand zu gehen. „Damit bin ich kläglich gescheitert.“ 2008 war das, Mogensen hatte gerade seine Tech-Firma an Nokia verkauft. Seitdem zählt er zu den reichsten Männern Islands. Arbeiten müsste Mogensen längst nicht mehr – wäre da nicht der Drang, ständig Neues auszuprobieren. Doch was macht ein Millionär, dem langweilig wird? Er gründet eine Fluggesellschaft. „Wow Air“ hat Mogensen seine genannt.

Die Geschichte von Skuli Mogensen ist die eines Mannes, der ein Leben auf der Überholspur führt. Der etwas am liebsten dann tut, wenn alle anderen ihn deshalb für verrückt erklären. Der Extremsport macht wie Heliskiing oder Triathlon. Der Philosophie studiert und parallel mit 21 Jahren seine erste Firma gründet. Der später mit seinem Privatvermögen eine Bank rettet, als alle anderen Institute seines Landes verstaatlicht werden oder untergehen. Der die Herausforderung liebt und noch mehr das Risiko. „Life is beautiful“, das Leben ist schön, steht auf seiner Visitenkarte.

Mogensen sitzt da, als habe er alle Zeit der Welt

An einem verregneten Tag Anfang März sitzt Mogensen auf der Rückbank eines Berliner Taxis. Er ist für die Internationale Tourismusmesse (ITB) in der Stadt, will dort für seine Airline werben. Erst vor wenigen Stunden ist er in Schönefeld gelandet – am Vortag war er noch Skifahren in Genf. Der Zeitplan für  Berlin ist eng, ein Termin jagt den nächsten, seine Marketingchefin tippt eifrig in ihr Smartphone. Doch Mogensen sitzt da, als habe er alle Zeit der Welt.

An Berlin, sagt er, möge er vor allem die Kreativität. Erst kürzlich habe er Olafur Eliasson besucht – einen isländischen Künstler, der sein Atelier in der Stadt hat. Überhaupt ist Mogensen ein großer Fan zeitgenössischer Kunst. Sie beeinflusst und inspiriert ihn. Was das mit dem Geschäft zu tun hat? „Eine Unternehmen zu gründen, ist auch eine Art der Kunst“, sagt Mogensen. „Man muss innovativ sein, neue Wege gehen.“ So ist seine Fluggesellschaft Wow Air dann auch ein Experiment. Es ist der Versuch, einen alten Markt aufzumischen. Denn Mogensen will erreichen, was bislang keinem in der Branche gelungen ist: Billigflüge auch auf der Langstrecke anzubieten.

2014 zählte Mogensens Billig-Fluggesellschaft "Wow Air" bereits eine halbe Million Fluggäste.
2014 zählte Mogensens Billig-Fluggesellschaft "Wow Air" bereits eine halbe Million Fluggäste.

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In den vergangenen drei Jahren hat Wow Air in erster Linie Touristen aus allen Teilen Europas nach Island gebracht – 2014 zählte die Airline bereits eine halbe Million Fluggäste. Jetzt will Mogensen seine Flieger auch über den Atlantik schicken. Wer früh bucht, soll ab Herbst für einen Flug von Berlin über Reykjavik nach Boston oder Washington nur 169 Euro zahlen. Selbst wenn Gepäck, mehr Beinfreiheit, Getränke und Snacks extra kosten, ist das ein Kampfpreis. Und Mogensen ist überzeugt, ihn auf Dauer durchzuhalten. „Man wird bei uns auch langfristig Atlantikflüge für unter 200 Euro finden“, sagt er. Dabei haben Billig-Airlines es auf der Langstrecke schwer. Sie sparen bei Service, Verpflegung, Bequemlichkeit. Je länger jedoch ein Flugzeug unterwegs ist, desto stärker fallen die Kosten fürs Kerosin ins Gewicht und die sind nunmal für alle Airlines gleich hoch. Deshalb bieten Konkurrenten wie Ryanair oder Easyjet auch noch immer keine Flüge von Europa in die USA an – obwohl sie schon deutlich länger am Markt sind als Wow Air.

Der Brite Sir Richard Laker scheiterte mit Billigflügen

Immer wieder mal hat es in der Vergangenheit kühne Unternehmer gegeben, die versucht haben, den Markt mit Transatlantikflügen umzukrempeln. Der Brite Sir Richard Laker ist so ein Beispiel, ein Selfmademan wie Mogensen. In den 70er Jahren flog seine Airline Laker Airways Gäste für 78 Pfund von London nach New York. Königin Elisabeth II. war davon sogar so begeistert, dass sie Laker zum Ritter schlug. Doch sein Aufstieg endete abrupt: Dem Briten ging das Geld aus, die Banken stellten sich quer, Laker Airways musste Insolvenz anmelden.

Mogensens Geschichte soll anders ausgehen. „Nur weil etwas in der Vergangenheit nicht funktioniert hat, heißt das nicht, dass es auch heute nicht funktioniert“, sagt er. Der Isländer sieht seinen Vorteil vor allem im Standort:  „Wir profitieren von unserem Drehkreuz in Reykjavik.“ Denn aus europäischer Sicht ist Island zwar weitab vom Schlag – doch für diejenigen, die in die USA wollen, liegt es auf dem Weg. Beim Zwischenstopp auf der Vulkaninsel können die Flugzeuge auftanken – wodurch die Airline auf der Langstrecke kleinere Maschinen einsetzen kann, die weniger Sprit verbrauchen und schneller ausgebucht sind. Außerdem setzt der Isländer darauf, dass heute deutlich mehr Menschen ihre Flüge online buchen – das macht es leichter, auch kurzfristig noch Restplätze zu verkaufen.

Ob die Rechnung aufgeht? Mogensen ist davon überzeugt. Man kann das naiv nennen oder mutig. Möglicherweise liegt sein Optimismus einfach darin, dass er mit einem unbedarften Blick auf die Branche schaut. Bevor er seine Airline gründete, hatte er nämlich keine Ahnung vom Geschäft mit der Luftfahrt. „Ich kannte es nur aus Sicht des Fluggastes“, sagt er. Seine Welt war lange eine andere. Vor Wow Air hat er sein Geld in der IT-Industrie verdient.

Unternehmer, sagt er, sei er nur durch Zufall geworden. Es war ein Freund, der ihn überredete: Gudjon Gudjonsson, damals 18 Jahre alt, entwickelte 3-D-Software. Zusammen gründeten sie die Firma OZ Communications. „Er war das TechGenie, ich habe das Geld zusammengehalten“, sagt Mogensen heute. Später verkauften sie ihre Softwarelizenzen an Microsoft – und stiegen in den Mobilfunkmarkt ein. Sie entwickelten Kommunikationstechnologie fürs Handy, damals ein Novum. Ende der neunziger Jahre beschäftigen sie über 200 Mitarbeiter – bis die Dotcom-Blase platzte und sie fast die gesamte Belegschaft entlassen mussten.

In der Finanzkrise rettete Mogensen die kleine MP Bank

Es war eine Erfahrung, die Mogensen prägte. Er zog nach Kanada, baute die Firma dort neu auf – um sie schließlich 2008 an Nokia zu verkaufen. Für welchen Preis das Unternehmen den Besitzer wechselte, ist nicht bekannt. Doch Mogensen hatte damit ausgesorgt. Fortan investierte er in Start-ups. Ganz glücklich machte ihn das aber nicht. „Ich habe mein Leben lang auf dem Fahrersitz gesessen“, sagt er. Und dann war er auf einmal nur noch Beifahrer.

Das änderte sich mit der Finanzkrise. Nach Jahren des Booms brach Islands Bankensektor plötzlich komplett zusammen. Die drei größten Institute des Landes wurden verstaatlicht, die Wirtschaft kollabierte, das Land stand kurz vorm Staatsbankrott. Mogensen, der in Kanada die Krise unbeschadet überstanden hatte, wollte helfen. Er kehrte nach Island zurück und stellte eine Gruppe von Investoren zusammen, mit der er die kleinere MP Bank rettete, deren Vizevorsitzender er bis heute ist. „Ich habe an die Bank geglaubt und es war eine Chance, dort einzusteigen“, sagt er. Mogensen und die anderen Investoren wollten eine Bank aufbauen, die vor allem den kleinen und mittelständischen Firmen wieder Kredite gewähren konnte.

Als das gelang, überlegte Mogensen schließlich, was er künftig machen wolle gegen seine Langeweile. Und welcher Wirtschaftssektor in Island langfristig das meiste Potenzial habe. Er kam auf den Tourismus – und damit auf die Idee mit der Billig-Airline. Zunächst wollte er dafür einen Geschäftsführer einstellen, schließlich machte er den Job aber doch lieber selber. Seitdem ist er wieder Vollzeit-Unternehmer. Auch an Wochenenden und im Urlaub sei er für seine Mitarbeiter jederzeit erreichbar, sagt Mogensen. Aber das sei nicht schlimm. „Ich liebe jede Minute davon.“

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