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Wirtschaft: Frust und Enttäuschung lähmen Japan

Premier Shinzo Abe wollte das Land reformieren – doch die Wirtschaft vertraut ihm nicht mehr.

Tokio - Eine der schillerndsten Figuren aus Japans Unternehmerschaft hat hingeschmissen. Hiroshi Mikitani, Gründer und Vorstandschef des im Land dominierenden Online-Versandhauses Rakuten, war Mitglied eines prominenten Beraterstabs von Premierminister Shinzo Abe. Seit Abes Amtsantritt Ende 2012 erarbeiten hochrangige Vertreter aus Wissenschaft, Privatwirtschaft und Bürokratie Ideen, wie Japans Wirtschaft erneuert werden müsste, um wieder langfristig wachsen zu können.

Wenn es in der Öffentlichkeit bisher um dieses Gremium ging, wurde der Name Mikitani meist zuerst genannt. Jetzt nicht mehr. „Ich hab’ die Schnauze voll“, sagte er diese Woche in einer für Japan ungewohnt deutlichen Sprache. In Abes Wachstumsstrategie habe es darum gehen sollen, unternehmerfeindliche Regulierungen abzuschaffen und neue Betriebe und Dienstleistungen zu fördern. „Es ist enttäuschend zu sehen, dass es sich jetzt in die entgegengesetzte Richtung entwickelt“, sagte Mikitani – und trat zurück.

Für Japans Regierung ist dies ein herber Rückschlag, zumal die Wirtschaftspolitik ohnehin an immer mehr Hürden stößt. Mikitanis Unternehmen Rakuten gilt als eines der innovativsten Unternehmen des Landes, ein Beispiel für Modernität. Shinzo Abe ist mit dem großen Versprechen angetreten, Japan aus einer nun 20 Jahre währenden Stagnation zu holen, eben durch Modernisierung. Dazu hat er eine sehr lockere Geldpolitik der Zentralbank erzwungen, Konjunkturprogramme verabschiedet und Strukturreformen angekündigt, damit Japan auch dann noch wachsen kann, wenn die Effekte von Staatsanleihekäufen und öffentlichen Ausgaben verpufft sind.

Inzwischen jedoch häuft sich die Kritik an diesen Reformen, weil sie nicht weit genug gehen. Hiroshi Mikitani ist nicht der einzige Enttäuschte in Japan. Die bisher beschlossenen Strukturreformen seien „so schwach, dass es schwer ist, irgendwen zu finden, der das für eine Strategie hält“, kommentiert Tobias Harris, Analyst beim Politikberater Teneo Intelligence.

Abe hatte unter anderem versprochen, Handelsbarrieren zu senken und Unternehmensgründungen zu erleichtern. Zudem sollen stärker beschäftigungswirksame Wirtschaftsbereiche subventioniert werden, statt etwa die Landwirtschaft, die nur vor der internationalen Konkurrenz geschützt wird. Der Anteil von Frauen und gut ausgebildeten Ausländern am Arbeitsmarkt, zwei in Japan nach internationalen Verhältnissen unterrepräsentierte Gruppen, soll sich erhöhen.

Doch die Umsetzung der Maßnahmen stockt. Die Streichung von Fördergeldern für Bauern soll nun mit Zuschüssen an anderer Stelle ausgeglichen werden. Die Bemühungen, mehr Frauen in Erwerbsarbeit zu bringen, droht zu scheitern, weil es mit der Schaffung zusätzlicher Kindergartenplätze nicht getan ist. Schließlich braucht der Nachwuchs nicht nur im Kindergartenalter Betreuung. Und die Anwerbung qualifizierter Ausländer misslingt, weil die wenigsten Bewerber die schwierigen Einstiegstests bestehen.

An ernüchternden Nachrichten für die Regierung mangelt es nicht. Jüngste Daten des Arbeitsministeriums zeigen, dass Japans Durchschnittseinkommen nun im 16. Monat in Folge leicht gesunken ist. Das ist problematisch, weil es in den vergangenen beiden Quartalen vor allem der private Konsum war, der die Wirtschaft angekurbelt und für ein Wachstum von mehr als drei Prozent gesorgt hat. Der Konsum macht rund die Hälfte der japanischen Wirtschaftsleistung aus – bislang. Umfragen zufolge schwindet der Optimismus japanischer Verbraucher.

Kontraproduktiv wirkt zudem die lockere Geldpolitik, mit der die Zentralbank schnellstmöglich eine Inflationsrate von zwei Prozent erreichen will. Dies käme schon bei einem konstanten Einkommensniveau einem Reallohnverlust von zwei Prozent gleich. Zuletzt war die Teuerungsrate, nachdem sie über zwei Jahrzehnte nahezu konstant gewesen war, schon leicht positiv. Bremsen wird den privaten Konsum außerdem der Plan der Regierung, ab Frühjahr 2014 die Mehrwertsteuer von fünf auf zunächst acht und mittelfristig zehn Prozent zu erhöhen, um die Staatsschulden in den Griff zu bekommen.

Shinzo Abe hat die Unternehmen mehrfach aufgefordert, Löhne und Gehälter zu erhöhen. Bisher sind die Arbeitgeber dieser Bitte nicht nachgekommen. Wie Hiroshi Mikitani wollen sie von ihm zuerst richtige Reformen sehen. Felix Lill

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