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Vor dem Frost: Wie hier in Werder standen die Kirschen Anfang April in voller Blüte, dann kam die Kälte.

© Ralf Hirschberger/dpa

Frost in Berlin und Brandenburg: Bauern hoffen nach Frost auf mildes Wetter

In der Nacht zu Dienstag war es noch einmal frostig, jetzt kommt die Wende. Doch die Kirschblüten aus Werder sind schon erfroren - und nicht nur die.

Einmal noch zittern, dann ist es hoffentlich geschafft. Ab diesem Dienstag können die Obstbauern in Berlin und Brandenburg aufatmen, sagt Meteorologe Jürgen Weiß vom Wetterdienstleister Meteogroup. Dann ist die wohl letzte Frostnacht mit Temperaturen von minus fünf Grad geschafft, und es wird endlich wärmer, auch nachts. Im Süden Deutschlands müssen die Landwirte noch einen Tag länger aushalten, hier wird es ab Mittwoch frostfrei und milder. „Dann ist wohl endlich Ruhe“, meint Weiß.

Wein und Obstblüten hat es erwischt

„Ist der Mai kühl und nass, füllt’s dem Bauern Scheun’ und Fasss“, sagt eine alte Bauernregel. Für die Obstbauern gilt das aber nicht. Landauf, landab klagen sie über den Frost, der ihnen in den vergangenen Wochen die Kirsch- und Apfelblüten hat erfrieren lassen. Winzer trauern um die kleinen Weintriebe, die den eisigen Temperaturen nicht haben trotzen können. Die Lage ist dramatisch, vor allem im Süden Deutschlands. „In Baden-Württemberg sind in einigen Regionen fast 100 Prozent der Apfel- und Birnenbäume und viele der Weinberge betroffen“, sagt Michael Lohse vom Deutschen Bauernverband. Die grün-schwarze Landesregierung hat die Frostperiode bereits als Naturkatastrophe eingestuft, das hilft den Landwirten, finanzielle Hilfe vom Land zu bekommen. Im Bundesagrarministerium wird geprüft, ob es sich bei dem Frost und den Ernteausfällen um eine „Katastrophe von nationalem Ausmaß“ handelt. Falls ja, sind auch Hilfen des Bundes für die deutschen Obst- und Weinbauern denkbar.

Doch noch sind sich die Länder nicht einig. Rheinland-Pfalz hat Landeshilfen angekündigt, ohne den Naturkatastrophenfall auszurufen. Brandenburg prüft das weitere Vorgehen, will sich aber noch nicht festlegen. Für die Landwirte ist die Frage wichtig: Eine private Versicherung gegen Frostschäden hat nämlich kaum ein Obstbauer.

Der März war mild, die Bäume haben früher geblüht

Wie hoch die Schäden wirklich sind, weiß man erst, wenn geerntet wird. Doch die Sorgen sind beträchtlich, vor allem in den großen deutschen Obstregionen Baden-Württemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz. Der März und die ersten Apriltage waren hier besonders warm und trocken, daher haben die Bäume früher geblüht als sonst. „Der Kälterückfall im April hat die Obstbäume und den Wein voll getroffen“, berichtet Meteorologe Weiß.

Mit Frostschutzberegnung, Wachsfeuern oder Paraffinkerzen haben die Bauern versucht, die eisigen Temperaturen zu lindern. „Das funktioniert aber nur bei Werten rund um den Gefrierpunkt“, weiß Andreas Jende, der beim Gartenbauverband Berlin-Brandenburg für die Fachgruppe Obst zuständig ist. „Bei minus sechs oder sieben Grad hilft das nichts.“ In Berlin und Brandenburg rechnet die Branche mit Schäden zwischen sieben und neun Millionen Euro. Vor allem die Kirschen hat es erwischt. „Kirschen aus Werder wird es in diesem Sommer kaum geben“, warnt Jende. Auch die Hälfte der Apfelblüte ist erfroren. Um die Erdbeeren steht es besser. Am 24. Mai beginnt in Brandenburg die Freiluftsaison, bis dahin wachsen die Beeren unter Folie oder im Treibhaus. Das hat aber seinen Preis. Zwischen vier und fünf Euro muss man derzeit für 500 Gramm ausgeben, Freilandware ist günstiger.

Es gibt noch keine Freilanderdbeeren

Auch in Klaistow übt man sich in Geduld, zwangsweise. Auf dem Spargelhof gibt es neben Spargel auch Heidelbeeren und Erdbeeren. Die Erdbeeren wachsen auf 20 Hektar in Gewächshäusern. Die fehlende Sonne macht sich aber auch hier bemerkbar, sagt Betriebsleiter Sven Hager. „Die Erdbeeren sind wahrscheinlich erst zwei Wochen später reif als normal“, sagt er. Auch die Spargelernte leidet. „Beim Spargel haben wir bisher etwas mehr als die Hälfte der sonst üblichen Menge geerntet“, berichtet Hager. Das Unternehmen beliefert sowohl den Einzelhandel als auch Verbraucher direkt. „Die Lage ist im Moment sehr unbefriedigend“, sagt Hager mit Blick auf die bisherige Ernte. „Ohne den Einsatz von Folien hätten wir bis zum jetzigen Zeitpunkt gar keinen Spargel anbieten können.“ Um gut zu gedeihen, benötigen die weißen Stangen stabile Temperaturen um die 25 Grad und acht Stunden Sonne pro Tag; von beidem ist Brandenburg derzeit weit entfernt.

Die meisten Sorgen macht sich Hager allerdings um die Klaistower Heidelbeeren. Sie wachsen wie der Spargel im Freiland, werden allerdings nicht wie das Gemüse durch Folien geschützt. In den kommenden Tagen stehen die Beeren in voller Blüte. Frost kann man da überhaupt nicht gebrauchen. Temperaturen unter null Grad lassen die Blüten absterben – und die gesamte Ernte wäre dahin. Sollten sich die Metereologen täuschen und die Eisheiligen weitere Eisnächte bringen, würde Hager die Pflanzen in diesem Jahr zum Schutz ausnahmsweise beregnen. Sind die Pflanzen mit einer Eisschicht überzogen, isoliert diese und sorgt für Temperaturen um die null Grad. Die Technik kommt vor allem bei Apfelbauern zum Einsatz. „Für uns bedeutet das mehr Aufwand und höhere Kosten, aber wir können es uns nicht leisten, die komplette Ernte erfrieren zu lassen“, sagt Hager.

Deutsches Obst wird teurer

Verbraucher müssen sich auf höhere Preise für deutsche Ware einstellen – oder auf Erdbeeren aus Marokko und Spanien oder Kirschen aus der Türkei ausweichen. „Die Folgen werden voraussichtlich im Kern- und Steinobstbereich deutlich höher ausfallen als im Segment Beerenobst“, heißt es bei Deutschlands größtem Lebensmittelhändler Edeka. Beim Gemüse sieht es besser aus. In einigen Läden gibt es schon deutschen Blumenkohl und Brokkoli, Sorge macht aber der Spargel: „Durch die kalte Witterung und die fehlende Sonne kommt wenig Spargel von den Feldern“, sagt Rewe-Sprecher Raimund Esser.

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